Sicher beraten bei Magen-Darm-Infekten |
Magen-Darm-Infekte legen den ganzen Menschen lahm. Die Therapie erfolgt symptomatisch und unter Einhaltung strenger Hygiene. / © Shutterstock/showcake
Der Gastrointestinaltrakt (GI-Trakt) ist die größte Grenzfläche zwischen Körper und Außenwelt. Auf 200 bis 400 Quadratmetern stehen seine Schleimhäute im Kontakt zu allen von außen zugeführten Stoffen: der Nahrung, aber auch potenziell pathogenen Erregern, Toxinen und Parasiten. Der niedrige pH-Wert im Magen und die Verdauungssäfte schützen den oberen GI-Trakt vergleichsweise gut. Im Dünn- und Dickdarm herrscht jedoch ein Milieu, das sowohl das Überleben der physiologischen Darmflora, als auch das pathogener Erreger ermöglicht.
Auslöser sind hierzulande meist die übl(ich)en Verdächtigen: Helicobacter pylori, Noro- und Rotaviren oder Bakterien der Gattung Salmonella oder Campylobacter sowie Madenwürmer. Im GI-Trakt lösen sie mit Durchfall und Erbrechen größtenteils sehr ähnliche Symptome aus. Experten sprechen von einer akuten Gastroenteritis und beschreiben sie als eine plötzliche Änderung der Stuhlfrequenz und Stuhlkonsistenz über das individuell übliche Maß hinaus (mehr als dreimal täglich). Erbrechen und Fieber können das Geschehen begleiten. Der Patient hat davon seine eigene Beschreibung und klagt: »Ich habe Magen-Darm!«.
Jedes Jahr treten in Deutschland 65 Millionen Fälle einer akuten Gastroenteritis unter Erwachsenen auf. Besonders häufig erkranken aber auch Kinder unter fünf Jahren. Schnell einsetzende akute Beschwerden kommen zwar nach wenigen Tagen häufig spontan zum Stillstand, doch der Leidensdruck der Betroffenen ist groß und eine symptomatische Behandlung meist sinnvoll. Nicht bei jedem Patient mit den Symptomen Durchfall und/oder Erbrechen ist jedoch eine Selbstmedikation möglich. PTA muss genau nachfragen:
Säuglinge und Kinder unter zwei Jahren sollten nicht in Eigenregie behandelt werden. Das gilt auch für Patienten, die einen schlechten körperlichen Gesamteindruck machen oder lethargisch wirken. Der Arzt ist ebenfalls die richtige Anlaufstelle für Schwangere, Stillende oder Menschen älter als 65 Jahre. Auch bei chronisch Kranken, zum Beispiel mit Diabetes, einer Schilddrüsenunterfunktion oder Immunschwäche, ist die Grenze für die Selbstmedikation überschritten.
Auch die Dauer und die Beschaffenheit des Durchfalls können Ausschlusskriterien sein. Hält der Durchfall bei Erwachsenen unverändert stark für länger als drei bis vier Tage an oder ist der Stuhl schleimig oder blutig, ist ein Arztbesuch erforderlich. K.-o.-Kriterien für die Selbstmedikation sind auch starke Bauchschmerzen und -krämpfe, Fieber über 39° Celsius sowie starkes und wiederholtes Erbrechen. Hellhörig werden sollte PTA auch, wenn der Patient von einem ständigen Wechsel zwischen Durchfall und Verstopfung berichtet.
Vermutet PTA einen Zusammenhang mit einem Auslandsaufenthalt in einem Risikogebiet, sollte sie ebenfalls an den Arzt verweisen. Die Inkubationszeiten von Erregern aus tropischen und subtropischen Gebieten sind sehr unterschiedlich, weshalb die Symptome auch verzögert einsetzen können.
Die längere Einnahme von Antibiotika kann die Darmflora so verändern und schädigen, dass der Keim Clostridium difficile Oberhand gewinnt. Die Bakterien scheiden Toxine aus, die unter Umständen schwere wässrige Durchfälle verursachen, die unangenehm faulig riechen. Am häufigsten treten Erkrankungen bei Krankenhauspatienten auf. Der Abstand zwischen der Antibiotika-Therapie und dem Auftreten von Krankheitszeichen beträgt meist nur wenige Tage, manchmal aber auch mehrere Wochen.
