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Gut beraten, gut geplant

Sexualität und Schwangerschaft mit CED

Auch mit einer chronisch entzündlichen Darmerkrankung (CED) können Frauen eine erfüllte Sexualität erleben und schwanger werden. Einige Punkte gilt es dabei aber zu beachten.
AutorKontaktJudith Schmitz
Datum 21.03.2024  08:30 Uhr

Bei einer CED sind Darmabschnitte chronisch entzündet, die Betroffenen leiden unter schubweise auftretenden Bauchschmerzen und Durchfall. Morbus Crohn kann im gesamten Verdauungstrakt auftreten, mehrere Bereiche des Verdauungstraktes befallen und alle Schichten der Darmwand betreffen. Die Geschwüre der Colitis ulcerosa betreffen dagegen »nur« die innere Schleimhautschicht des Dickdarms. Die Entzündung der Darmschleimhaut breitet sich vom Mastdarm beginnend kontinuierlich unterschiedlich weit im Dickdarm aus. Morbus Crohn und Colitis ulcerosa betreffen zusammen etwa 450.000 Menschen in Deutschland.

Oft erhalten Patienten die Erstdiagnose als Jugendliche oder im jungen Erwachsenenalter – eine Zeit, in der viele ihre ersten sexuellen Erfahrungen machten, wie die Gastroenterologin Dr. Elena Sonnenberg erklärt. Sie arbeitet an der Charité – Universitätsmedizin Berlin und ist spezialisiert auf die Behandlung chronisch entzündlicher Darmerkrankungen. Aus ihrer Praxiserfahrung und aus wissenschaftlichen Untersuchungen weiß sie, dass sich viele Patienten mit CED in ihrer Sexualität eingeschränkt fühlen, sich schämen, sie frei zu leben oder Beschwerden während des Verkehrs haben.

Theresa Weigl (29) aus Bayern und Stefanie Gorzize (37) aus Thüringen sind beide an einer CED erkrankt, Mütter und engagieren sich in der Deutschen Morbus Crohn / Colitis ulcerosa Vereinigung (DCCV). Weigl ist im Arbeitskreis CED & Stoma aktiv, Stefanie Gorzize ist die Landesbeauftragte des DCCV in Thüringen. »Das Wichtigste ist eine vertrauensvolle Beziehung zum Partner und dass man mit ihm über seine Ängste bezüglich des Geschlechtsverkehrs spricht«, sagt Weigl im Gespräch mit PTA-Forum.

Ängste ansprechen

Mit 18 Jahren erhielt sie die Diagnose Colitis ulcerosa. Fünf Jahre hatte es gedauert von den ersten Symptomen bis zur Diagnosestellung. Zuletzt gehörten massive blutige Durchfälle zu ihrem Alltag. Mit ihrem Mann kam sie bereits mit 15 Jahren zusammen. Weigl erzählt: »Er kennt mich nur krank. Für ihn war es nie ein Problem, wenn ich während unserer intimen Stunde ins Badezimmer gehen musste. Es war vielmehr für mich vom Kopf her sehr belastend, weil ich Angst hatte, dass ich Stuhldrang entwickle und ihn nicht halten kann und dass die Intimität schmerzhaft sein könnte.«

Da ihr verschiedenste Medikamente nur kurze Zeit halfen, erhielt Weigl 2016 ein Stoma. Das war anfangs für sie »nicht so leicht zu verkraften«. Auch hier ihr Rat: Mit dem Partner sprechen, wovor beide im Bezug auf Sexualität Angst haben, was stören könnte. Mit einem Chirurgen sollten Frauen vor der Operation die Risiken eines Stomas besprechen und bei Kinderwunsch zudem das Thema Stoma und Schwangerschaft. Wer sein Stoma lieber verstecken möchte, kann dies auch mithilfe spezieller Stoma-Dessous tun.

