Schweiß lass nach! |
Peinlich berührt: Starkes Schwitzen kann belastend sein und zum sozialen Rückzug führen. / © Adobe Stock/New Africa
Der Begriff Hyperhidrose kommt aus dem Griechischen und bedeutet »zu viel Wasser«. Betroffene können an verschiedenen Körperstellen übermäßig schwitzen – an Händen, Füßen, Achseln, am Kopf oder auch am ganzen Körper. Fachleute unterscheiden dabei zwischen der primären Hyperhidrose ohne erkennbaren Grund und der sekundären Hyperhidrose, die auf bestimmte Erkrankungen oder Medikamente zurückgeht.
In jedem Fall sei es für Betroffene wichtig, einen Verdacht auf Hyperhidrose medizinisch abklären zu lassen, erklärt Dr. Ulrich Kühne, Dermatologe in der Hautmedizin Bad Soden am Taunus und Mitglied im Berufsverband der Deutschen Dermatologen, im Gespräch mit PTA-Forum. »Nur so lassen sich Art und mögliche Ursachen der Erkrankung identifizieren und die Symptome angemessen behandeln.« So könne beispielsweise eine Schilddrüsenerkrankung hinter dem verstärkten Schwitzen stecken oder auch eine Hormonstörung, eine chronische Infektion, starkes Übergewicht oder dauerhaftes Stressempfinden.
Auch Medikamente können verstärktes Schwitzen auslösen, etwa Opioide, Antidepressiva, Schilddrüsenhormone, Parasympathomimetika oder Glucocorticoide. Bei einer primären Hyperhidrose dagegen vermuten Fachleute, dass eine genetische Veranlagung dahintersteckt, die durch emotionale Faktoren wie Stress und Angst, aber auch durch bestimmte Nahrungsmittel und hohe Temperaturen oder körperliche Anstrengung verstärkt werden kann.
Ob primär oder sekundär, Hyperhidrose bedeutet nicht nur, etwas mehr zu schwitzen als andere. Die Folgen reichen oft in den sozialen und emotionalen Bereich hinein. Denn Menschen, die übermäßig schwitzen, sind häufig im Umgang mit anderen verlegen oder entwickeln gar soziale Ängste oder andere psychosomatische Störungen, vor allem bei öffentlichen Auftritten oder bei physischem Kontakt mit anderen Menschen. Derlei Ängste und die ständige Sorge um das Schwitzen können die Lebensqualität deutlich verringern. Sie führen mitunter dazu, dass sich Betroffene aus sozialen Aktivitäten zurückziehen und Situationen vermeiden, in denen ihr Schwitzen bemerkt werden könnte – was wiederum Isolation und ein Gefühl der Einschränkung im persönlichen sowie im beruflichen Leben mit sich bringen kann.
Betroffene sollten sich mit ihren Beschwerden zunächst an ihren Hausarzt wenden. Je nach vermuteten Ursachen können dann Spezialisten für Dermatologie, Neurologie oder auch Endokrinologie die Behandlung übernehmen. Die Diagnose wird meist nach einer Analyse der Krankengeschichte und der spezifischen Symptome gestellt – dazu gehören Fragen zu den betroffenen Körperregionen, dem Ausmaß und den Umständen des Schwitzens sowie zu eventuellen Auslösern und bisherigen Behandlungsversuchen.
Darüber hinaus helfen verschiedene Tests, den Schweregrad der Hyperhidrose zu bestimmen. Beim Jod-Stärke-Test nach Minor etwa wird eine Jodlösung auf die Haut aufgetragen und mit Stärkepulver bestäubt. Durch die Reaktion zwischen Jod, Stärke und Schweiß werden schwitzende Bereiche farblich markiert. Bei der gravimetrischen Messung wiederum wird an betroffenen Körperstellen Filterpapier angebracht und nach einer bestimmten Zeit gewogen, um die Menge des aufgesaugten Schweißes zu bestimmen. Es ist ratsam, zur Untersuchung auch die Kleidung mitzubringen, in der das Schwitzen typischerweise auftritt. Schweißflecken, getrocknete Salzspuren oder feuchte Hände liefern wertvolle Hinweise.
