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Prävention und Therapie

Selbstbestimmt bei Arthrose

Arthrose ist nicht heilbar. Durch eine frühzeitige Behandlung können die Betroffenen die Erkrankung aber oft gut in den Griff bekommen. Entscheidend ist auch die Eigeninitiative, also eine entsprechende Lebensweise und sportliches Training.
Judith Schmitz
29.07.2024  08:00 Uhr

»Arthrose ist nicht nur eine Erkrankung des Gelenks, sondern beeinflusst das gesamte Leben der Betroffenen«, sagt Professor Dr. Hanno Steckel, Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, ärztlicher Leiter des MVZ-Vitalis in Berlin sowie Autor des Ratgebers »Expertenwissen: Arthrose«, gegenüber PTA-Forum. Die gute Nachricht: Eine frühzeitige Diagnose und passende Behandlung können das Fortschreiten der Arthrose verlangsamen, Symptome lindern und die Lebensqualität verbessern. Eine Heilung ist bisher aber nicht möglich.

Weltweit ist Arthrose die häufigste Gelenkerkrankung. Sie kann in jedem Gelenk auftreten. Besonders anfällig sind Hüft-, Knie- und Fingergelenke sowie die kleinen Wirbelgelenke. Neben dem Knorpel sind auch Bänder, Gelenkkapsel, Knochen und die gelenkführende Muskulatur betroffen. Während sich der Knorpel in seiner Dicke immer weiter reduziert, kommt es im Knochen zu Zysten und Anbauten. Die Bänder und die Gelenkkapsel werden durch die rezidivierenden Entzündungen dick und unbeweglich, während die Muskulatur durch die fehlende Beanspruchung abbaut.

Das Risiko, eine Arthrose zu entwickeln, steigt mit dem Alter. In Industrieländern sei bei etwa jedem dritten Über-60-Jährigen radiologisch eine Arthrose feststellbar, die Tendenz wegen der Alterung der Gesellschaft eher steigend, so Steckel. Entsteht bei Jüngeren eine Arthrose, dann meist aufgrund von Verletzungen oder genetischer Faktoren. Frauen nach den Wechseljahren erkranken häufiger an Arthrose als Männer. Der Östrogenmangel könnte eine Rolle spielen, die genaue Ursache ist aber unklar.

Alter und Genetik

Arthrose ist eine komplexe Erkrankung, bei deren Entstehung verschiedene Faktoren zusammenwirken. Neben dem Alter und der genetischen Komponente wird sie maßgeblich beeinflusst durch biomechanische Belastungen, Entzündungsreaktionen im Körper sowie metabolische Störungen wie Gicht und einen schlecht eingestellten Diabetes.

Gelenke dienen dazu, Kräfte aufzunehmen, zu verteilen und damit eine reibungslose Bewegung zu ermöglichen. Arthrose entsteht durch eine übermäßige und unangemessene mechanische Belastung des betroffenen Gelenks. Man spricht von degenerativer Gelenkabnutzung. Der Gelenkverschleiß tritt im Laufe der Alterung auf, zu vorzeitigen Schäden am Knorpel und anderen Gelenkstrukturen können jedoch extreme sportliche Belastungen wie Marathonläufe führen. Aber auch Unfälle mit Gelenkbeteiligung, Gelenkinstabilitäten und Fehlstellungen können eine unphysiologische Belastung des Gelenks bedingen und damit die Entstehung einer Arthrose fördern.

Hat der Knorpelabbau in einem Gelenk begonnen, wird der angrenzende Knorpel vermehrt belastet – mit der Folge, dass auch dieser seinen Abbau startet. So schreitet der Verlust von Knorpel voran, denn im Gegensatz zu Haut- oder Haarzellen bildet der Körper keine Knorpelzellen nach. Der Knorpelabbau kann durch Entzündungsfaktoren wie etwa Zytokine beschleunigt werden. Der pH-Wert der Gelenkflüssigkeit verändert sich und es kommt zu einer Art Teufelskreis, in dem Entzündungsmediatoren den Abbau der Knorpelzellen triggern und diese beim Zerfall weiter Mediatoren freisetzen, die eine Entzündungsreaktion unterhalten. »Auf diese Weise sind die mechanischen und biologischen Aspekte der Arthrose eng miteinander verknüpft und können sich gegenseitig beeinflussen«, sagt Steckel.

