So beeinflussen Sie aktiv Ihre Lebenserwartung |
Forscher verraten, welche Veränderungen am meisten für eine verlängerte Lebensspanne sorgen. Eine davon zum Beispiel: weniger essen. Allerdings sollte man es mit Diäten auch nicht übertreiben. / © Getty Images/Henrik Sorensen
Hannah Scheiblich vom Max-Planck-Institut für Biologie des Alterns in Köln unterscheidet zwei Formen der Alterung: Zum einen ist da das chronologische Alter, also die Anzahl der Jahre, die seit unserer Geburt vergangen sind. Zum anderen gibt es das biologische Alter, sprich Gesundheit und Vitalität. »Wenn wir uns entsprechend verhalten, kann unser biologisches Alter unter unserem chronologischen Alter liegen oder andersherum«, sagt Scheiblich, die am Institut eine Forschungsgruppe leitet. Es stimmt also: Durch das eigene Handeln können wir an der Uhr drehen und unser Leben verlängern.
Allerdings bestimmen nicht nur unsere Verhaltensweisen über die Länge unseres Lebens. Auch die Gene spielen eine Rolle. »Bislang gehen wir davon aus, dass zehn bis 15 Prozent unserer Langlebigkeit durch die Gene bestimmt wird. Es gibt aber noch nicht viele Langlebigkeitsstudien«, so Scheiblich. Professor Karl Lenhard Rudolph, Forschungsgruppenleiter am Leibniz-Institut für Alternsforschung in Jena, geht hingegen von einem genetischen Einfluss von bis zu 30 Prozent aus. »Der Rest ist im Prinzip Lifestyle«, sagt er.
Doch wie sieht der Lifestyle aus, der uns ein längeres Leben verschaffen kann? Eine US-amerikanische Studie aus dem Jahr 2024 nennt acht Lebensstilfaktoren, die die Lebenserwartung um bis zu 20 Jahre erhöhen sollen:
»Dazu gehört vor allem gesundes Essen und optimalerweise eine mediterrane Diät«, sagt Hannah Scheiblich. Also eine Ernährung, die auf viel Obst und Gemüse, Hülsenfrüchte, Vollkornprodukte, Olivenöl und regelmäßigen Fischkonsum setzt. Außerdem wichtig: Stress reduzieren, genug schlafen, ausreichend bewegen – Punkte, die viele nicht überraschen dürften.
Aber auch wohltuender Kontakt mit anderen Menschen kann den Studienergebnissen zufolge auf die Langlebigkeit einzahlen. »Wichtig ist, dass man möglichst sein Leben lang auf positive soziale Beziehungen achtet«, erklärt Scheiblich. »Gerade in den älteren Phasen des Lebens verliert man viele soziale Kontakte. Beziehungen zu pflegen, ist in dieser Lebensphase besonders wichtig.« Zu einer Verringerung der Lebenserwartung führt hingegen Rauchen, der Konsum von Alkohol und die Einnahme opiumhaltiger Schmerzmittel.
Vor allem an den Faktoren Schlaf und Bewegung lässt sich meist relativ einfach etwas ändern. So empfiehlt Expertin Scheiblich etwa sieben bis acht Stunden Schlaf pro Nacht, abhängig vom Alter der Person. Was die Bewegung angeht, habe jede zusätzliche Aktivität einen positiven Effekt. »Um wirklich gesund zu leben, sollte man einen gewissen Teil an hochintensiven Übungen machen, aber das ist individuell unterschiedlich. Man muss kein Hochleistungssportler werden«, sagt Hannah Scheiblich.
Karl Lenhard Rudolph forscht insbesondere zum Thema Ernährung. Ihm zufolge zeigt die Forschung der letzten 90 Jahre, dass eine Maßnahme, die das Leben verlängern kann, eine »milde Reduktion der Nahrungsaufnahme ist«.
Ob beim Wurm, der Fliege oder dem Menschenaffen – die Forschungsergebnisse seien eindeutig: »Wenn die Tiere 20 bis 30 Prozent weniger essen, als sie zu sich nehmen würden, wenn sie unbegrenzten Zugang zu Futter hätten – wie der heutige Mensch in reichen Ländern –, verlängert sich ihr Leben und auch ihre Gesundheitsspanne«, sagt Rudolph.
»Wenn die Forschungsergebnisse zur Diätrestriktion auf den Menschen übertragbar sind, wäre dies ein Weg, gesünder und länger zu leben.« Studien an Mäusen hätten eine Lebenszeitverlängerung um bis zu 30 Prozent gezeigt.
Doch wie lässt sich erklären, dass sich eine Verringerung der Nahrungsmenge auf die Lebenserwartung auswirkt? Das versetzt, wie Rudolph erklärt, die Körperzellen in einen milden Stress, was dazu führt, dass sie effektiver arbeiten. Wer auf diese Strategie setzen will, sollte das aber ausgewogen tun. »Dann lieber eine kontinuierliche leichte Reduktion der Nahrungsaufnahme als beispielsweise an einem Tag essen und am nächsten Tag gar nicht«, sagt Rudolph.
Doch die Maßnahmen haben auch ihre Grenzen: Wer früh damit beginnt, seinen Lebensstil anzupassen, darf zwar auf starke Effekte hoffen. Auch in höherem Alter lässt sich das Leben noch verlängern, allerdings nicht mehr ganz so wirkungsvoll. Eine Garantie für Langlebigkeit gibt es in keinem Fall. »Es ist wichtig, den Longevity-Hype durch einen Hype zu ersetzen, bei dem es darum geht, gesund und fit zu bleiben und nicht nur die Lebenserwartung immer weiter in die Länge zu ziehen.«