So geht »vernünftiger« Sonnenschutz |
Zum sicheren Schutz vor der Sonne gehört viel mehr, als nur einen Lichtschutz aufzutragen. / Foto: Getty Images/Howard Kingsnorth
»Wir haben eine Zunahme der Gefährdung für die Haut, bedingt durch die vom Klimawandel verursachten Veränderungen, allen voran die Belastung durch UV-Strahlung«, sagte Professor Dr. Mark Berneburg, Direktor der Dermatologie am Universitätsklinikum Regensburg, bei der Jahrestagung der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft. In der Tat nehmen die Jahre mit mehr registrierten Sonnenstunden in Deutschland zu. »Vergangenes Jahr war ein Rekordjahr: Da haben wir nach acht Monaten schon die UV-Dosis abbekommen, die es sonst nach einem Jahr gibt.« Der Deutsche Wetterdienst registrierte 2022 bereits Ende August 1544 Sonnenstunden – so viele Stunden, die sonst durchschnittlich das ganze Jahr über zu verzeichnen sind.
Die damit einhergehenden Risiken wie Hautkrebs werden laut Berneburg von der Bevölkerung noch immer unterschätzt. Die seit Jahrzehnten steigenden Erkrankungszahlen sowohl des malignen Melanoms als auch des nicht melanozytären Hautkrebs – also Basalzell- und Plattenepithelkarzinome - sprächen eine deutliche Sprache. Mit mehr als 220.000 Neuerkrankungen pro Jahr ist Hautkrebs die häufigste Krebserkrankung in Deutschland. »Ich plädiere deshalb für einen vernünftigen Lichtschutz«, sagte der Vorsitzende der Deutschen Gesellschaft für Photobiologie.
Dazu gehöre allen voran, ausreichend Sonnenschutzcreme aufzutragen. Beim Lichtschutz hilft mehr tatsächlich mehr: Um für einen Strand- oder Schwimmbadtag gut geschützt zu sein, braucht ein Erwachsener für den gesamten Körper zwischen 30 bis 40 ml Sonnencreme, das entspricht etwa drei Esslöffeln. Nur so erzielt man die geforderte Schichtdicke von 2 mg/cm2 und damit den ausgelobten Lichtschutzfaktor. Geht man von einer handelsüblichen Verpackungsgröße von 200 Millilitern aus, müsste das Präparat bei gründlichem Eincremen nach vier bis fünf Tagen leer sein.
Für einen angemessenen Sonnenschutz sei es auch wichtig zu wissen, welche Belastungen am jeweiligen Tag regional zu erwarten sind. Berneburg verwies beispielsweise auf Informationen vom Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) zu UV-Index und prognostizierten Tagesverläufen. »Mithilfe des regional angegebenen UV-Index wird ersichtlich, wie viel Sonnenschutz am individuellen Ort zu betreiben ist.« Faustregel: Je höher der UV-Index ist, desto schneller entsteht auf ungeschützter Haut ein Sonnenbrand und umso mehr muss man sich schützen. In Deutschland werden im Sommer Werte von 8 bis 9, in den Hochlagen der süddeutschen Gebirgsregionen sogar bis 11 erreicht. Die Skala reicht von 1 bis 11, ist aber grundsätzlich nach oben hin offen.
Zurückhaltung beim Aufenthalt in der Sonne fordert auch Dr. German Hubatsch, Dermatologe aus Neu-Isenburg: »Auch die beste Sonnencreme bietet kein Rundum-sorglos-Paket. Generell sollten wir dazu übergehen, nicht ständig Sonnencreme aufzutragen, und versuchen, die Sonne zwischen 9 und 15 Uhr oder bei einem UV-Index > 7 zu meiden. Wir sollten nicht glauben, nur weil wir 2 mg/cm2 Sonnencreme auf Gesicht und Körper auftragen, dass wir tun und lassen können, was wir wollen.« Der beste Lichtschutz ist laut der Experten immer noch der textile. »Nehmen wir uns die Menschen in Korea, Taiwan oder Vietnam zum Vorbild. Sie schützen sich mit Sonnenschirmen, tragen Masken und gehen nur in die Sonne, wenn es sein muss.« Für Berneburg ist schon viel erreicht, wenn die Arme bedeckt sind.
