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Besser werden im HV

Sich Vorurteile bewusst machen

Es passiert unbewusst: Sehen wir jemanden, der nicht unserer Gruppe entspricht, urteilen wir leicht stereotyp. Das nennt man Vorurteil. Gerade in der Apotheke, wo PTA täglich den verschiedensten Menschen begegnen, lohnt es, sich eigene Vorurteile bewusst zu machen. Denn möglichst ohne diesen Ballast im HV zu handeln, weitet den Horizont und schafft zufriedenere Kunden. Der Sozialpsychologe Professor Dr. Hans Peter Erb, Helmut-Schmidt-Universität, Hamburg, erläutert die Hintergründe.
Isabel Weinert
12.08.2022  12:00 Uhr

PTA-Forum: Was ist das eigentlich genau, ein Vorurteil?

Erb: Bei Vorurteilen handelt es sich um Einstellungen gegenüber einzelnen Menschen oder auch Gruppen von Menschen, die alleine darauf beruhen, dass dieser Mensch einer bestimmten Gruppe zugehört. Was individuell diesen Menschen ausmacht, spielt keine Rolle.

Vorurteile haben drei Komponenten. Die erste ist die kognitive Komponente, also das vermeintliche Wissen über eine bestimmte Gruppe und über die Menschen, die dieser Gruppe angehören. Wir sprechen auch von stereotypen Vorstellungen: Man glaubt, über eine bestimmte Gruppe zu wissen, wie deren Mitglieder sind. Dann gibt es die affektive Komponente. Das ist das Gefühl, das ein Mensch hat, wenn ein negatives Vorurteil besteht. Dann kann er jemanden nicht leiden und hat ein negatives Gefühl oder umgekehrt, automatisch ein positives, wenn es sich um ein positives Vorurteil handelt. Die dritte Komponente ist diejenige des eigenen Verhaltens, das aus dem Vorurteil resultiert. Dieses Verhalten nennen wir auch Diskriminierung, also Ungleichbehandlung auf der Grundlage der Gruppenzugehörigkeit.

PTA-Forum: Wie hängen Vorurteile und Misstrauen zusammen?

Erb: Misstrauen herrscht dann, wenn negative Vorurteile bestehen. Wir reden ja nicht immer nur von negativen Vorurteilen, es gibt auch positive. Wir nehmen zum Beispiel an, dass das Mitglied einer bestimmten Gruppe besonders schlau ist. Misstrauen kommt zustande, wenn wir negative Vorurteile haben, wenn das Vorurteil das Stereotyp beinhaltet, dass der andere zum Beispiel unehrlich ist, dass man also Mitgliedern dieser Gruppe per se nicht trauen kann.

PTA-Forum: Welchen Nutzen können Vorurteile haben?

Erb: Vorurteile sind auf gewisse Weise deswegen nützlich, weil wir relativ schnell Urteile bilden können und lange auch darauf angewiesen waren, schnelle Urteile über andere Menschen zu fällen. Wenn da jetzt ein Neandertaler kam, dann musste man relativ schnell entscheiden: Ist das Freund oder Feind? Das ist der große Vorteil, auch heute noch. Ich muss mir gar nicht anschauen: Was hat dieser Mensch geleistet, was bringt er mit an Begabungen, an Ausbildung etc.? Mir reicht es ja zu sagen, der kommt aus dem Osten oder das ist eine Frau oder der ist schon alt – und dann habe ich es vergleichsweise leicht, muss nicht lange nachdenken und kann die Sache schnell abhaken.

PTA-Forum: Haben weltoffene und weitgereiste Menschen im Schnitt weniger Vorurteile?

Erb: Ja, das kann man sagen, wobei nicht ganz klar ist, wie die Kausalrichtung ist. Merken die Leute, die weit reisen, nach und nach, sie sind vielleicht etwas zu voreilig in der Einschätzung anderer Menschen, je mehr Menschen sie erleben und kennenlernen? Oder ist es umgekehrt so, dass die Leute, die weniger Vorurteile haben, auch eher bereit sind zu reisen, in anderen Ländern zu arbeiten oder zu studieren? Aber Offenheit für neue Erfahrungen wirkt auf jeden Fall Vorurteilen entgegen.

Auch der Kontakt mit anderen Menschen unter bestimmten Bedingungen führt dazu, dass Vorurteile abgebaut werden. Besonders gute Bedingungen gibt es, wenn wechselseitige Abhängigkeiten bestehen, wenn man sich also auf den anderen verlassen muss und umgekehrt, wie das zum Beispiel bei Teamarbeiten der Fall ist. Dann merken wir, das funktioniert. Positiv wirkt sich auch eine direkte, also Face-to-Face-Kommunikation aus und wenn die Agierenden einen ähnlichen sozialen Status haben. Außerdem hilft es, wenn die herrschende Norm den Abbau von Vorurteilen befördert, durch ein Antidiskriminierungsgesetz etwa, und wenn Vorgesetzte den Gleichheitsgedanken vorleben. Bestehen keine Kontakte, dann bleiben Vorurteile stabil.