Gorzize, deren Darmbeschwerden im Grundschulalter begannen, die aber die Diagnose Morbus Crohn erst neun Jahre später erhielt, ergänzt zum Thema Sexualität: »Der Geschlechtsverkehr sollte beiden Spaß machen. Hat eine Frau mit CED dabei Schmerzen, sollte sie Rat bei ihrer Gynäkologin suchen, ihren Unterleib untersuchen lassen und sich nach einer Gleitcreme erkundigen.«

Ärztin Sonnenberg fügt an, dass regelmäßige Beckenbodenübungen bei manchen Frauen die Schmerzen während des Aktes verringern und eingenommene Peristaltik-Hemmer die Darmtätigkeit unterdrücken können. Auch ermutigt sie Paare, verschiedene sexuelle Praktiken und Stellungen auszuprobieren, um möglichst eine schmerzfreie Lösung zu finden. Ist der männliche Partner von CED betroffen und leidet als Folge der Erkrankung an Erektionsstörungen, könnte er von der Einnahme des PDE-5-Hemmers Sildenafil profitieren, so die Ärztin.

Menschen mit CED haben häufiger Depressionen und Angstzustände als die restliche Bevölkerung. Beides kann die Sexualität negativ beeinflussen. Sonnenberg ermuntert daher Betroffene, sich an einen Psychotherapeuten zu wenden und bei sexueller Funktionsstörung eine Paartherapie zu erwägen oder sich mit anderen Betroffenen in einer Selbsthilfegruppe auszutauschen. »Die DCCV ist für CED-Betroffene und ihre Angehörigen gern Ansprechpartner. Wir bieten zu allen Fragen rund um die Erkrankung, also auch zu Sexualität und Schwangerschaft, eine Telefonberatung an, auch mit einem Psychologen. Zudem organisieren wir Arzt-Patienten-Seminare, vermitteln an Selbsthilfegruppen und übernehmen eine Umkreissuche für Ärzte, denn gerade im ländlichen Bereich ist es schwierig, einen Experten zu finden«, ergänzt Gorzize.

Kinderwunsch angehen

Auch beim Thema Familiengründung ist Aufklärung und Beratung wichtig. »Denn im Vergleich entscheiden sich mehr Frauen mit CED gegen eine Schwangerschaft als Frauen ohne diese Erkrankung. Sie haben Angst, dass sich ihre Erkrankung oder die einzunehmenden Medikamente negativ auf das Ungeborene auswirken und dass sie die Krankheit an ihr Kind vererben. Auf der anderen Seite wissen wir, dass eine gute Beratung schon bei Kinderwunsch den Schwangerschaftsverlauf für Mutter und Kind positiv beeinflusst«, sagt Sonnenberg.

Nach aktuellem Wissensstand haben CED einen multifaktoriellen Ursprung. Ist ein Elternteil an CED erkrankt, besteht ein zwei- bis dreizehnfach erhöhtes Risiko, die Veranlagung zu vererben. »Es gibt ein gewisses Risiko, dass man die genetische Information als einen Faktor für die Entstehung von CED vererbt. Das heißt aber nicht, dass das Kind tatsächlich erkrankt«, ordnet Ärztin Sonnenberg ein. Sind Vater und Mutter betroffen, steigt das Risiko auf mehr als 30 Prozent, dass das Kind die Veranlagung erhält. Zum Vergleich: Sind beide Eltern Asthmatiker, hat ihr Kind ein 60- bis 70-prozentiges Risiko, auch Asthma zu entwickeln.

»Als das Thema eigenes Kind bei meinem Partner und mir konkreter wurde, habe ich extreme Angst bekommen, ob ich eine Schwangerschaft körperlich schaffen würde, weil ich innere Verwachsungen habe. Zudem fürchtete ich mich vor einem Darmverschluss und in der Folge vor einer Frühgeburt und natürlich, dass das Kind die Krankheit erbt. Ich habe meinem Gastroenterologen und Chirurgen dazu viele Fragen gestellt. Das hat mir sehr geholfen«, berichtet Weigl, die aufgrund ihres Stomas keine Medikamente mehr wegen der CED nehmen muss.

