Sich mit Stimmtraining zum Klingen bringen |
Isabel Weinert |
09.04.2024 12:00 Uhr |
Der Stimme Klang verleihen – das zu üben, kann viel verändern. / Foto: Adobe Stock/Syda Productions
PTA-Forum: Warum ist die Stimme weit mehr als ein Instrument zur Kommunikation?
Breckheimer: Die Stimme gilt nicht nur als Spiegel der Seele, sondern Menschen können mit ihr andere Menschen überzeugen, mitreißen, beruhigen, zur Weißglut bringen – und das nur durch den Klang. Im Stimmtraining wollen Menschen lernen, wie sie andere begeistern oder überzeugen können, aber auch einfach, was sie tun können, um gehört zu werden.
PTA-Forum: Kommt man schon mit einem bestimmten Ausdruck der Stimme auf die Welt?
Breckheimer: Von Anfang an sind natürlich die anatomischen Grundlagen festgelegt. Es entwickelt sich darüber hinaus aber auch vieles. So übernehmen wir zum Beispiel viel von unseren Eltern. Spricht die Mutter etwa sehr hoch, dann übernimmt die Tochter das häufig durch Nachahmung. Die Stimme lässt sich dennoch im Laufe des Lebens verändern, ausweiten, optimieren. Das merken besonders diejenigen, die Schauspiel oder Gesang studieren oder moderieren möchten und sich deshalb aktiv mit der eigenen Stimme beschäftigen. Denn hier geht es genau darum, die Stimme nicht in jeder Situation Spiegel der Seele sein zu lassen, sondern darum, dass die Stimme auf den Punkt so klingt, wie man selbst das möchte, gerade dann, wenn es einem vielleicht mal nicht so gut geht. Das ist auch so, wenn man in der Apotheke arbeitet und sich darum bemüht, der eigenen Stimme privaten Stress nicht anmerken zu lassen.
PTA-Forum: Welche Menschen sind außerhalb von Schauspiel und Gesang an einem Stimmtraining interessiert?
Breckheimer: Ich arbeite auf zwei Ebenen: zum einen ganz professionell mit Führungskräften, Vertrieblern, Verkäufern, Juristen, wo es wirklich wichtig ist, dass die Stimme auf den Punkt ist, dass sie sich nicht beeinflussen lässt von irgendeinem Konflikt, den man vorher zuhause hatte. Da kommen Menschen und sagen, ich möchte wirkungsvoll sein, auch wenn es mir mal nicht so gut geht. Was kann ich tun, damit ich trotzdem überzeugend wirke? Zum anderen kommen Menschen, die sagen, ich werde zuhause nicht mehr gehört. Meine Stimme bricht mir immer weg. Ich weiß gar nicht mehr, wer ich bin.
Die Stimme hat unglaublich viel mit der eigenen Identität zu tun. Deshalb ist ein Stimmtraining immer auch automatisch eines der Persönlichkeit. Man kann auch sagen, »ich bin, wie ich klinge«. Sich damit auseinanderzusetzen, ist sehr anstrengend, und es fällt Menschen immer wieder schwer, sich darauf einzulassen. Klar ist aber, wer ein Stimmtraining beginnt, der muss sich selbst zuhören, sonst hat er keine Chance. Denn es geht nicht darum, einfach nur lauter zu sprechen, um andere zu übertönen, sondern darum, wirkungsvoll und resonanzreich zu klingen.
PTA-Forum: Welchen Stimmwunsch äußern Menschen häufig?
Breckheimer: Viele möchten, dass ihre Stimme tiefer klingt. Männer sind da natürlich naturgemäß im Vorteil, weil sie längere und dickere Stimmlippen haben, der Kehlkopf größer ist als derjenige von Frauen und damit mehr Schwingungsmasse existiert. Es ist wichtig zu verstehen, dass es nicht per se um die Tiefe der Stimme geht, sondern um mehr Volumen und Resonanz. Dabei spielt unter anderem die Atmung eine entscheidende Rolle. Wenn ich einatme, dann öffne ich bildlich gesprochen meine Klangschale, das Ausatmen bringt die Stimmlippen in Schwingung und diese Schwingungen treffen auf »Resonatoren«, also auf den Mund-, Nasen- und Rachenraum. Ein Klang entsteht. Je weiter ich mich öffne, desto weiter kann die Schwingung meinen Körper erreichen und dann schwinge ich als Person.
Die meisten Menschen atmen allerdings zu flach. Das bringen die Herausforderungen des Alltags mit sich. Man muss immer erreichbar sein, muss gut aussehen, hat die Kinder, wie soll man da entspannt sein? Je mehr Druck, desto flacher der Atem, desto weniger Raum gibt man sich selbst und desto weniger Raum bekommt auch die Stimme. Das wirkt sich auf den Klang aus und die Stimme zieht sich zurück.
PTA-Forum: Wie fangen Sie an, wenn ein Mensch zu Ihnen kommt?
Breckheimer: Ich höre mir zuerst seine Geschichte an und erfrage Wünsche und Ziele. Dann sprechen wir über die Erfahrungen mit der eigenen Stimme. Während wir reden, schaue ich mir die ganze Person an, von den Füßen bis zum Kopf, denn der Körper reagiert sofort muskulär auf jede Gefühlsregung. Das kann minimal sein, aber das wirkt sich ganz deutlich auf die Atmung und somit auf die Stimme aus. Auch wenn ich mich körperlich klein mache, verhindert das tiefe Atembewegungen. Deshalb ist es so wichtig, zu üben, wie eine souveräne Haltung funktioniert (siehe Kasten).
