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Kranker Dünndarm

SIBO – Bakterien am falschen Ort

Bei einer Fehlbesiedlung des Dünndarms (DDFB) siedeln sich Bakterien aus dem Dickdarm vermehrt im Dünndarm an. Im Englischen heißt die Erkrankung »Small intestinal bacterial overgrowth« (SIBO). Betroffene leiden unter Übelkeit, Blähungen, Durchfall und Mangelerscheinungen. PTA-Forum sprach mit Ernährungs-Doc Matthias Riedl über das Syndrom.
Isabel Weinert
14.02.2025  15:00 Uhr

PTA-Forum: Was kennzeichnet eine Dünndarm-Fehlbesiedlung?

Riedl: Im Normalfall regelt eine Klappe aus Schleimhaut zwischen dem Dünn- und dem Dickdarm, dass Bakterien nicht in nennenswerter Menge vom Dickdarm in den Dünndarm gelangen können. Diese Klappe heißt Ileozäkalklappe. Wenn jedoch die Bewegungen des Darms nicht regelrecht ablaufen, die Darmmotilität also gestört ist, und die Klappe nicht richtig schließt, dann bevölkern Bakterien aus dem Dickdarm Teile des Dünndarms – ein unguter Prozess. Die Bakterien überwuchern dann den Dünndarm.

PTA-Forum: Wie und bei wem prägt sich eine gestörte Darmmotilität aus?

Riedl: Bei Menschen mit Reizdarmsyndrom (RDS) sorgen veränderte viszero-viszerale Reflexe vor allem im Dünndarm für eine veränderte, pathologische Motilität. Die Darmmotilität kann sich auch bei einer autonomen Neuropathie verändern, wie sie ein langjähriger Diabetes zur Folge haben kann, bei der Autoimmunerkrankung Sklerodermie, aber auch als Folge von Verwachsungen oder Divertikeln. Mitunter spielen auch Entzündungen eine Rolle, Funktionsstörungen der Schilddrüse und bestimmte Medikamente wie Antibiotika und Säureblocker.

PTA-Forum: Was sind die Symptome von SIBO?

Riedl: Davon betroffene Menschen klagen über Bauchschmerzen, Blähungen und Völlegefühl einige Stunden nach dem Essen. Mitunter leiden sie auch an Durchfällen und Übelkeit. Hinzu kommt, dass die Dickdarmbakterien dem Nahrungsbrei im Dünndarm für den Menschen essenzielle Nährstoffe und Vitamine entziehen können. Zudem reizen Stoffwechselprodukte der Bakterien die Darmwand und behindern die Aufnahme von Nährstoffen.

PTA-Forum: Bringt das weitere Symptome mit sich?

Riedl: Ja, das zeigt sich mitunter in einem sogenannten Fettstuhl, der glänzt, scharf riecht und die Farbe von Lehm hat. Weil es Betroffenen mittelfristig häufig an Vitamin B12 mangelt, kann die Blutbildung gestört sein. Das äußert sich etwa in Schwindel, Abgeschlagenheit und Müdigkeit.

PTA-Forum: Wie gelingt die Diagnose?

Riedl: Internisten führen einen Wasserstoff-Atemtest mit Glucose oder Lactulose durch. Weil die Bakterien aus diesen Zuckern Gase bilden, lassen sich diese in der Ausatemluft messen – zumindest, wenn die Bakterien den Dünndarm besiedeln. Zudem müssen Ärzte klären, ob die Ursache der SIBO anatomischer oder funktioneller Natur ist. Hier hilft ein MRT. Darüber hinaus gibt eine Blutuntersuchung Auskunft über den Vitaminstatus, etwaige Mangelzustände und über die Arbeit der Schilddrüse. Ein SIBO gegen ein RDS abzugrenzen, ist häufig schwierig, aber ein RDS kann aus einem SIBO entstehen und – aufgrund der möglicherweise veränderten Motilität bei einem RDS – gilt das auch umgekehrt.

