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Mehr als nur ein Manko

Schwerhörigkeit hat Folgen

Altersschwerhörigkeit ist ein schleichender Prozess, der von vielen Betroffenen oft gar nicht richtig bemerkt wird. Umso wichtiger ist ein aufmerksames Umfeld. Denn: Bleibt eine Altersschwerhörigkeit unbehandelt, steigt das Risiko für Demenz, Depressionen und Stürze.
AutorKontaktCarina Steyer
Datum 04.09.2023  08:30 Uhr

Hören ist ein komplexer Prozess. Schallwellen werden über den äußeren Gehörgang zum Trommelfell geleitet, das in Schwingung gerät. Die Gehörknöchelchen – Hammer, Amboss, Steigbügel – im Mittelohr verstärken die Schwingungen und leiten sie an die Schnecke (Cochlea) im Innenohr weiter. Dort werden sie von den Haarzellen in elektrische Signale umgewandelt und über die Nervenbahnen des Hörnervs an das Hörzentrum im Gehirn weitergeleitet, wo sie schließlich in Töne und Informationen übersetzt werden.

Etwa ab dem 50. Lebensjahr nimmt die Leistungsfähigkeit des Gehörs auf beiden Ohren ab. Auslöser ist in den meisten Fällen der natürliche Verschleiß der Haarzellen im Innenohr, manchmal werden auch der Hörnerv oder das Hörzentrum durch den Alterungsprozess beeinträchtigt. Zudem hinterlässt die Lärmbelastung durch Freizeitgeräusche im Laufe des Lebens ihre Spuren.

Altersschwerhörigkeit entwickelt sich schleichend und kann häufig über eine lange Zeit hinweg so gut kompensiert werden, dass Betroffene sie nicht wahrnehmen. Gerade zu Beginn zeigt sich der Hörverlust zunächst nur unter akustisch schwierigen Bedingungen, wie zum Beispiel Situationen mit vielen Hintergrundgeräuschen, einer großen Distanz zum Sprecher oder in Räumen mit Nachhall.

Da zunächst die hohen Frequenzbereiche betroffen sind, kann zudem der Höreindruck entstehen, dass Frauen und Kinder undeutlich sprechen oder nuscheln. Erst im fortgeschrittenen Stadium zeigt sich die Altersschwerhörigkeit auch in ruhiger Umgebung, in Einzelgesprächen, beim Fernsehen oder Telefonieren.

Faktor für Einsamkeit

In Deutschland sind rund 14 Millionen Menschen von einer Altersschwerhörigkeit betroffen. Doch nur jeder Zweite nutzt ein Hörgerät, um den Hörverlust auszugleichen. Dass das drastische Folgen haben kann, wird in den letzten Jahren immer deutlicher. Werden Gesprächsinhalte nur eingeschränkt verstanden, versuchen Betroffene dies zunächst durch Nachfragen oder eine Erhöhung der Lautstärke auszugleichen. Später wird Nichtverstandenes, durch Assoziations- und Ratemechanismen anhand des vermuteten Sinns ergänzt. Insbesondere Letzteres erfordert ein hohes Maß an kognitiver Mehrarbeit und ist anstrengend. Viele Betroffene ziehen sich mit Fortschreiten der Schwerhörigkeit immer häufiger zurück, um wieder zur Ruhe zu kommen, oder gehen Aktivitäten, die ein gutes Hören voraussetzen, von Vornherein aus dem Weg.

Zunehmende soziale Isolation und Einsamkeit sind bekannte Begleiter einer Altersschwerhörigkeit und können ihrerseits die Entwicklung einer Depression fördern. Wie eng dieser Zusammenhang ist, haben Wissenschaftler der Columbia University anhand der Daten von mehr als 5000 Menschen ab 50 Jahren untersucht. Jeder Studienteilnehmer unterzog sich einem Hörtest und wurde auf depressive Symptome getestet.

Dabei zeigte sich: Studienteilnehmer mit einem leichtem Hörverlust litten fast doppelt so häufig unter depressiven Symptomen wie Teilnehmer ohne Hörbeeinträchtigung. Bei den Teilnehmern mit starkem Hörverlust trat die depressive Symptomatik viermal häufiger auf als bei gut hörenden Teilnehmern. Statistisch betrachtet erhöhte sich das Risiko für eine Depression pro 20 Dezibel (dB) Hörverlust um das 1,5-Fache.