Erbrechen und Durchfall fordern den Körper enorm. Ohne Bettruhe geht es meist nicht. / © Adobe Stock/New Africa
Ergibt das Patientengespräch, dass eine Selbstmedikation möglich ist, steht an erster Stelle die Substitution von Flüssigkeit und Elektrolyten. Denn der Körper verliert durch Durchfall und/oder Erbrechen wichtige Mineralstoffe und bis zu mehrere Liter Wasser täglich; normalerweise scheiden Gesunde mit dem Stuhl lediglich 100 Milliliter Flüssigkeit aus.
Die Zufuhr von Flüssigkeit und Elektrolyten ist deshalb die wichtigste Maßnahme, besonders für Säuglinge, Kinder, Menschen mit Vorerkrankungen und/oder im hohen Alter. Auch die Autoren der S2k-Leitlinie »Gastrointestinale Infektionen« aus dem Juni 2023 verweisen auf die Flüssigkeits- und Elektrolytzufuhr als wichtigste therapeutische Maßnahme und empfehlen standardisierte orale Rehydratationslösungen (ORL). Sie enthalten nach den WHO-Kriterien Natrium, Kalium sowie Glucose.
Ungeeignet zur oralen Rehydration, so die Leitlinie, sind reine Fruchtsäfte, Leitungswasser oder Limonaden. Sie enthalten entweder zu viel Zucker, was die Diarrhösymptomatik durch osmotische Wirkung der Zucker verstärken kann, oder zu wenig Elektrolyte beziehungsweise im falschen Verhältnis. Das portionierte Pulver der ORL wird in einer definierten Menge Leitungswasser aufgelöst. Für folgende Personengruppen sollte PTA diese Dosierungen empfehlen:
Für diese Tipps sind die Patienten ebenfalls dankbar: Die Lösung schmeckt besser, wenn das Getränk gekühlt ist. Bei sehr jungen Patienten und alten Menschen ist es praktikabler, häufig kleine Portionen zum Beispiel mit einem Löffel einzuflößen.
Patienten mit Durchfall sind häufig verunsichert, ob sie essen dürfen und wenn ja, welche Lebensmittel. PTA kann die Patienten beruhigen: Sie dürfen alles essen worauf sie Appetit haben. Eine strikte Nahrungskarenz ist nicht notwendig. Kleine ballaststoff- und fettarme Mahlzeiten sind meist besser verträglich.
Eine »Kann«-Empfehlung sprechen die Autoren der GI-Infektionen-Leitlinie für den Arzneistoff Loperamid (Imodium®) aus. Er eignet sich für Erwachsene ohne Fieber und Blut im Stuhl. Das Opioid-Derivat vermindert die Darmperistaltik und hemmt die Flüssigkeitssekretion. Die Anwendung von Loperamid in der Selbstmedikation ist auf zwei Tage begrenzt. Die Anfangsdosis beträgt vier Milligramm Loperamid, das entspricht zwei Einzeldosen, und nach jeder weiteren Stuhlentleerung eine Dosis, jedoch nicht mehr als sechs pro Tag. Bei Kindern unter zwölf Jahren soll Loperamid nicht zum Einsatz kommen.
Der Wirkstoff Racecadotril (Vaprino®) besserte in Vergleichsstudien die Diarrhö ebenso wirksam wie Loperamid. Racecadotril wird als pro-drug über den Darm aufgenommen und im Blut zum aktiven Metaboliten Thiorphan hydrolysiert. Thiorphan hemmt das Enzym Enkephalinase im Dünndarmepithel und verhindert, dass die Darmwand zu viel Flüssigkeit und Elektrolyte in das Darminnere abgibt. Die Darmbewegungen werden dabei nicht beeinflusst.
Probiotika bringen bei akuter Gastroenteritis keinen eindeutigen Nutzen, weder bei Kindern noch bei Erwachsenen, so die Leitlinienautoren. Aus den vorhandenen Studienergebnissen ließe sich keine Empfehlung für den routinemäßigen Einsatz von Probiotika bei einer akuten infektiösen Gastoenteritis ableiten. Auch Antidiarrhoika wie Apfelpulver, Heilerde oder Kohle sollen laut Leitlinie unter Verweis auf fehlende kontrollierte Studien nicht eingesetzt werden.
