Schmerzmittel mit neuem Wirkprinzip |
Suzetrigin wird oral eingenommen. Ob es eine Alternative zu den stark wirksamen Opioiden darstellen kann, muss abgewartet werden. / © Adobe Stock/Graphicroyalty
Suzetrigin (Journavx™ 50 mg Tabletten) wurde am 30. Januar 2025 in den USA zur Behandlung von erwachsenen Patienten mit mittelstarken bis starken akuten Schmerzen zugelassen. Der Wirkstoff ist ein selektiver Inhibitor des spannungsabhängigen Natriumkanals NaV1.8. Das Unternehmen Vertex Pharmaceuticals, das den Wirkstoff mit dem Entwicklungsnamen VX-548 zur Marktreife geführt hat, spricht in einer Mitteilung vom »ersten und einzigen zugelassenen nicht opioiden oralen Schmerzsignalinhibitor und der ersten zugelassenen neuen Klasse von Schmerzmitteln seit mehr als 20 Jahren«.
Die Natriumkanäle der Subtypen NaV1.1 bis NaV1.9 finden sich in verschiedenen Zell- und Gewebearten. Sie unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Struktur und Funktion nur geringfügig voneinander. Deshalb galt es bislang als schwierig, einen bestimmten dieser Kanäle pharmakologisch zu adressieren. Unselektive Inhibitoren spannungsabhängiger Natriumkanäle sind beispielsweise Lidocain (Lokalanästhetikum), Mexiletin (Antiarrhythmikum) und Carbamazepin (Antiepileptikum).
Mit Suzetrigin ist die selektive Hemmung gelungen. Die Zielstruktur – der Natriumkanal NaV1.8 – wird ausschließlich in peripheren an der Schmerzempfindung beteiligten Nervenzellen (Nozizeptoren) der Spinalganglien exprimiert. Darüber hinaus spielt NaV1.8 eine wichtige Rolle bei der Regulierung von Entzündungsschmerz.
Präklinische und klinische Daten deuten nicht darauf hin, dass der neue Wirkstoff ein Abhängigkeitspotenzial besitzt. Da er zudem nicht in die Prostaglandin-Synthese eingreift, sind auch die für nicht steroidale Antirheumatika (NSAR) typischen Nebenwirkungen nicht zu erwarten. Dazu gehören etwa Magen-Darm-Läsionen und Nierenschäden.
Eine Behandlung mit Suzetrigin wird mit einer Startdosis von 100 mg begonnen und dann mit 50 mg alle zwölf Stunden weitergeführt. In dieser Dosierung war der Wirkstoff in drei Phase-III-Studien bei Patienten mit mittelstarken bis starken (postoperativen) Schmerzen signifikant wirksamer als Pacebo. Verglichen mit der aktiven Kontrollbehandlung Hydrocodon/Paracetamol (5 mg/325 mg alle sechs Stunden) war die Wirkung jedoch nicht besser beziehungsweise schlechter.
Die häufigsten Nebenwirkungen von Suzetrigin waren Juckreiz, Muskelkrämpfe, Anstieg des Kreatinkinase-Werts und Hautausschlag. Die gleichzeitige Anwendung von starken CYP3A-Inhibitoren ist kontraindiziert. Patienten sollten während der Einnahme auch keinen Grapefruitsaft trinken.
Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) hat hohe Erwartungen: »Die heutige Zulassung stellt einen wichtigen Meilenstein für die öffentliche Gesundheit beim Management von akuten Schmerzen dar«, sagte Dr. Jacqueline Corrigan-Curay, geschäftsführende Direktorin der Abteilung für Arzneistoffentwicklung und -forschung der FDA, am Tag der Zulassung.
Vor dem Hintergrund der anhaltenden Opioid-Problematik in den USA hatte die FDA den Hersteller bei der Entwicklung von Suzetrigin beraten und den Zulassungsantrag beschleunigt beurteilt. Ob das neuartige Schmerzmittel mit seiner im Vergleich zu Opioiden womöglich schwächeren Wirkung einen Beitrag zur Lösung des Problems wird leisten können, bleibt abzuwarten. In Europa wird es mit einer möglichen Markteinführung wohl noch eine Weile dauern: Bei der Europäischen Arzneimittelagentur (EMA) liegt noch kein entsprechender Antrag vor.