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Herz und Gefäße in Gefahr

Schwere Folgen von Virusinfektionen

SARS-CoV-2 bringt es in Erinnerung: Folgen von Virusinfektionen können in seltenen Fällen auch lebensbedrohliche Ereignisse wie Schlaganfall oder Krankheiten wie die Herzschwäche sein. Beim Erreger von Covid-19 sind die schädlichen Wirkungen auf das Herz-Kreislauf-System allerdings noch nicht völlig verstanden.
Nicole Schuster
01.07.2020  09:00 Uhr

Täglich nehmen die Erkenntnisse zum neuen Coronavirus SARS-CoV-2 zu. Mittlerweile weiß man, dass die Viren auch das Herz-Kreislauf-System in Mitleidenschaft ziehen. Züricher Mediziner fanden heraus, dass SARS-CoV-2 die Gefäße befällt und dort das Endothel schädigt. Das Endothel ist eine Zellschicht, die die Blutgefäße von innen auskleidet und verschiedene Funktionen hat. Unter anderen steuert es die Mikrozirkulation, also den Blutstrom in den kleinsten Blutgefäßen.

SARS-CoV-2 dringt vermutlich über die im Endothel vorkommenden ACE2-Rezeptoren in die Zellen ein und kann dort Entzündungen auslösen. Im weiteren Verlauf sterben Endothelzellen ab. Das gefährliche: »Da das Endothel im gesamten Körper in verschiedenen Organen vorhanden ist, sind auch die Entzündungen generalisiert«, erklärt Professor Dr. Thomas Meinertz, Kardiologe und Pharmakologe aus Hamburg, im Gespräch mit dem PTA-Forum. Eine solche Entzündung des gesamten Endothels bezeichnen Mediziner als Endotheliitis. Bei den betroffenen Patienten ist die Mikrozirkulation gestört. Das kann Schäden am Herz, Gefäßverschlüsse im Hirn bis hin zu einem Multiorganversagen verursachen. Besonders gefährdet von den Komplikationen sind Menschen mit Bluthochdruck, Diabetes, Herzinsuffizienz oder koronarer Herzkrankheit. Bei ihnen ist das Endothel bereits vorgeschädigt. Seine schützende Funktion nimmt im Laufe der Erkrankung weiter ab.

Massive Blutgerinnung bei Covid-19

In der Praxis beobachten Ärzte bei Covid-19-Patienten auch immer wieder, dass deren Blutgerinnung stark aktiviert ist und einige Gerinnungsfaktoren, etwa der Gerinnungsfaktor VIII, über den vielfachen Normalwert ansteigen. Auch hier könnte die Ursache sein, dass SARS-CoV-2 in den Endothelzellen Abwehr- und Entzündungsreaktionen hervorruft, was die Produktion von Blutgerinnungsfaktoren stark anheizen könnte. Thrombosen und Lungenembolien können die Folge sein – ein häufiger Befund bei obduzierten Covid-Toten (DOI: 10.1056/NEJMoa2015432). Ähnliche Beobachtungen, wenn auch nicht so massiv, sind von anderen Infektionskrankheiten, etwa der Influenza, bekannt. Einige Ärzte erwägen, Covid-19-Patienten vorbeugend Heparin in hohen Dosen zu applizieren. Diese Therapie erweist sich aber nicht immer als wirksam.

Ebenfalls ein Problem bei Covid-19 und eine weitere mögliche Ursache für die aktivierte Blutgerinnung sind überschießenden Reaktionen des Immunsystems. Das Abwehrsystem schützt den Körper normalerweise vor Angriffen von außen. Entgleist jedoch das Immunsystem, kann das tödlich enden. Eine wichtige Rolle dabei spielen Zytokine. Dabei handelt es sich um körpereigene Stoffe, die bei Entzündungen eine Schlüsselrolle spielen. Bestimmte Auslöser wie SARS-CoV-2 können die zytokinbildenden Leukozyten extrem aktivieren, so dass ein sogenannter Zytokinsturm entsteht. Auch wenn das auslösende Antigen nicht mehr vorhanden ist, stellen die übermäßig aktivierten Leukozyten weiter Zytokine her. Starke Entzündungsreaktionen entwickeln sich im ganzen Körper und an den Gefäßinnenseiten. Die Gefäßwände werden durchlässig, und es gelangt Flüssigkeit ins Gewebe.