PTA-Forum: Was sind die häufigsten Vorurteile in Deutschland?

Erb: Leute sind nicht bereit, ihre Vorurteile in Umfragen zuzugeben, sodass man indirekt auf Stereotype schauen muss. Die finden sich zum Beispiel in Witzen wieder. Sehr häufige Vorurteile beziehen sich danach auf das Geschlecht, dann auf Altersgruppen und auf Ost und West. Außerdem werten Menschen gerne diejenigen ab, die ihnen sehr ähnlich sind. Das sieht man in diesen klassischen Städtekonkurrenzen wie etwa derjenigen zwischen Köln und Düsseldorf.

PTA-Forum: Wie beeinflussen Vorurteile das Verhalten?

Erb: Wenn man einer Person auf bestimmte Art und Weise gegenübertritt, dann nimmt die Person das unbewusst auf und verhält sich auch entsprechend. Das ist ausführlich im Schulkontext untersucht, wo man nach Vorurteilen gegenüber Kindern von Lehrerinnen und Lehrern geschaut hat. Die Lehrenden präsentieren unbewusst ihre Erwartungen gegenüber diesen Kindern, und die Kinder tendieren dazu, diese Erwartungen zu erfüllen, gleich ob positiv oder negativ. Ganz schlimme Angelegenheit, auch da ist es schwer, etwas zu tun.

Es gibt noch einen weiteren Aspekt: Wenn das Vorurteil in den Köpfen der Menschen existiert, dann ist es gar nicht mehr wichtig, ob in dem Vorurteil tatsächlich ein Fünkchen Wahrheit steckt oder nicht. Denn dieses Vorurteil schafft ja eine soziale Realität. Wenn ich glaube, eine Frau oder ein alter Mensch ist ungeeignet für diesen oder jenen Job, dann bekommen diese Menschen die Stelle nicht, auch wenn sie sie sehr gut ausgefüllt hätten. Auf der Grundlage dessen, was die Leute denken und fühlen, entwickelt sich eine soziale Realität. Es reicht also, wenn wir es im Kopf haben, um Schaden damit anzurichten.

PTA-Forum: Wie profitiert man zum Beispiel im PTA-Beruf, wenn man eigene Vorurteile auf den Prüfstand stellt?

In diesem Fall wäre es von großem Vorteil für die PTA und für Kunden, bestünden möglichst wenige Vorurteile. Denn wenn das Gegenüber merkt, es wird auf der Grundlage seiner Gruppenzugehörigkeit irgendwie diskriminiert, dann tut das furchtbar weh. Denn man kann das ja selbst gar nicht beeinflussen. Aber auch der Diskriminierende schädigt sich selbst, weil er sich die Chance darauf nimmt, richtig auf den Kunden einzugehen, und so auch womöglich Kunden dauerhaft verprellt.

PTA-Forum: Was kann man gegen eigene Vorurteile tun?

Erb: Es lohnt sich, wenn man zunächst mal weiß, was ein Vorurteil ist, sonst steckt man in den eigenen Vorurteilen fest und erkennt gar nicht, dass sie überhaupt existieren. Dann muss ich mir darüber klar werden, dass die Stereotype, die hinter diesen Vorurteilen stecken, automatisch aufgerufen werden. Ich muss mich dafür also nicht schämen, sondern mir in diesem Augenblick nur bewusst machen, dass es sich lohnt, ein bisschen genauer hinzuschauen, gerade dann, wenn das rote Lämpchen angeht und sagt, dein Stereotyp führt dich vielleicht in die falsche Richtung. Das heißt aber nicht, dass ich ein positives Urteil über diese Person fällen muss, sondern es heißt, dass ich genauer hinschauen sollte.

Dann muss man noch aufpassen, dass man nicht überkorrigiert. Auch dazu tendieren Menschen, dass sie dann, wenn sie glauben, sie werden durch ihr Vorurteil in eine Richtung gedrängt, reagieren, indem sie das überkorrigieren. Dann gebe ich etwa ein milderes Urteil ab als gegenüber anderen Menschen. Das wiederfährt oft Menschen mit Behinderung, auch solchen mit psychiatrischen Erkrankungen, dass sie ganz besonders freundlich behandelt werden. Das mögen sie gar nicht unbedingt, denn sie wollen ja gerade keine Extrawurst sein, sondern selbstverständlich integriert werden.

PTA-Forum: Danke Ihnen für das Gespräch.

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