So geht jugendfreundliche Apotheke |
Juliane Brüggen |
04.10.2023 08:30 Uhr |
Wie kann die Apotheke junge Menschen ansprechen? Darum ging es bei einer Diskussion auf der Expopharm 2023. / Foto: Avoxa/Expopharm
Inkontinenz, Demenz und Gelenkprobleme – oft stehen Senioren im Fokus der Apotheke. Dieser Eindruck kann zumindest entstehen, wenn man einige Schaufensterdekorationen und Aushänge betrachtet. Für Jugendliche also nicht wirklich einladend, wie Lara Laurenz bestätigt. Sie ist Studentin und Mitgründerin von OurGenerationZ (OGZ) – einer Online-Community von und für Jugendliche, die verschiedene Themen, unter anderem im Gesundheitsbereich, entstigmatisieren möchte. Sie selbst habe die Apotheke früher nicht als Anlaufstelle bei gesundheitlichen Fragen gesehen, sondern eher gedacht: »Ich gehe nur in die Apotheke, um ein spezifisches Medikament zu kaufen, das ich schon im Kopf habe.«
Ähnliche Erfahrungen hat Lisa Rombach, PTA in der Elisana Apotheke, gemacht. Sie habe vor Beginn ihrer Ausbildung immer eine Hemmschwelle verspürt, einer unbekannten Person in der Apotheke ihr Anliegen zu schildern. Erst, nachdem sie sich näher mit der Offizin befasst habe, sei ihr klargeworden, dass das Personal ein umfassendes Fachwissen hat und einer Schweigepflicht unterliegt.
»Das müssen wir ändern«, kommentierte Gerrit Nattler, Inhaber von Elisana Apotheken in Dorsten und Gelsenkirchen, deren Ziel es ist, Apotheken als Anlaufstellen für junge Menschen zu etablieren. Hier setzt das Projekt »jugendfreundliche Apotheke« an, an dem Laurenz mit der OGZ mitwirkt. »Wir haben uns dazu entschieden, mit der Apotheke einen Offline-Safe-Space aufzubauen«, so Laurenz. »Es ist wichtig, so etwas mit den Jugendlichen zu entwickeln«, ergänzte Nattler.
»Ich war erstaunt, was die Jugend für eine Meinung von uns hat«, so Jeannette Bernstein, Apothekerin, die mit ihrer Apotheke bei dem Projekt mitmacht. Viele Jugendliche informierten sich nur im Internet über Gesundheitsthemen und gäben daraufhin viel Geld aus, zum Beispiel für Nahrungsergänzungsmittel. »Wir verlieren dadurch nicht nur Kunden, sondern auch Nachwuchs«, gab Bernstein zu bedenken.
Sie empfahl, selbst aktiv zu werden, aufzuklären und Netzwerke aufzubauen, beispielsweise über die Jugendzentren. »Nicht warten bis die Jugend zu uns kommt«, verdeutlichte Bernstein. Die Vorteile der Offline-Beratung lägen auf der Hand: Anonym, ohne Termin und im Safe Space. Dass Apotheken einen separaten Beratungsraum haben, wüssten viele Jugendliche nicht. Auch die Social-Media-Kanäle sollten Apotheken nutzen, um die Jugendlichen zu erreichen, so Nattler.
In den Elisana Apotheken setzt sich PTA Lisa Rombach für die jugendfreundliche Apotheke ein. Sie beschäftigt sich im Rahmen ihrer Bachelor-Arbeit damit, wie die Apotheke ein Safe Space für Jugendliche werden kann und wie die Gesellschaft davon profitiert. Die »OGZ-Corner«, ein speziell für junge Menschen eingerichteter Bereich, soll auf das Angebot der Apotheke aufmerksam machen. Neben der Möglichkeit zur Vor-Ort-Beratung werden hier Flyer und QR-Codes bereitgestellt, mit denen Interessierte zu weiteren Informationen gelangen, zum Beispiel Videos.
Auf dem Instagram-Kanal @ourgenerationz gibt es laut Laurenz wöchentlich ein Instagram-Live mit Expertinnen und Experten – auch aus der Apotheke –, bei dem Jugendliche anonym Fragen stellen können. Bisherige Themen waren Haut, Pille danach, Cannabis und Psychotherapie. Dadurch, dass Online- und Vor-Ort-Angebote verknüpft sind, könnten die Jugendlichen einfach den für sie passenden Zugang wählen, so Nattler.
»Man muss als Apotheke up to date sein«, betonte Rombach. Das Apothekenteam sollte wissen, welche Produkte und Themen gerade auf Social Media viral gehen. Nur so könne man vorbereitet und gut informiert darauf eingehen. Laut Bernstein ist auch die Art der Kommunikation wichtig: »Wir müssen auf Augenhöhe kommunizieren.«
Die Vor-Ort-Apotheke bei den Jugendlichen zu stärken, sei nicht zuletzt wichtig, um einen Gegenpol zu den vielen Gesundheits-Influencern zu schaffen, so Bernstein. »Da sehe ich das große Problem, dass Jugendliche den Influencern blind vertrauen«, meinte Rombach. Influencer würden schnell zum Vorbild und Produkte nachgekauft, ohne den Sinn zu hinterfragen oder Nebenwirkungen zu bedenken. »Man hat schnell das Gefühl, man kennt die Person, und kauft nach«, so auch Laurenz. »Influencern geht es meistens nicht um Gesundheit, sondern darum, die Leistung zu optimieren«. Teils würden ungesunde Dinge als Standard gesetzt, wie eine überhöhte Proteinzufuhr.
»In der Apotheke können wir auf die Person eingehen und die individuelle Situation und Vorerkrankungen einbeziehen«, so Rombach. Ob Influencer authentisch seien und Produkte wirklich selbst testeten, könne man nicht sicher wissen. »Wichtig ist, dass man auch von Produkten abrät in der Apotheke«, schloss Nattler.