Übelkeit und Erbrechen sind weitere Leitsymptome einer GI-Infektion. Das Brechzentrum im Gehirn steuert den komplexen Brechakt; der Magen-Darm-Trakt spielt dabei eine wichtige Rolle als peripherer Reizgeber. Sinn und Zweck des Erbrechens: Der Körper möchte krankmachende Bakterien, Viren oder Gifte schnellstmöglich loswerden. Während vereinzeltes Erbrechen praktisch ohne Auswirkungen bleibt, kann anhaltendes Erbrechen, vor allem wenn es zeitgleich mit einer Diarrhö auftritt, den Wasser- und Elektrolytstoffwechsel massiv stören. Ein Ausgleich mit ORL steht in der Therapie auch hier an erster Stelle.
Ein klassisches pflanzliches Mittel bei Übelkeit: Ingwer. / © Adobe Stock/LianeM
Eine »Kann«-Empfehlung sprechen die Autoren der Leitlinie für Antiemetika aus. Wenn überhaupt notwendig, sollten Erwachsene entsprechende Präparate nur kurzfristig einsetzen. PTA können in der Selbstmedikation eine Auswahl unter den H1-Antihistaminika treffen. Die Wirkstoffe Diphenhydramin (Emesan®) oder Dimenhydrinat (Vomex®, Vomacur®, Superpep®) überwinden die Blut-Hirn-Schranke und agieren an den beteiligten H1-Rezeptoren im Zentralen Nervensystem (ZNS). Die zentrale Wirkung erklärt die Nebenwirkung dieser Substanzklasse: eine Dämpfung, die müde und benommen macht. PTA muss bei der Abgabe darauf hinweisen.
Im Jahr 2017 verschärfte das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) die entsprechenden Vorgaben für den Einsatz von Diphenhydramin und Dimenhydrinat bei Kindern wegen schwerwiegender Vorkommnisse mit zum Teil tödlichem Ausgang. Krampfanfälle und Herzrhythmusstörungen aufgrund von Fehldosierungen waren die Ursache.
In der überarbeiteten Leitlinie geben die Autoren außerdem zu bedenken, dass der sedierende Effekt die orale Flüssigkeitsaufnahme bei kleinen Kindern sehr erschweren kann. Ingwer-Präparate (Zintona®) stuft die Leitlinie hingegen als wirksam und sicher ein. Ingwer wird traditionell als Mittel gegen Übelkeit und Erbrechen verwendet.
Gemäß Leitlinie sollte eine Erregerdiagnostik nur erfolgen, wenn sich aus dem Ergebnis medizinische, organisatorische oder melderechtliche Konsequenzen ergeben. So gelten zum Beispiel bei Noroviren die Regelungen des Infektionsschutzgesetzes im Hinblick auf den Besuch öffentlicher Einrichtungen wie Schulen oder dem beruflichen Umgang mit Lebensmitteln.
Noro- und Rotaviren sind vor allem in den Wintermonaten die häufigsten Auslöser von Magen-Darm-Infektionen. Bakterielle Erreger wie enterohämorrhagische Escherichia coli (EHEC), Bakterien der Gattung Salmonella oder Campylobacter sind deutlich seltener vertreten und haben eher im Sommer Saison, weil sie sich in und auf Lebensmitteln tummeln und besser vermehren, wenn Kühlketten nicht eingehalten oder Lebensmittel falsch zubereitet werden.
In Europa ist Schätzungen zufolge etwa jede dritte Person mit Helicobacter pylori infiziert. / © Adobe Stock/Silver Place
Völlegefühl, Schmerzen im Oberbauch oder Übelkeit können Anzeichen für eine Infektion mit dem Bakterium Helicobacter pylori sein. Der saure Magensaft macht dem Bakterium nichts aus: Es produziert enzymatisch Ammoniak und neutralisiert damit die Magensäure. Doch Ammoniak und Enzyme schädigen das Magenepithel, eine chronische Gastritis ist oft die Folge, ein Risikofaktor für die Entstehung von Magentumoren.
Die Autoren der Leitlinie »Helicobacter pylori und gastroduodenale Ulkuskrankheit« empfehlen jedem Erwachsenen mit positivem Helicobacter-Nachweis eine Therapie. Der Nachweis gelingt mit verschiedenen Testverfahren. Falsch negative Ergebnisse sind jedoch möglich, wenn kein Abstand von zwei Wochen zu einer Therapie mit Protonenpumpenhemmern (PPI) oder von vier Wochen zu einer Antibiotika-Therapie eingehalten wird. Im Fall einer Infektion leitet der Arzt eine antibiotische Eradikationstherapie ein. Sie sieht eine Kombination aus den Wirkstoffen Tetracyclin, Metronidozol und einem Bismut-Kalium-Salz (Pylera®) vor. Es wird mit einem PPI kombiniert.