Gorzize ist ungeplant schwanger geworden. »Meine damalige Frauenärztin empfahl mir daraufhin, alle Medikamente gegen Morbus Crohn abzusetzen. Ich bekam dann während der Schwangerschaft einen großen Schub und hatte 40 Durchfälle am Tag. Ein Gastroenterologe verschrieb wieder Medikamente gegen Morbus Crohn. Leider halfen sie mir nicht«, berichtet Gorzize, deren Kind trotz aller Widrigkeiten gesund zur Welt kam.

Schwangerschaft besser geplant

Drei Punkte sind bei Frauen mit CED und Kinderwunsch laut Sonnenberg wichtig. Eine Schwangerschaft sollte zunächst möglichst geplant sein. Der beste Zeitpunkt, schwanger zu werden, ist, wenn sich die CED in der Remission befindet. Das heißt, die Frau sollte seit sechs Monaten vor der Empfängnis weitgehend symptomfrei sein, was heutzutage in der Regel durch die passende Medikation erreicht werden kann.

Wichtig ist auch: Einige Medikamente zur Behandlung einer CED dürfen in der Schwangerschaft nicht eingenommen werden. Die betroffene Frau sollte sich mit ihren Fachärzten beraten und gegebenenfalls auf ein anderes Medikament wechseln. Der letzte Punkt: Wird eine Frau mit CED binnen sechs Monaten nicht schwanger, sollte sie sich an ein Kinderwunschzentrum wenden.

Medikation überprüfen

Bei Unsicherheiten helfen auch Reprotox und Embryotox weiter, die Beratungsstellen für Medikamente in Schwangerschaft und Stillzeit. »Circa 6 Prozent unserer Anfragen beziehen sich auf die Therapie der CED bei Kinderwunsch, Schwangerschaft und Stillzeit«, sagt Dr. Wolfgang E. Paulus, Leiter von Reprotox in Ulm, gegenüber PTA-Forum.

Sein Rat: Insbesondere bei Methotrexat sei Vorsicht geboten. Man sollte mindestens drei Monate Intervall zwischen letzter Einnahme und dem Beginn einer Schwangerschaft planen sowie für eine ausreichende Folsäuresupplementierung sorgen. Die heute immer häufiger eingesetzten Biologika sind zwar zum Teil in der Schwangerschaft nicht umfangreich erprobt, doch passieren monoklonale Antikörper die Plazenta erst nach dem ersten Trimenon. Bei Eintritt einer Schwangerschaft unter diesen Substanzen sei also nicht mit einem erhöhten Fehlbildungsrisiko zu rechnen.

Glucocorticoide, Azathioprin und Mesalazin in möglichst moderaten Dosen sind Paulus zufolge sowohl mit Schwangerschaft als auch Stillzeit vereinbar. Nimmt die Mutter Biologika während der Schwangerschaft, sollte man mit Lebendimpfungen beim Kind bis zu ein Jahr warten. Ist der Vater von einer CED betroffen, kann er seine Medikamente auch um den Zeitpunkt der Zeugung einnehmen.

»Bei erfolgreicher Befruchtung ist es dann die Aufgabe der behandelnden Ärzte, Mutter und Ungeborenes engmaschig zu untersuchen. Das gilt auch für die Zeit des Wochenbettes, weil die Krankheitsaktivität hier steigen kann«, sagt Sonnenberg. Die Art der Entbindung sollten Schwangere mit CED gemeinsam mit dem Gastroenterologen und Gynäkologen entscheiden. Meist ist eine natürliche Geburt möglich, ein Kaiserschnitt ist jedoch bei perianalem Fistelleiden und nach ileoanaler Pouchanlage, also einem künstlichen Stuhlreservoir im Körper, nötig.

Während sich Patientin Weigl bei Bauchschmerzen ihrer Tochter früher oft geängstigt hat, es könnte eine CED sein, gelingt es ihr heute, immer mehr loszulassen. Sie weiß aus eigener Erfahrung, dass man mit CED gut leben kann. »Es ist wichtig, sich nicht das Positive durch die Krankheit nehmen zu lassen, sondern zu versuchen, das im Leben zu erreichen, was einem wichtig ist, und das kann eben auch ein Kind sein.«

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