UV-Filtersubstanzen – zumindest einige von ihnen – sind in den vergangenen Jahren in Verruf geraten. Hormonelle Wirkungen, Reproduktionstoxizität und Belastung der sensiblen Ökosysteme der Weltmeere werden ihnen zur Last gelegt. Da ist es erfreulich, dass die jüngste Untersuchung des Verbraucherschutz-Magazins »Ökotest« in 21 als »sensitiv« ausgelobten Sonnenschutzpräparaten (Lichtschutzfaktor LSF zwischen 30 und 50+) keine bedenklichen Filter ausmachen konnte. Die Präparate, die es in Drogerien, Supermärkten oder Apotheken zu kaufen gibt, sollten frei von reizenden Substanzen sein, um empfindlicher Haut Genüge zu tun. »Im aktuellen Test gibt es keine Sonnencreme mehr, die von Ökotest kritisierte, bedenkliche UV-Filter enthält«, heißt es. Vor zwei Jahren sei das Ergebnis noch anders ausgefallen, so das Verbraucherschutz-Magazin.
Erfasst wurden chemische UV-Filter, allergisierende, deklarationspflichtige Duftstoffe, Diethylphthalat, Moschusverbindungen, Cashmeran, Butylhydroxytoluol (BHT), synthetische Polymere, halogenorganische Verbindungen, Formaldehyd/-abspalter, Silber und Nanopartikel (bei Titandioxid und/oder Zinkoxid als mineralische Filter). In die Bewertung flossen auch die Verwendung von recyceltem Plastik für die Verpackung ein sowie »das Kleingedruckte« wie die Vollständigkeit von Warn- und Anwendungshinweisen zur Prävention und Hautkrebs.
Die sechs als Naturkosmetik zertifizierten Präparate schnitten alle »sehr gut« oder »gut« ab. Unter den konventionellen Produkten erreichte eines ein »sehr gut«, acht ein »gut« (darunter ein Produkt von La Roche-Posay sowie eines von Eucerin) und vier ein »befriedigend« (darunter ein Ladival-Produkt). Die Avène Mineralische Sonnenmilch 50+ erhielt dagegen nur ein »mangelhaft«, unter anderem aufgrund der Verarbeitung von PEG/PEG-Derivaten, Kunststoffverbindungen und Siloxanen in der Rezeptur. Es soll aber ohnehin im September vom Markt gehen.
Was die hormonaktiven Wirkungen betrifft, stehen vor allem Ethylhexylmethoxycinnamat, 4-Methylbenzylidencampher und die Benzophenone-1, -2 und -3 im Fokus. Auch Zellversuche mit Octocrylen, Etocrylen, Octyl-Dimethyl-Para-Amino-Benzoic-Acid (OD-PABA) und Homosalat deuten die Wirkung eines sogenannten endogenen Disruptors an.
Überdies entsteht bei zu langer Lagerung von Octocrylen-haltigen Sonnenschutzpräparaten das krebserregende Benzophenon als Abbauprodukt. Als Konsequenz daraus empfiehlt die aktuelle S3-Leitlinie zur Hautkrebsprävention, Sonnenschutzmittel nur für die Hautstellen zu benutzen, die nicht anders geschützt werden können. Zum Schutz vor Sonnenbrand und zur Risikoreduzierung von Hautkrebs sind immer frische Sonnenschutzpräparate zu verwenden.
Beim Baden im Meer hinterlässt man eine Menge an Sonnenschutzmitteln – und das schadet Meeresbewohnern. / Foto: Getty Images/Anton Petrus
Und auch unter dem Aspekt der Umweltverträglichkeit sind einige Filter negativ aufgefallen. Oxybenzon und Co. schädigen das Erbgut von Fischen, Algen, Muscheln, Seeigeln, Korallen und sonstigen Meeresbewohnern, das zeigen mittlerweile immer mehr Studien. Einige Länder haben der Sache nun einen Riegel vorgeschoben und Sonnenschutzmittel mit Oxybenzon und Octinoxat seit 2021 verboten. Ein Verbot gilt etwa auf Hawaii, in Key West in Florida, auf den US-amerikanischen Jungferninseln, der pazifischen Insel Palau, in thailändischen marinen Nationalparks, auf der zu den Niederlanden gehörenden karibischen Insel Bonaire und in einigen Urlaubsgebieten Mexikos.