PTA-Forum: Welche Therapien helfen bei SIBO?

Riedl: Mit der Ernährung lässt sich SIBO sehr gut behandeln. Allerdings bedarf es dazu Disziplin, denn am Anfang steht eine Auslassdiät, die es in sich hat, weil mit deren Hilfe die Bakterien am falschen Ort ausgehungert werden sollen.

PTA-Forum: Was heißt das praktisch?

Riedl: Der Plan sieht vor, fermentierbare Kohlenhydrate wegzulassen, die sogenannten FODMAPs. Dazu gehören viele Getreide- und Gemüsearten, außerdem Lactose, Fructose und die Zuckeralkohole, also alle Zuckeraustauschstoffe mit der Endung »-it«. Verzichten müssen die Patienten auch auf Ballaststoffe und auf resistente Stärke, also diejenige Stärke, die sich bildet, wenn man gekochte Nudeln oder Kartoffeln oder auch gekochten Reis abkühlen lässt. Und natürlich stehen auch Süßigkeiten, zuckerhaltige Lebensmittel und weißes Brot auf dieser Liste.

PTA-Forum: Das sind bis auf die Zuckeralkohole gesunde Nahrungsbestandteile. Warum gerade diese weglassen?

Riedl: Weil genau sie Futter für Dickdarmbakterien sind. Für einen gesunden Darm ist es an sich wichtig, diese Bakterien gut zu füttern, aber bei SIBO gilt das für einige Wochen eben nicht. Man muss den Bakterien die Nahrung so weit wie möglich entziehen.

PTA-Forum: Wie lange dauert die Auslassphase und was kommt danach?

Riedl: Die Auslassphase dauert vier bis sechs Wochen. In diesem Zeitraum soll der Fokus der Ernährung auf Eiweißen und Fetten liegen und in kleinen Mengen dürfen die Patienten auch ganz leicht zu verdauende Kohlenhydrate zu sich nehmen. Beispiel hierfür sind Traubenzucker und Reissirup. Diese beiden können den Dickdarmbakterien nicht als Futterquelle dienen, weil sie bereits ganz oben im Dünndarm in die Blutbahn gelangen.   Darauf folgt über mehrere Wochen die sogenannte Aufbauphase, in der die Patienten in zunächst sehr geringen Mengen Ballaststoffe und resistente Stärke essen dürfen. Mit der Zeit dürfen peu à peu auch alle anderen Nahrungsmittel wieder genossen werden.

PTA-Forum: Was müssen die Patienten bei dieser Rückkehr zur Normalkost beachten?

Riedl: In beiden Phasen ist es von großer Bedeutung, sowohl ein Ernährungs- als auch ein Symptomtagebuch zu führen, um nachvollziehen zu können, was geholfen und was die Symptomatik unter Umständen wieder hervorgerufen hat.

PTA-Forum: Dürfen Betroffene das von Ihnen genannte Vorgehen auf eigene Faust durchführen?

Riedl: Nein, solch eine Diät gehört in die Hand von Fachleuten. Das kann ein Internist sein oder eine Ernährungsfachkraft, die mit der Arztpraxis zusammenarbeitet.

PTA-Forum: Existieren auch Medikamente zur Behandlung von SIBO?

Riedl: Ja, häufig kommt das Antibiotikum Rifaximin zum Einsatz. Das kann die Bakterien im Dünndarm tatsächlich ausrotten. Allerdings gehen auch die guten Bakterien der Darmflora damit unter. Allerdings ist das Risiko hoch, dass SIBO nach kurzer Zeit wieder zurückkehrt. Grundkrankheiten wie solche der Schilddrüse müssen natürlich behandelt werden. Mitunter kommt auch eine Operation infrage. Gravierende Nährstoffmängel gilt es, vorübergehend mit entsprechenden Präparaten auszugleichen.

PTA-Forum: Vielen Dank für das Gespräch.

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