Typische Symptome einer Arthrose sind belastungsabhängige Schmerzen, die im Tagesverlauf zunehmen, und Morgensteifigkeit, die meist weniger als eine halbe Stunde anhält. Manche Betroffene sprechen auch von einem »Knirschen« und »Reiben«, als hätten sie Schmirgelpapier zwischen den Gelenkflächen.

Motivation zu aktivem Lebensstil

Für Steckel ist klar, dass Menschen mit Arthrose nicht nur medizinisch, sondern ganzheitlich unterstützt und zu einem aktiven gesunden Lebensstil motiviert werden sollten. Wie kann das gelingen? »Ein erster Schritt ist eine umfassende Information über die Erkrankung, also ihre Entstehung mit den geschilderten Wechselwirkungen zu verstehen, ihren Verlauf, aber auch wie man einer Arthrose vorbeugen beziehungsweise sie rechtzeitig erkennen kann«, sagt Steckel.

Beispiel Hüftarthrose: Ein großer Risikofaktor für eine Hüftarthrose ist die Hüftdysplasie. Das ist eine angeborene Fehlbildung der Hüftgelenkpfanne und betrifft etwa 2 bis 5 Prozent der Neugeborenen. Wichtig sei, diese frühzeitig zu erkennen und konsequent zu behandeln. Dann entwickeln sich die Hüftgelenke bei mehr als 90 Prozent der betroffenen Babys normal. In Deutschland erfolgt zur Früherkennung das Neugeborenen-Hüftscreening im Rahmen der Vorsorgeuntersuchung U3, bei Risikobabys oder Fällen von Hüftdysplasie in der Familie auch schon früher.

Zur Prävention helfe auch ein Blick in die Familie, so Steckel. Haben beide Eltern nicht unfallbedingt ein künstliches Hüft- oder Kniegelenk, sei eine gewisse Wahrscheinlichkeit gegeben, eine genetische Disposition geerbt zu haben. Risikofaktoren wie Marathonläufe, die die Gelenke extrem belasten, sollten dann eher vermieden werden. Auch unabhängig von der eigenen familiären Vorgeschichte: Wer seinen Gelenken etwas Gutes tun möchte, achtet vorbeugend auf Normalgewicht, bewegt sich regelmäßig gelenkschonend und verzichtet auf häufigen, übermäßigen Alkoholkonsum.

Für alle Erwachsene wünscht sich Steckel einen sogenannten Ortho-TÜV, regelmäßige Check-up-Untersuchungen des Bewegungsapparates beim Orthopäden. Dabei könnte man Erkrankungen und Fehlstellungen frühzeitig erkennen und behandeln und damit auch einer Arthrose vorbeugen. Das brächte zudem einen wirtschaftlichen Vorteil, sind Erkrankungen des Muskel-Skelett-Systems doch eine der häufigsten Ursachen für Arbeitsunfähigkeit in Deutschland.

Ziele setzen

Menschen, die bereits an Arthrose erkrankt sind, sollten für sich klären: Was ist die Ursache für meine Arthrose, mit den Zielen, die Ursache – sofern möglich – zu beseitigen und den Status quo möglichst lange ohne Operation zu halten. Wichtig sei, dass die Betroffenen verstehen, dass sie durch aktives Mitwirken den Schaden zwar nicht rückgängig machen, das Fortschreiten des Knorpelabbaus aber reduzieren können. Je nach Ursache kann etwa an diesen Stellschrauben justiert werden: Reduktion des Körpergewichts und anderer mechanischer Belastungen, Wechsel oder Start einer Sportart (Joggen besser nicht bei Arthrose), Ernährungsumstellung, Alkohol- und Nikotinverzicht, eine gute Einstellung eines Diabetes mellitus und die Korrektur von Gelenkfehlstellungen.

