Seltene, aber gefährliche Allergien |
Bbei frischen Tattoos sind allergische Reaktionen vom normalen Wundheilungsprozess schwer zu unterscheiden. / Foto: Adobe Stock/davit85
was wie eine billige Ausrede klingen kann, ist für manche Menschen bittere Realität. Sie leiden unter einer sogenannten anstrengungsinduzierten Anaphylaxie. Dabei entwickelt sich nach der Aufnahme eines Allergens und anschließender körperlicher Belastung eine allergische Reaktion. Ohne Sport hingegen wird das Allergen gut toleriert. Zu den häufigsten auslösenden Substanzen der Allergie zählt Weizen, weshalb mitunter auch der Begriff wheat dependent exercise induced anaphylaxis (kurz WDEIA) verwendet wird. Danach folgen Hülsenfrüchte, Nüsse, Tierprodukte, Gewürze, Obst und Gemüse sowie Schmerzmittel, Antibiotika und Protonenpumpenhemmer. Warum körperliche Anstrengung als Triggerfaktor fungiert, wird von Wissenschaftlern unterschiedlich diskutiert. Möglich ist zum Beispiel, dass eine erhöhte Darmdurchblutung die Allergenaufnahme fördert oder Produkte, die im Rahmen des Muskelstoffwechsels entstehen, eine Rolle spielen.
Typischerweise treten Symptome innerhalb von zwei Stunden nach der Allergenexposition und anschließender körperlicher Belastung auf. Entscheidend für das Entstehen und den Schweregrad der Reaktion sind die Menge des verzehrten Allergens und die Art und Dauer der körperlichen Belastung. Die Symptome reichen von Rötungen, Schwellungen und Nesselsucht bis hin zu Herzrasen, Schwindel und im schlimmsten Fall einem anaphylaktischen Schock mit Todesfolge.
Derzeit gehen Mediziner davon aus, dass gegen die anstrengungsinduzierte Anaphylaxie keine Toleranz entwickelt werden kann. Die wichtigste Maßnahme ist deshalb, neben dem Meiden des Allergens eine Pause von vier Stunden zwischen der Allergenaufnahme und körperlicher Aktivität einzuhalten. Zudem erhalten Betroffene für den Ernstfall ein Notfall-Set mit Adrenalinautoinjektor.
Es sind einige Allergene bekannt, die im Fleisch von Säugetieren, Vögeln und Fischen vorkommen und allergische Reaktionen auslösen können. Während die Fischallergie relativ häufig ist, tritt eine Fleischallergie deutlich seltener auf.
Bekannt sind zum Beispiel allergische Reaktionen auf Rinderserumalbumin, das auch für Kreuzreaktionen mit Milch und Lammfleisch verantwortlich ist. Beim »Cat-Pork-Syndrom« reagieren Katzenallergiker aufgrund einer Kreuzreaktion auf Schweinefleisch. Verantwortlich ist das Schweineserumalbumin, das strukturelle Übereinstimmungen mit dem Katzenserumalbumin (Fel d2) hat. Gegen welches Allergen der Fleischallergiker sensibilisiert ist, bestimmt, welche Fleischsorten er verträgt. Einige Patienten reagieren auf rotes Fleisch, vertragen aber Geflügel und umgekehrt. Andere wiederum sind auf Allergene sensibilisiert, die in allen Fleischsorten vorkommen und vertragen somit gar kein Fleisch.
Fleischallergien sind in der Regel Soforttypallergien, die sich in Hautsymptomen, Übelkeit, Erbrechen, Darmbeschwerden, Atemnot und im Extremfall einem anaphylaktischen Schock zeigen. Eine Ausnahme davon bildet eine relativ neue Form der Fleischallergie, die erst im Erwachsenenalter auftritt. Beim sogenannten α-Gal-Syndrom reagieren Betroffene auf Zuckermoleküle an Proteinen, die α-Galaktose. Die Symptome treten mit einer deutlich zeitlichen Verzögerung von drei bis sechs Stunden (mitunter auch länger) auf – besonders häufig mitten in der Nacht. Warum Symptome verzögert auftreten, ist derzeit noch unbekannt. Wissenschaftler vermuten, dass der Verdauungsprozess eine Rolle spielen könnte. Geklärt ist inzwischen der Auslöser der Allergie. Zecken übertragen während des Saugvorgangs α-Galaktose und sensibilisieren die Betroffenen.
Patienten mit einer Fleischallergie wird empfohlen, das auslösende Fleisch, Innereien sowie gelatinehaltige Produkte zu meiden.
