Sensibel über Gewicht sprechen |
Die Kommunikation mit Adipositas-Patienten sollte mit Feingefühl erfolgen. / © Getty Images/peakSTOCK
Bis zum Jahr 2035 könnten laut Zahlen des aktuellen World Obesity Atlas mehr als 4 Milliarden Menschen unter Adipositas leiden. Das entspricht der Hälfte der Weltbevölkerung. Allein zwischen 1990 und 2022 hat sich die Anzahl adipöser Menschen weltweit mehr als verdoppelt. Internationale Leitlinien sehen vor, dass Heilberufler betroffenen Patientinnen und Patienten bei der Gewichtsreduktion Unterstützung anbieten. Doch bei der Kommunikation ist oft viel Fingerspitzengefühl gefragt.
Gespräche über eine Gewichtsreduktion gilt es respektvoll, empathisch und wertfrei zu führen. Und vor allem sanft zu beginnen. Das hat eine Untersuchung um die Autorin Dr. Charlotte Albury, medizinische Anthropologin der Universität Oxford, ergeben. Sie zeichnete mit ihrem Team knapp 240 Konsultationen zu Adipositas auf. Grundsätzlich sollte allen Beteiligten klar sein, dass die Betroffenen keine Schuld an ihrer komplexen, chronischen, schubweise auftretenden Erkrankung tragen.
Wer als Heilberufler nicht gleich mit der Tür ins Haus fällt, hat laut der Studie mehr Chancen, dass ein Gespräch positiv aufgefasst wird. Den besten Erfolg hat, wer langsam spricht und Sätze vorwegschiebt wie »Das könnte ein etwas unangenehmes Gespräch werden …« oder wer das Abnehmen als erreichbares und nicht als unüberwindbares Ziel darstellt, indem er etwa sagt: »Wussten Sie, dass Sie, wenn Sie ein bisschen abnehmen, …«
Entscheidend ist ebenfalls anzuerkennen, wenn ein Betroffener in dem Moment nicht über eine Gewichtsabnahme sprechen möchte. In den Gesprächsanalysen hatte sich Albury zufolge gezeigt, dass ein gegenteiliger Versuch, also die Patientin oder den Patienten von dem nötigen Gespräch zu überzeugen, erfolglos war oder sogar Wut und Frust auslöste.
Je individueller ein Gespräch gestaltet ist, desto besser. Außerdem hat es sich als vorteilhaft herausgestellt, wenn es Bezüge zu früheren Gesprächen gibt. Diese müssen zunächst nicht offensichtlich in Verbindung mit dem Körpergewicht stehen. Zum Beispiel »Wir haben über Ihren Rücken gesprochen, und eines der Dinge, die Ihrem Rücken wirklich helfen könnten, ist, etwas Gewicht zu verlieren«.
Eine weitere Möglichkeit, Informationen auf den einzelnen Patienten zuzuschneiden, ist, Fragen zu stellen und seine Antworten dann zu personalisieren. Zum Beispiel, ob er eine bestimmte Methode bereits ausprobiert hat und wie seine Einschätzung dazu ist. Am Ende des Austauschs sollte eine Lösung stehen, die der Betroffene selbst für akzeptabel hält. Dieses Frage-und-Antwort-Spiel führe oft zu positiven Reaktionen, betont die Studienautorin.
Darüber hinaus liegt es am Heilberufler, die Perspektive für die Betroffenen zu verändern. Sprich: nicht die (Folge-)Schäden einer Adipositas-Erkrankung in den Fokus zu stellen, sondern stattdessen positiv zu formulieren und Vorteile des Gewichtverlusts hervorzuheben. Stigmatisierende Sprache wie etwa der Begriff »fettleibig« sei völlig fehl am Platz, heißt es. Eine positive Kommunikation lässt sich anhand der Beobachtungen der Konsultationen erreichen, wenn der Heilberufler optimistische Prognosen, ermutigende Worte und einen bejahenden Tonfall verwendet.