Zudem werden verstärkt Gerinnungsfaktoren gebildet. Schädigungen von Geweben und Organen sowie deren Funktionsverlust können folgen. Arzneistoffe, die wie der IL-6-Rezeptorantagonist Tocilizumab gegen den Zytokinsturm gerichtet sind, diskutieren Ärzte als eine mögliche Therapieoption bei Covid-19. Ähnliche Zytokinstürme sind auch beim Ebolafieber, beim Marburg-Virus und bei der Influenza bekannt. »Bei Ebola leiden die Patienten jedoch im Gegensatz zu Covid-19 an einer erhöhten Blutungsneigung«, sagt der Experte. Warum es zu diesen gegensätzlichen Reaktionen komme, sei unbekannt.

Herzschäden bei Kindern

Bei Kindern kann die überschießende Reaktion des Immunsystems auf SARS-CoV-2 zu einem Symptomkomplex führen, der an das seltene Kawasaki-Syndrom erinnert. Ärzte fürchten beim Nachwuchs eine irreversible Erweiterung der Herzkranzgefäße. Diese bleibenden Herzschäden entstehen vermutlich dadurch, dass Antikörper, die sogenannten Autoantikörper gegen Endothelzellen (AECA), in den inneren Zellschichten der Herzgefäße Entzündungen auslösen.

Herzschäden sind auch bei anderen viralen und bakteriellen Infektionen bekannt. »Viren können direkt den Herzmuskel angreifen. Herzmuskelentzündungen, Herzrhythmusstörungen und Herzschwäche mit verminderter Pumpleistung können im Zusammenhang mit vielen viralen Infektionskrankheiten auftreten«, sagt Meinertz. Die Komplikationen entstehen, wenn sich die Erreger über den Blutstrom bis ins Herz verbreiten und das Organ befallen. Die Gefahr für Herzschäden ist besonders groß, wenn Menschen mit Infektionen Sport treiben und dadurch ihr Immunsystem schwächen.

Auch auf das zentrale Nervensystem können die Erreger übergehen und Komplikationen wie eine Hirnhautentzündung oder Gehirnentzündung auslösen.

Grippe erhöht Risiken

Bei schweren Infekten drohen gefährliche Herz-Kreislauf-Komplikationen auch dann, wenn Betroffene sich nicht beim Sport verausgaben. Statistiken zeigen zum Beispiel, dass nach einer Grippewelle Herz- und Gefäßerkrankungen übermäßig zunehmen. Die gute Nachricht: Je länger die Influenza zurückliegt, desto mehr sinkt das Risiko beispielsweise für einen Herzinfarkt wieder. In den ersten sieben Tagen ist es jedoch um das Vielfache erhöht. Einen Monat danach ist das Risiko immer noch deutlich höher als bei Menschen, die nicht an der Grippe erkrankt sind. Ähnlich sieht es für das Schlaganfall-Risiko aus. »Die Influenza ist eine schwere Erkrankung, die mit starken Krankheitssymptomen wie hohem Fieber einhergeht. Das bedeutet Stress für den Körper, und Stress ist ein wichtiger Risikofaktor für Herzinfarkt und Schlaganfall«, erklärt der ehemalige Vorsitzende der Deutschen Herzstiftung.

Impfung schützt doppelt

Besonders gefährdet, Folgeschäden am Herz-Kreislauf-System zu erleiden, sind ältere Patienten, da ihr Immunsystem schwächer ist als das jüngerer Menschen. Das Risiko ist auch unabhängig vom Lebensalter erhöht, wenn Grundkrankheiten oder eine angeborene oder erworbene Immunschwäche vorhanden sind.

Das bedeutet aber auch: Gibt es eine Schutzimpfung, etwa die Influenza-Impfung, schützt diese nicht nur vor der gefährlichen Infektionskrankheit, sondern auch vor oft lebensbedrohlichen Herz-Kreislauf-Schäden.

Keine Furcht vorm Krankenhaus

SARS-CoV-2 hingegen ist nicht nur bei infizierten Menschen für herzkreislaufbedingte Todesfälle verantwortlich. »Viele Patienten, die Symptome oder Warnzeichen eines vermutlichen Herzinfarkts oder Schlaganfalls bemerken, gehen aktuell nicht zum Arzt oder ins Krankenhaus«, erklärt der Experte. Das habe zwei Ursachen: »Die einen fürchten sich vor einer Ansteckung. Die anderen wollen die Ärzteteams entlasten und diese nicht nur mit ihren vermeintlichen Bagatellbeschwerden belästigen.« Diese Angst beziehungsweise Rücksicht auf das medizinische Personal kann tödliche Folgen haben. Wichtig daher auch in der Apotheke der Hinweis: Bei Warnzeichen für einen medizinischen Notfall sofort ins Krankenhaus beziehungsweise den Rettungswagen rufen. Das gilt auch in Zeiten der Corona-Krise.

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