Allergische Reaktionen gegenüber Inhaltsstoffen in Tattoos gehören zu den häufigsten Nebenwirkungen beim Tätowieren. Sie können sich bereits kurz nach dem Stechen, aber auch erst einige Jahre später zeigen. Gerade bei frischen Tattoos ist es nicht immer einfach, allergische Reaktionen vom normalen Wundheilungsprozess zu unterscheiden, der zwei bis vier Wochen dauert. Halten Hautausschläge jedoch an oder treten Erhebungen an der tätowierten Haut auf, sollte der Patient einen Hautarzt oder Allergologen aufsuchen. In leichten Fällen helfen Glucocorticoid-haltige Salben, die Symptome abklingen zu lassen. Schwere Reaktionen zeigen sich durch übermäßig starke Verhornung und Ulkusbildung. Hier muss das betroffene Gewebe in der Regel operativ entfernt werden.
Lange gingen Experten davon aus, dass allergische Reaktionen vor allem durch mit Schwermetallen verunreinigte Farbpigmente ausgelöst werden. Häufige Vertreter sind Pigmente auf Quecksilbersalzbasis (rot) und Cadmium (gelb), seltener Dichromat (grün) und Kobalt (blau). Bei Cadmium spielt UV-Licht als Triggerfaktor eine wichtige Rolle. Schwarz hingegen führt nur selten zu allergischen Reaktionen. Im vergangenen Jahr konnten jedoch Wissenschaftler des Bundesinstituts für Risikobewertung gemeinsam mit einem internationalen Kooperationsteam zeigen, dass während des Tätowierens Metallteilchen von den Nadeln abgeschliffen werden, die Nickel und Chrom enthalten. Sie lagern sich in der Haut ab und könnten somit ebenfalls am allergischen Geschehen beteiligt sein.
Eine allergische Reaktion auf Shiitake-Pilze zeigt sich durch eindeutige Symptome. Die Betroffenen entwickeln streifenförmige und peitschenhiebähnliche Rötungen am Körper, den Armen, Beinen und im Nacken. Ausgelöst wird die Allergie durch das hitzebeständige Polysaccharid Lentinan.
Trotz der weltweiten Verbreitung der Pilze – sie sind nach dem Champignon die zweithäufigsten Speisepilze – sind besonders in Deutschland nur wenige Fälle allergischer Reaktionen bekannt. Experten vermuten deshalb, dass nicht nur die Verzehrsmenge, sondern auch unbekannte Kofaktoren an der Entstehung beteiligt sind.
Die Erstbeschreibung der Spermaallergie stammt aus dem Jahr 1958. Wie viele Frauen tatsächlich betroffen sind, ist nicht bekannt. Zahlen zur Inzidenz und Prävalenz fehlen. Es liegen lediglich Schätzungen amerikanischer Wissenschaftler vor, die von bis zu 40.000 betroffenen Frauen in den USA ausgehen.
Die Symptome reichen von lokalen bis hin zu ausgeprägten systemischen Reaktionen. Brennen, Juckreiz, Rötungen und Schwellungen können Tage bis Wochen anhalten und mit einem allgemeinen Krankheitsgefühl einhergehen. Systemreaktionen treten im Durchschnitt 30 Minuten nach dem Geschlechtsverkehr auf. Dazu gehören Urtikaria, Atemnot, Übelkeit und Erbrechen, Herzrasen, Blutdruckabfall und Bewusstlosigkeit.
Als auslösendes Allergen wurde eine Substanz aus dem Seminalplasma identifiziert, das sogenannte Kallikrein, ein Bestandteil des Prostataspezifischen Antigens (PSA). Da es bei allen Männern vorkommt, hilft es nicht, den Partner zu wechseln. Darüber hinaus können auch Nahrungsmittel oder Medikamente wie Nüsse oder Penicillin, die im Seminalplasma akkumulieren, zu allergischen Reaktionen führen. Reaktionen gegen Spermatozoen konnten bisher nicht nachgewiesen werden.
Als Therapie erster Wahl gilt die Verwendung von Kondomen. Im Fall eines Kinderwunsches existieren verschiedene Ansätze. Für eine Desensibilisierung wird Seminalplasma in einer Verdünnungsreihe intravaginal appliziert. Anschließend muss in regelmäßigem Abstand von 72 Stunden kondomfreier Geschlechtsverkehr erfolgen. Ein Überschreiten des Zeitfensters führt zu einem Zusammenbruch der Toleranz und erneutem Auftreten von Symptomen. Eine weitere Möglichkeit ist die Insemination mit Seminalplasma-freien Spermatozoen oder die prophylaktische Einnahme eines Antihistaminikums.