Stehen Rota- oder Noroviren als Auslöser im Verdacht, müssen im Haushalt strikte Hygienemaßnahmen gelten. Erkrankte Menschen, ihr Stuhl oder Erbrochenes sind sehr ansteckend, sogar winzigste virushaltige Tröpfchen, die während des Erbrechens entstehen. Selbst wenn die Diarrhö nicht mehr akut ist, werden die Viren noch über mehrere Tage mit dem Stuhl ausgeschieden. PTA sollte an die nützlichen Corona-Hygiene-Regeln erinnern (Händewaschen, Lüften, Abstand) und folgende Tipps geben:
Hygieneregeln beherzigen ist eine entscheidende Maßnahme, um Ansteckung möglichst zu verhindern. / © Adobe Stock/Racle Fotodesign
Darüber hinaus sollten die Betroffenen ein geeignetes Hand- und Flächendesinfektionsmittel zur Reinigung von Türklinken, Toilettensitz oder Handläufen im Haus haben. Das Mittel muss auf den Erreger zugeschnitten sein und zudem lange genug einwirken. Ein geeignetes Mittel muss zumindest als begrenzt viruzid PLUS (Sterilium®, Bacillol® AF) deklariert sein. Das heißt, es deaktiviert alle behüllten Viren sowie zusätzlich die unbehüllten Adeno-, Rota- und Noroviren. Leistungsstarke, viruzide Desinfektionsmittel (Sterilium® Virugard®) kann PTA bei einem hartnäckigen Infektionsgeschehen empfehlen.
Auch alle Wurmarten rufen unspezifische Magen-Darm-Beschwerden hervor, ein massiver Befall sogar Bauchschmerzen und Gewichtsverlust. Wenn in Deutschland ein Befall auftritt, handelt es sich meist um Madenwürmer, gelegentlich um Spulwürmer und in sehr seltenen Fällen um Bandwürmer wie den Schweine-, Rinder-, Fuchs- oder Hundebandwurm. Madenwürmer, auch Oxyuren genannt, sind weit verbreitet, Infektionen häufig. Besonders Kinder sind betroffen, da sie Dinge noch gerne mit dem Mund befühlen. Madenwurmeier können aber auch eingeatmet werden: Sie sind in trockenem Außenmilieu bis zu drei Wochen infektiös und wirbeln zum Beispiel mit dem Zimmerstaub auf. Einmal in den Körper gelangt, schlüpfen die Larven im oberen Darm aus den Eiern und reifen innerhalb weniger Wochen heran. Vornehmlich nachts verlassen die Wurmweibchen den Darm und legen außerhalb des Afters ihre Eier ab. Dies löst einen starken Juckreiz aus.
Spulwürmer können Gewichtsverlust verursachen. / © Adobe Stock/sinhyu
Kratzt das Kind im Analbereich, ist dies ein deutliches Warnzeichen. Auf diesem Wege gelangen Tausende Wurmeier unter die Fingernägel. Oft sind die Würmer auch mit bloßem Auge im Stuhl zu erkennen. Alle Familienmitglieder oder Spielgefährten sollten behandelt werden. Mittel der Wahl sind die verschreibungspflichtigen Arzneistoffe Pyrantel (Helmex®) oder Mebendazol (Vermox®). Der Wirkstoff Pyrantel lähmt die Parasiten, die bewegungsunfähigen Würmer werden daraufhin ausgeschieden. Gegen die Eier der Parasiten ist Pyrantel nicht wirksam. Daher muss der Wirkstoff wiederholt im Abstand von zwei bis drei Wochen angewendet werden. Auch apothekenpflichtige Arzneistoffe wie Pyrvinium (Molevac®) sind bei einem Madenwurmbefall geeignet. Der Arzneistoff kann den den Stuhl hellrot färben. Ein entsprechender Hinweis durch PTA beugt Irritationen beim Patienten vor.
Die medikamentöse Therapie ist nur effektiv, wenn auch hygienische Maßnahmen streng eingehalten werden. Nur so lässt sich die anal-orale Reinfektion vermeiden. Das heißt:
Spul- und Bandwurmerkrankungen sind in Deutschland eher selten. Eine Infektion erfolgt meist durch den Verzehr von rohem oder unzureichend gebratenem Fleisch. Bandwürmer können aber auch durch das Streicheln von infizierten Tieren übertragen werden. Handhygiene ist auch hier das A & O.