Gehirn involviert

Neben sozialen Komponenten vermuten viele Forscher inzwischen auch eine kognitive Komponente, die nicht nur die Entwicklung von Depressionen, sondern auch von Ängsten und suizidalen Vorstellungen bei einem unbehandelten Hörverlust begünstigen könnte. So ist bekannt, dass eine unbehandelte Schwerhörigkeit die Frontalhirnregion verändert. Das wirkt sich auf die Fähigkeit aus, auf emotional herausfordernde oder belastende Situationen angemessen zu reagieren und aufkommende Emotionen zu regulieren.

Auch bei Demenzerkrankungen spielt schlechtes Hören eine wichtige Rolle. Fehlen akustische und soziale Reize dauerhaft, ist das Gehirn unterfordert. Das kann den kognitiven Abbau beschleunigen. Gleichzeitig ist die Verarbeitung von schlecht wahrgenommenen Geräuschen und Stimmen mit wesentlich mehr kognitiver Anstrengung verbunden und erzeugt Stress im Gehirn, der sich negativ auf das Sprachzentrum und das Arbeitsgedächtnis auswirkt. Alles gemeinsam scheint ein bedeutender Risikofaktor für die Entstehung einer Demenz zu sein.

Wie stark dieser ausfällt, zeigen Daten, die Wissenschaftler vom Institut für Sozialmedizin, Arbeitsmedizin und Public Health der Medizinischen Fakultät der Universität Leipzig in Zusammenarbeit mit Forschungszentren aus Hamburg, Bonn und Hannover über 20 Jahre erfasst und ausgewertet haben. Eingeschlossen wurden in der repräsentativen Studie 3500 Menschen über 75 Jahren. Nach Angaben der Forscher berichteten 30 Prozent der Teilnehmer zu Beginn der Studie von einer Hörminderung, gut ein Viertel entwickelte eine Demenz.

Das ermittelte Demenzrisiko der Studienteilnehmer mit Hörminderung war im Vergleich zu gut hörenden Probanden um 16 Prozent erhöht. Die durchschnittliche Zeit vom Studienstart bis zum Beginn der Krankheit betrug fünfeinhalb Jahre. Aus anderen Studien ist zudem bekannt, dass eine Hörminderung im Fall einer Demenz auch den Krankheitsverlauf negativ beeinflusst.

Hörgeräte lohnen sich

Anders als bei einer Brille, sind viele Menschen mit Altersschwerhörigkeit vom Tragen eines Hörgerätes nur schwer zu überzeugen. Wie wichtig dieses jedoch in Bezug auf die Demenzprävention ist, konnte eine Studie der Shandong Universität in China belegen, in der die Daten von rund 430.000 Menschen zwischen 40 und 69 Jahren ausgewertet wurden. Dabei zeigte sich, dass das Tragen eines Hörgerätes das Demenzrisiko von Menschen mit Hörminderung auf das Risiko von Menschen mit vollem Hörvermögen senkt. Selbst bei hochgradiger Schwerhörigkeit, die mit einem Cochlea-Implantat ausgeglichen wurde, ließ sich bereits einige Monate nach der Hörrehabilitation eine Verbesserung einzelner kognitiver Fähigkeiten nachweisen.

Höhere Sturzgefahr

Auch, um möglichst unabhängig zu bleiben und medizinisch gut versorgt zu werden, sind Hörgeräte für Menschen mit Altersschwerhörigkeit wichtig. So ist bekannt, dass Hörstörungen ein wesentlicher Risikofaktor für Stürze im höheren Lebensalter sind. Das Sturzrisiko steigt mit jeder Hörverschlechterung von 10 dB um das 1,4-Fache an. Die genauen Ursachen für den Zusammenhang sind derzeit unklar. Wissenschaftler vermuten auch hier, dass kognitive Prozesse eine entscheidende Rolle spielen. Wird die schwächer werdende Hörfunktion durch zusätzliche kognitive Mehrarbeit ausgeglichen, fehlt die kognitive Kapazität für andere Körperfunktionen und Aufgaben, zu denen auch die Fortbewegung und das Körpergleichgewicht gehören.

Darüber hinaus könnten parallel auftretende Innenohrstörungen, die das Hör- und Gleichgewichtsorgan betreffen, die Beeinträchtigung des räumlichen Hörens, des Richtungshörens und der akustischen Orientierung eine Rolle spielen. Studien konnten zeigen, dass der Einsatz einer Hörhilfe das statische und dynamische Gleichgewicht verbessert.

Ebenfalls bekannt ist, dass Hörverluste ab dem 65. Lebensjahr mit einer erhöhten Erkrankungsrate und einem erhöhten Risiko für Krankenhauseinweisungen verbunden sind. Zudem konnte gezeigt werden, dass Schwerhörigkeit auch in der medizinischen Versorgung  Gespräche verschlechtert, was sich wiederum auf die Qualität der Therapie auswirkt.

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