Je nach Stadium kann eine Arthrose Schmerzen verursachen und die Beweglichkeit deutlich einschränken. Dem können Betroffene jedoch mit einem auf die Erkrankung abgestimmten Trainingsprogramm aktiv begegnen. Laut Steckel besteht dieses aus vier Komponenten:

  1. Beweglichkeit: Ist ein von Arthrose betroffenes Gelenk steif, muss man es zunächst wieder beweglicher machen. Hierzu eignen sich vor allem Dehnungs- und Faszienübungen. Sie können erst durch einen Physiotherapeuten angeleitet werden, dann aber daheim selbstständig weiter praktiziert werden.
  2. Kraft: Ein starkes Muskelkorsett stützt und schützt die Gelenke und Knochen. Daher ist Krafttraining zum Muskelaufbau wichtig.
  3. Ausdauer: Hiermit lässt sich die eigene Belastungsfähigkeit und -dauer steigern – eine gute Stütze, den Alltag besser zu meistern und sich insgesamt wohler zu fühlen. Steckel empfiehlt als mögliche Ausdauersportart bei Arthrose etwa Nordic Walking, Radfahren, Schwimmen, Rudern, Stehpaddeln, für Jüngere auch Inlineskating und Skilanglauf.
  4. Koordination: Ein gutes Koordinationsvermögen senkt das Risiko für Stürze und Fehlbelastungen. Es ist besonders für ältere Menschen mit Arthrose geeignet, da sie nach Stürzen oftmals nicht mehr zu Hause, sondern im Pflegeheim leben können. Mögliche Übungen: Balancieren (über ein langes zusammengelegtes Handtuch auf dem Boden), Wackelbrett (dickes Handtuch oder Schaumstoffmatte auf dem Boden), Ballfangspiele, Kästchenhüpfen, Einbeinstand, Zahlenmalen (auf einem Bein stehen und mit dem anderen eine Acht auf den Boden oder in die Luft malen), Trampolinsprünge, Sprossenwand.

Steckel empfiehlt regelmäßige Trainingseinheiten von 30 bis 45 Minuten. Jede Einheit sollte aus einer Aufwärmphase, dem eigentlichen Training und einer Erholungsphase bestehen.

Zum Thema Ernährung sagt Steckel: »Es gibt kein Lebensmittel oder Nahrungsergänzungsmittel, mit dem man Arthrose verhindern kann und auch keinen Beleg dafür, die Arthrose damit aufzuhalten. Allerdings ist erwiesen, dass schlechte Ernährung eine Arthrose negativ beeinflussen kann.« Schlechte Ernährung meint etwa zu viel Alkohol und rotes Fleisch. Der Ratgeber beinhaltet Rezeptideen für eine vegetarische Kost, zusammengestellt von der Co-Autorin und Ökotrophologin Bettina Snowdon. Sie nennt im Buch verschiedene Lebensmittel, denen Schmerzlinderung und ein Verzögern des Gelenkverschleißes bei Arthrose nachgesagt werden, jedoch fehlt der wissenschaftliche Nachweis.

Menschen mit Arthrose quält oft auch nachts der Schmerz. Sie finden keine angenehme Schlafposition und wachen häufig auf. Schlafmangel kann aber die Schmerzempfindlichkeit erhöhen. Die Stellschraube lautet also hier, zu einem erholsamen Schlaf zu finden. Steckel empfiehlt, andere Schlafpositionen auszuprobieren und entsprechend etwa Kissen und Matratze (bei gefundener Position) anzupassen. Leichte Dehnübungen und notfalls Schmerzmittel vor dem Schlafengehen können neben regelmäßigen Schlafenszeiten helfen, die Spirale aus Arthroseschmerzen und schlechtem Schlaf zu durchbrechen.

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