Oft helfen Antitranspirantien mit hochkonzentrierten Aluminiumsalzen, den übermäßigen Schweißfluss zu reduzieren (zum Beispiel Medisan®, Odaban®, NRF-Rezepturen). Denn Aluminiumsalze können die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen für bis zu 24 Stunden blockieren, was vor allem bei übermäßigem Schwitzen in den Achselhöhlen für Erleichterung sorgt. »Allerdings kommt es da bei empfindlicher Haut immer wieder zu Hautreizungen«, berichtet Dermatologe Kühne.
Aus diesem Grund entschieden sich etliche Patienten für Botox-Injektionen. Denn die Substanz Botulinumtoxin blockiert die Signalübertragung von den Nerven zu den Schweißdrüsen. Die Behandlung wird vor allem bei Hyperhidrose unter den Achseln angewendet, ist aber auch an Hand- und Fußflächen möglich – »allerdings sind die Injektionen da schmerzhafter«, so Kühne. Da die Wirkung einer Botulinumtoxinbehandlung nur vier bis sechs Monate anhält, muss die Anwendung regelmäßig wiederholt werden. »Wir haben aber auch einige Patienten, die das nur einmal im Jahr machen lassen«, berichtet Kühne, »nämlich im Frühsommer, um besser durch die heiße Jahreszeit zu kommen.«
Die Leitungswasser-Iontophorese wiederum wird vorrangig zur Behandlung der Hyperhidrose an Händen und Füßen eingesetzt. Dabei tauchen Betroffene ihre Hände und/oder Füße in ein Wasserbad, durch das ein schwacher elektrischer Strom geleitet wird. Dieses Verfahren kann die Aktivität der Schweißdrüsen effektiv reduzieren – allerdings muss die Behandlung anfangs täglich und nach ein bis zwei Wochen mindestens einmal wöchentlich durchgeführt werden, um den Effekt zu erhalten.
Schließlich zählen zur konservativen Behandlung der Hyperhidrose auch Medikamente, die darauf abzielen, die Schweißproduktion zu reduzieren. Anticholinergika dämpfen die Aktivität des Nervensystems und verringern so die Stimulierung der Schweißdrüsen. Allerdings können sie Nebenwirkungen wie Verstopfung, Mundtrockenheit oder Sehstörungen mit sich bringen. Der anticholinerge Wirkstoff Glycopyrronium ist seit einiger Zeit auch als Deocreme zur topischen Anwendung verfügbar (Axhidrox®). Topisch angewandt wird auch die Substanz Methenamin (Antihydral®). In Anwesenheit von saurem Schweiß wird Formaldehyd freigesetzt, welches Eiweiße denaturiert und so die Ausführungsgänge der Schweißdrüsen verschließt.
Wenn die konservativen und medikamentöse Behandlungsmethoden wenig fruchten, kann ein chirurgischer Eingriff Betroffenen Erleichterung verschaffen. Dabei werden die überaktiven Schweißdrüsen entfernt oder die Nerven, die die Schweißproduktion steuern, unterbrochen. Das funktioniert durch (Saug-)Kürettage, also Auskratzung oder Absaugung unter der Haut, in der Regel unter örtlicher Betäubung.
Alternativ werden – unter Vollnarkose – bei einer minimalinvasiven VATS-Sympathektomie (Video-assistierte Thoraxchirurgie) oder auch bei einer RATS-Sympathektomie (Roboter-assistierte Thorakoskopie) die Nervenbahnen sowie die zu- und ableitenden Nervenfasern blockiert oder durchtrennt, die die Schweißdrüsenaktivität in bestimmten Körperregionen regulieren. Derlei Operationen können sehr wirksam sein, bergen aber auch Risiken wie Infektionen, Narbenbildung oder – in seltenen Fällen – Veränderungen der Schweißproduktion an anderen Körperstellen (kompensatorisches Schwitzen).