So geht leitliniengerechte Allergietherapie |
Heuschnupfen rechtzeitig mit geeigneten Präparaten behandeln, so wie es die Leitlinie empfiehlt: Darauf legen Allergologen wert. / Foto: Getty Images/georgeclerk
Passend zur Jahreszeit hat sich Stiftung Warentest in seinem aktuellen Magazin (test 03/2023, Seiten 88 - 91) dem Thema Heuschnupfen und seiner Therapie gewidmet. Dabei werden für »reizende Zeiten« »die besten und günstigsten Medikamente« vorgestellt. Der Ärzteverband Deutscher Allergologen ist damit gar nicht zufrieden. »Dem Artikel muss aus wissenschaftlicher und medizinischer Sicht widersprochen werden, da dieser Aussagen enthält, die nicht den gültigen Leitlinien und dem aktuellen Stand der Forschung entsprechen und teilweise irreführend sind«, heißt es in ihrer gestrigen Stellungnahme.
Da die Pressemeldung gleichzeitig ein prima Crashkurs in Sachen Beratungswissen Allergie ist, geht PTA-Forum in aller Ausführlichkeit darauf ein. So prangern etwa die Allergologen folgende Passage in der Zusammenfassung des Warentest-Artikels an: »Mehrere rezeptfreie Augentropfen und Nasensprays lindern die Beschwerden. Reicht das nicht, können Antihistaminika zum Einnehmen helfen. Leidet vor allem die Nase stark, ist Cortisonspray eine Option.« Hier kommt Widerspruch von den Allergologen: Gemäß der gültigen ARIA-Leitlinie von 2019 seien orale Antihistaminika die Therapie der ersten Wahl. »In dem Beitrag werden jedoch als erste Option Nasensprays und Augentropfen empfohlen. Die Anwendung von Cortisonspray ist, abhängig vom Schweregrad, nach Leitlinie nicht eine Option, sondern wird als erste Wahl unbedingt empfohlen für alle Patienten mit mäßig bis schwerer Heuschnupfensymptomatik. Weiterhin sind solche Sprays eine Alternative zu Antihistaminika als erste Wahl bei milden Beschwerden.«
Was ist von der Aussage »Tabletten mit Cetirizin sind am günstigsten (rund drei Euro)« zu halten? »Aus medizinischer Sicht ist anzumerken, dass hier suggeriert wird, Cetirizin sei die beste geeignete Therapie. Jedoch wird in dem Zusammenhang nicht darauf hingewiesen, dass dieser Wirkstoff bei 10 Prozent der Nutzer die Blut-Hirn-Schranke passiert und dann zu Müdigkeit und auch Verkehrsuntauglichkeit führen kann. Bereits im Jahr 2000 gab es hierzu Vergleichsuntersuchungen zu Loratadin«, heißt es in der Stellungnahme.
Leitliniengemäß sind Antihistaminika erste Wahl bei mild ausgeprägten Heuschnupfenbeschwerden und werden gleichrangig mit Steroid-haltigen Nasensprays oder Leukotrienantagonisten empfohlen. Bei mittelschwer bis schweren Heuschnupfenbeschwerden kommen in erster Linie nasale Steroide oder eine Kombination aus nasalem Steroid mit Antihistaminikum zum Einsatz. Die Leitlinienautoren weisen darauf hin, den Schweregrad der Beschwerden zu kontrollieren und entsprechend die Dosierung anzupassen. Die Sicherheit der Langzeitanwendung von Cortison-haltigen Nasensprays sehen die Allergologen durch zahlreiche Studien gut erforscht. Doch »dies wird in dem Beitrag wissenschaftlich nicht korrekt dargestellt«, merken die Allergologen in ihrer Pressemeldung an. Auch Cromoglicinsäure-haltige Präparate seien nicht vorrangig zu empfehlen, da keine modernen Studien vorliegen und sie eine schlechtere Wirksamkeit als Antihistaminika besitzen.
Die Allergologen kritisieren zudem, dass in dem Beitrag die Hyposensibilisierung nur empfohlen wird, wenn bei betroffenen Patienten »andere Medikamente und Maßnahmen das Übel nicht ausreichend lindern«. Sie schreiben: »Auch diese Aussage steht in direkten Widerspruch zu den Leitlinien, in denen die Hyposensibilisierung als die einzig mögliche kausale Behandlung empfohlen wird, um dem Immunsystem wieder Toleranz gegenüber dem Allergen beizubringen. Die Hyposensibilisierung steht neben der Allergen-Vermeidung als grundsätzlich empfohlene Behandlung im Fokus und Mittelpunkt bei der Behandlung von Allergien.«
Aus Sicht der Allergologen geht der Artikel der Stiftung Warentest nicht ausreichend darauf ein, dass die Behandlung der allergischen Rhinitis nach den gültigen Empfehlungen im Grundsatz zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen erfolgen sollte, sofern die Beschwerden ausgeprägt sind. Die ARIA-Leitlinie führt aus, wie der Schweregrad zu bestimmen ist. Dieser ist »mäßig bis schwer«, wenn eine der folgenden Fragen bejaht wird:
Als anhaltend oder persistierend gilt eine allergische Rhinokonjunktivitis, wenn mehr als drei Tage pro Woche Symptome auftreten und die Episode mindestens vier Wochen andauert. »Nach gültiger Rechtsprechung dürfen Menschen mit persistierendem Heuschnupfen die Medikamente zu Lasten der Krankenkasse bekommen. Ebenso wird die Hyposensibilisierung von den Krankenkassen erstattet«, betonen die Allergologen.