Sepsis hat häufig langfristige Folgen |
Gelingt es Erregern sich über Blut oder Lymphe auszubreiten, kommt es zu einer überschießenden Reaktion des Immunsystems, die sich nicht mehr nur gegen die Erreger, sondern auch gegen eigenes Gewebe richtet. / Foto: Adobe Stock/Kateryna_Kon
Drei Viertel aller Sepsis-Überlebenden leiden demnach an neu hinzugekommenen Gedächtnisstörungen und seelischen oder körperlichen Erkrankungen. Bei den Unter-40-Jährigen sind es immer noch mehr als die Hälfte, wie deutsche Forschende im Fachjournal »Jama Network Open« berichten.
Ein Team der Charité Berlin, des Universitätsklinikums Jena (UKJ) und des Wissenschaftlichen Instituts der AOK hatte anonymisierte Daten von mehr als 23 Millionen Versicherten der AOK aus den Jahren 2009 bis 2017 ausgewertet, um Häufigkeit sowie Kosten von gesundheitlichen Folgen einer Sepsis zu bestimmen.
Fast 159.700 der Versicherten über 15 Jahre waren 2013 oder 2014 wegen einer Sepsis im Krankenhaus behandelt worden. Für sie wurden Vorerkrankungen und neue Diagnosen in den drei Jahren nach der Sepsis erfasst, ebenso wie der daraus resultierende Behandlungs- und Pflegebedarf. »Dabei suchten wir nach neuen körperlichen, psychischen und kognitiven Einschränkungen, wie sie bekanntermaßen als Folge einer Sepsis auftreten können – etwa Herz-Kreislauf-Erkrankungen, kognitive oder motorische Störungen, Fatigue oder Depressionen«, erklärte die Projektleiterin Carolin Fleischmann-Struzek vom UKJ.
Als Sepsis wird eine Organfehlfunktion bezeichnet, die durch eine überschießende Immunreaktion auf eine Infektion verursacht wird. Eine Folge der mit der Immunreaktion einhergehenden Zerstörung von Gewebe kann sein, dass Organe wie Niere oder Leber nicht mehr arbeiten. Weltweit ist Sepsis die führende infektionsbedingte Todesursache, wie die Experten erläutern. In Deutschland werden demnach jedes Jahr etwa 320.000 Fälle im Krankenhaus behandelt, die Sterblichkeit in der Klinik liege bei rund 25 Prozent – und damit »alarmierend hoch«.
Allein im ersten Jahr nach der Entlassung kam der Auswertung zufolge bei drei Viertel der Sepsis-Überlebenden eine neue Diagnose hinzu, mehr als 30 Prozent verstarben noch im ersten Jahr. »Psychische, kognitive und körperliche Folgen betreffen die Mehrzahl der Überlebenden und treten sogar häufig gemeinsam auf, was für die Betroffenen eine besondere Belastung ist«, sagte Christiane Hartog von der Charité. Dabei mache es nur einen geringen Unterschied, ob die Sepsis weniger schwer verlief oder sie auf der Intensivstation behandelt werden musste. »Insbesondere mit Blick auf das Infektionsfolgesyndrom nach Covid-19 ist dies von großer Relevanz.«
Mehr als 30 Prozent der Sepsis-Überlebenden seien im Jahr nach der Krankenhausentlassung neu pflegebedürftig geworden, hieß es weiter. Nach einem schweren Verlauf mussten mehr als 13 Prozent in einem Pflegeheim betreut werden.
Das Autorenteam stellte außerdem fest, dass es kaum angepasste Nachsorgemaßnahmen gibt. Nur 5 Prozent der Sepsis-Überlebenden wurden in eine Rehabilitationseinrichtung entlassen. „Die Sepsis hat massive und langjährige Folgen – sowohl für Überlebende und ihre Angehörigen, als auch für das Gesundheitssystem. Deshalb bedarf es spezifischer Nachsorgekonzepte für die Sepsis“, betonte Fleischmann-Struzek.
Einschränkend geben die Forschenden zu bedenken, dass es wegen des geringen Bewusstseins für die Folgen einer Sepsis bei Patienten und Ärzten eine Untererfassung gegeben haben könnte. Auch hätten nur neu aufgetretene Diagnosen einbezogen werden können, nicht aber ein beschleunigter Fortschritt bereits bestehender Diagnosen. Zu berücksichtigen sei bei der Analyse zudem, dass sie keine kausalen Zusammenhänge abbilde, sondern statistisch erfasste. Nicht auszuschließen sei auch, dass es Unterschiede im Vergleich zu Nicht-AOK-Versicherten geben könnte.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.