Seltene Schönheit |
Barbara Döring |
10.04.2024 08:30 Uhr |
Das Frühlings-Adonisröschen enthält herzwirksame Glykoside wie Adonitoxin. / Foto: Adobe Stock/skymoon13
Aus dem tiefwurzelnden Rhizom der mehrjährigen, krautigen Pflanze treiben im Frühjahr zahlreiche bis 40 cm hohe Sprosse mit fiedrigen, schmalen Blättern. Von April bis Mai erscheinen an den Stängelenden 4 bis 7 cm große Blüten mit 10 bis 20 seidig glänzenden, gelben Kronblättern. Die Blüten öffnen sich nur bei Sonnenschein und wenden sich dann ihrem Licht entgegen. In der Blütenmitte stehen kreisförmig zahlreiche Staubblätter um den Fruchtknoten, die wie ein Auge erscheinen. Die Pflanze ist deshalb auch als Teufelsauge bekannt. In den kugeligen Sammelfrüchten sind etwa 5 mm große, eiförmige Nüsschen enthalten. Sie sind mit einem nährstoffreichen Anhängsel, dem Elaiosom, ausgestattet, das Ameisen anlockt, die für die Verbreitung sorgen. Das Frühlings-Adonisröschen ist eine von rund 30 Adonisarten.
Frühlings-Adonisröschen sind typische Vertreter östlicher Steppengraslandschaften, zum Beispiel in Sibirien. Die Einwanderung nach Mitteleuropa erfolgte nach der letzten Eiszeit. In Deutschland ist das Frühlings-Adonisröschen selten und steht unter Naturschutz. Es kommt in Mittel- und Ostdeutschland, vor allem in der Garchinger Heide in Bayern vor sowie in Thüringen und Brandenburg. Im brandenburgischen Dolgelin und im Naturschutzgebiet »Oderhänge Mallnow« finden alljährlich im Frühling geführte Adonisröschen-Wanderungen statt. Einzelne Hänge sind dort dann mit den gelben Blüten übersäht. Die Pflanze gedeiht auf nährstoffarmen, kalkhaltigen und sandigen Böden, auf Trockenrasen und in lichten Fichtenwäldern. Als Steppenpflanze braucht das Adonisröschen viel Licht. Gegen Beschattung ist es empfindlich.
Blüten, Blätter und Stängel und vor allem die Samen enthalten herzwirksame Steroide, sogenannte Cardenolide (Cardenolidglykoside) wie Adonitoxin oder Cymarin. Schon 2 g Blätter wirken giftig. Die Giftkonzentration ist während der Blütezeit am höchsten. Bei Aufnahme von Pflanzenteilen oder Zubereitungen daraus kann es zu Durchfall, Übelkeit und Störungen des Farbsehens kommen. Bei schweren Vergiftungen drohen Herzrhythmusstörungen und Blutdruckabfall bis hin zum Tod durch Kammerflimmern. Adonisröschen erhalten auch getrocknet ihre Giftigkeit und können dann Tieren wie Pferden gefährlich werden. Die rot blühenden Sommer- und Herbst-Adonisröschen (Adonis aestivalis, Adonis annua), die nach ihrer Blütezeit benannt sind, enthalten ebenfalls Herzglykoside.
Bei Verdacht auf eine Vergiftung sollte man Pflanzenteile sofort aus dem Mund entfernen und eine der Giftnotrufnummern (siehe unten) oder den Notruf 112 wählen. Die Giftinformationszentren bieten rund um die Uhr telefonische Beratung bei Vergiftungen oder im Verdachtsfall. Als Erste Hilfe wird empfohlen, ein Glas stilles Wasser, Tee oder Saft zu trinken, um das Gift im Magen zu verdünnen.
Zubereitungen aus dem Frühlings-Adonissröschen fanden seit der Antike bei Gicht, Wassersucht, Stein- und Nierenleiden Verwendung. Im 16. Jahrhundert behandelte der deutsche Arzt Hieronymus Bock Koliken und Steinleiden mit den Samen der Pflanze. Die positiv inotrope Wirkung auf das Herz wurde im 19. Jahrhundert entdeckt. Zubereitungen aus dem Kraut (Adonidis herba) kamen bei leichter bis mittelgradiger Herzschwäche und bei nervösen Herzbeschwerden zum Einsatz. Aufgrund der geringen therapeutischen Breite und da heute besser wirksame Kardiotherapeutika verfügbar sind, spielt die Anwendung von Adonidis herba keine Rolle mehr. Laut Arzneimittelgesetz verbietet sich die Einstufung als traditionelles Arzneimittel. Auch eine Selbstmedikation ist nicht möglich. In der Homöopathie werden Zubereitungen aus der blühenden Pflanze bei Herzschwäche, nervösen Herzbeschwerden, rheumatischen Beschwerden und Nierenleiden verwendet.
Adonis ist in der griechischen Mythologie ein schöner Jüngling und Liebling von Aphrodite. Er wird auf der Jagd vom eifersüchtigen Ares, der sich in einen Eber verwandelte, getötet. Als sein Blut auf den Boden tropfte, verwandelte es sich in Rosen. Aus jedem Blutstropfen soll eine Pflanze, aus jeder von Aphrodite vergossenen Träne eine Blüte gewachsen sein. Die Sage bezieht sich auf das rotblühende Sommer-Adonisröschen.
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