Dann schaue ich mir die Atmung an, die Zwischenrippenmuskulatur, den ganzen Brustkorb, wie er sich weitet, die Bauchatmung. Als nächstes gehen wir ans Tönen, das ist ein Summen, mit dem man den Klang weit durch den Körper schicken kann. In diesen Momenten reagieren viele Menschen sehr emotional, weil Summen dazu führt, dass Oxytocin ausgeschüttet wird. Mit geschlossenen Lippen summen oder auch Kaubewegungen machen, eignet sich auch, um die Stimmung aufzuhellen.
Wenn der Klang dann im Körper sitzt, beginne ich mit dem artikulatorischen Training, das heißt, wir schauen uns die Sprechwerkzeuge an, Zunge und Lippen. Denn man kann auch mal ganz leise Töne anschlagen, aber man musst gut artikulieren. Je leiser ein Mensch spricht, desto wichtiger ist es, klar zu sprechen. Besonders Frauen befürchten oft, wenn sie artikuliert sprechen, käme das arrogant beim Gegenüber an. Klarheit hat aber nichts mit Arroganz zu tun. Bei vielen Führungskräften, und überhaupt Menschen mit viel Kontakt zu anderen, geht es genau darum, um Klarheit und Deutlichkeit. Je deutlicher ein Mensch spricht, desto moderater wird auch die Sprechgeschwindigkeit. Und eine moderate Sprechgeschwindigkeit ist statushebend. Darum geht es im beruflichen Bereich ganz oft – wie kann meine Stimme meinen Status erhöhen?
Eine wesentliche Rolle spielt auch die Präsenz. Dieser Begriff bedeutet das Zusammenspiel von Haltung, Atmung, Stimme, aber auch von Mimik und Gestik. Ich kann nicht motiviert sprechen, wenn die Arme herabhängen. Ganz viele wissen auch nicht, wohin mit ihren Händen. Aber Hände sind auch Werkzeuge. Sie gehören mit zu unserem Klanginstrument.
Ich habe eine Bühne, darauf muss der Mensch eine kleine Präsentation halten. Bei den meisten wird hier direkt die Atmung flacher, rutscht die Stimme aus dem Körper, sie spüren ihre Füße nicht mehr und ohne diesen Stand in der eigenen Haltung ist es auch schwer, den eigenen Standpunkt zu vertreten. Das trainieren wir. Dann arbeite ich an Tönen und mit Texten. Bestenfalls üben die Menschen immer schön zuhause. Denn es ist die Muskulatur, die beim Stimmtraining trainiert wird. Und trainiert man sie nicht mehr, baut sie sich ab.
PTA-Forum: Welche gravierenden Unterschiede gibt es denn, ob Sie einen Mann vor sich haben oder eine Frau?
Breckheimer: Männer spielen gerne auch mal einen vor, die machen einen auf »Ach eigentlich kann ich das alles schon, ich muss es nur ein bisschen optimieren«. Frauen kommen eher rein und zählen auf, was sie nicht können, auch wenn sie ganz viel können. Männern kommt das nicht so schnell über die Lippen. Obwohl sich das Männerbild in dieser Hinsicht langsam verändert. Das hängt auch ein wenig vom Alter ab.
PTA-Forum: Welche Veränderungen bemerken Menschen als Folge des Stimmtrainings?
Breckheimer: Wenn sich etwas mit der Haltung, der Atmung, der Stimme verändert, dann geben Menschen ein anderes Bild nach außen ab und andere reagieren dann anders auf diesen Menschen. Es gibt Menschen, die erleben da einen richtigen Wow-Effekt, weil die anderen plötzlich zuhören. Ich hatte aber auch schon eine Mutter, da sagte das Kind, du klingst gar nicht mehr wie meine Mama. Wenn man sich verändert, und meistens positiv, dann muss auch das Umfeld damit klarkommen, wenn man mehr Raum einnimmt.
PTA-Forum: Welche Botschaft ist Ihnen besonders wichtig?
Breckheimer: Ich möchte betonen, dass die Stimme für jeden Menschen so wunderbar einzigartig ist und ich möchte die Leute ermutigen, ihre Stimme anzunehmen, wie sie im Moment ist und auch mal ein paar Übungen mit der Stimme auszuprobieren. Denn dieses Werkzeug zu haben und in seiner Vielfalt zu verwenden, das ist ein echtes Geschenk.
Es bringt sehr viel, wenn sich ein Mensch kurz vor seinem Start in den Tag in Bezug auf seine Haltung selbst reflektiert. Das beginnt mit den Füßen. Wie stehe ich? Wie fühle ich mich? Wohin geht mein Atem? Habe ich genug Raum? Kann ich heute meinen Standpunkt vertreten oder nicht? Gerade Frauen neigen dazu, die Knie fest durchzudrücken. Das bedeutet, dass sie nicht mehr flexibel reagieren können, verbal, mental und körperlich. Da das Zwerchfell am unteren Rücken, an der Lendenwirbelsäule, befestigt ist und das Becken durch feste Knie starr wird, können sie ganz schwer eine tiefe Atembewegung ausführen. Auf diese Weise haben sie sich alleine durch ihre Körperhaltung schon abgeschnitten vom eigenen Standpunkt.
Wichtig ist auch der Kiefer. Ist er verspannt? Dann hilft es, ihn mit den Händen auszustreichen und auch dabei immer wieder bewusst zu atmen. Wer sich diese Punkte morgens zur Gewohnheit macht, geht gleich ganz anders auf die Straße. Und das ist genauso in angespannten beruflichen oder privaten Situationen. Mit einer guten Atemtechnik und Haltung gebe ich meiner Stimme Raum und kann aktiv der Enge der Muskulatur etwas entgegensetzen. Das ist Selbstbewusstsein im besten Wortsinn.