So gelingt die Pilz-Suche |
Im Herbst ist das Angebot an schmackhaften Pilzen im Wald besonders groß. Doch Vorsicht: Bevor sie in der Pfanne landen, sollte man absolut sicher sein, welche Pilze man gesammelt hat. / Foto: Getty Images/Aleksander Rubtsov
Etwa 40 essbare Speisepilzarten wachsen in Deutschland auf Wiesen und in Wäldern. Doch wer einen Speisepilz sammelt und ihn essen möchte, muss sich sicher sein, dass es sich tatsächlich um einen essbaren Pilz handelt. Denn vergiften möchte sich mit einem Pilz wohl niemand. Das oberste Gebot beim Pilzesammeln lautet daher: Nur zweifelsfrei erkannte Speisepilze dürfen gegessen werden. Wer Pilze zum Essen sammelt, muss zwingend die Speise- und Giftpilze gründlich kennen oder sich die Essbarkeit von einem geprüften Pilzsachverständigen vor dem Verzehr bestätigen lassen.
Gerade für Anfänger ist es nicht ganz leicht, Speisepilze zu identifizieren. Für sie kann es hilfreich sein, sich zunächst wenige Pilzarten zum Kennenlernen auszusuchen und dabei Ausschau nach verschiedenen Entwicklungsstadien einer Art zu halten, also von jung bis alt. Zur zweifelsfreien Bestimmung ist es wichtig, dass alle Pilzmerkmale vorhanden sind, etwa Stiele und Hüte beim beliebten essbaren Stockschwämmchen. Fehlen Teile, lässt es sich nicht vom tödlich giftigen Gift-Häubling unterscheiden und darf nicht verzehrt werden. Zuhause können die Anfänger mit einem Bestimmungsbuch den Fund identifizieren und sich das Ergebnis von einem geprüften Sachverständigen bestätigen lassen.
Auf keinen Fall sollten sich Pilzsammler, insbesondere Anfänger, auf Pilz-Apps zur Speisepilzbestimmung blindlings verlassen, warnt die Deutsche Gesellschaft für Mykologie (DGfM). Der Grund: Die Erkennungsprogramme berücksichtigen nicht die für eine korrekte Bestimmung wichtigen Merkmale wie Geruch und Konsistenz. Mit Pilz-Apps können geübtere Sammler jedoch ihr Wissen auffrischen und ihre Artenkenntnis erweitern, da die Apps meist mehr Fotos enthalten als Bestimmungsbücher und etwa die Fruchtkörper in verschiedenen Altersstadien und aus mehreren Blickwinkeln zeigen. Mit der Teilnahme an Lehrwanderungen, Pilzkursen, Bestimmungsabenden oder Pilzausstellungen regionaler Pilzvereine lässt sich das Wissen zusätzlich vertiefen.
Ein idealer Erntezeitpunkt herrscht nach einem ordentlichen Regenguss bei mäßig warmem Wetter mit hoher Luftfeuchtigkeit. Der Pilz eignet sich zur Ernte, wenn seine Merkmale deutlich ausgeprägt sind und das Verwechslungsrisiko damit sinkt. Weder ist der Pilz von einer Gesamthülle umschlossen noch ein Winzling. Zudem gibt der Hut nicht nach, sondern fühlt sich fest an, wenn man mit dem Finger auf ihn drückt. Zu alt ist der Pilz, wenn der Fingerdruck eine Delle hinterlässt und das Pilzfleisch sich weich und wattig anfühlt. Alte Pilze sind oft schon verdorben und können Lebensmittelvergiftungen (unechte Pilzvergiftungen) verursachen. Dieser Fingerdrucktest lässt sich bei den meisen Pilzarten anwenden. Achtung: Oft stehen Speisepilze mit giftigen Pilzen dicht beieinander. Die Pilze daher einzeln ausgiebig begutachten. In Straßennähe und an kontaminierten Standorten sollten keine Pilze gesammelt werden, da sie Schwermetalle oder andere Schadstoffe aufgenommen haben könnten.
Gepflückt werden sollten nur Pilze in einem einwandfreien Zustand, also frei von Schneckenfraß, Fäulnis, Schimmel oder Madenbefall. Für das Pilzwachstum ist es egal, ob der Pilz herausgedreht oder abgeschnitten wird. Die Österreichische Mykologische Gesellschaft empfiehlt, den oberirdischen Fruchtkörper vorsichtig aus dem Boden herauszudrehen und die Stelle wieder mit Moos oder Laub zu verschließen, damit das Pilzmyzel im Untergrund nicht beschädigt wird und nicht austrocknet. Wer den Pilz sicher kennt, kann ihn auch abschneiden. Aber: Durch das Abschneiden verschwinden die bei einigen Arten sehr wichtigen Bestimmungsmerkmale an der Stielbasis.
Die Pilze putzt man grob vor Ort. Manchen Arten muss man die schleimige Huthaut abziehen, damit das Sammelgut nicht zusammenklebt. Transportiert werden die Pilze im luftigen Korb, nicht in der Plastiktüte (und im heißen Auto). Dort würden sie schwitzen, ihr Eiweiß sich zersetzen und die Pilze unbekömmlich werden.
Es ist wichtig, unbekannte Pilze getrennt von den zum Verzehr bestimmten Pilzen zu transportieren. Teile eines tödlich giftigen Pilzes können absplittern, abbrechen, an anderen Pilze anhaften und damit die komplette Ernte kontaminieren. Selbst kleine Stückchen eines tödlich giftigen Pilzes wie der grüne Knollenblätterpilz können bereits eine Leberschädigung bewirken.
Im Ökosystem Wald haben die Pilze sehr vielfältige ökologische Funktionen. Dementsprechend achtsam gehen Pilzsammler vor und sammeln maßvoll nur diejenigen Pilze, die sie bestimmen und essen möchten. Für viele Speisepilze gelten Sammelbeschränkungen. Einige Pilzarten sind streng geschützt und dürfen nicht gesammelt werden, andere wie Steinpilze, Rotkappen und Pfifferlinge nur für den Eigenbedarf. Als Richtwert gelten ein bis zwei Kilogramm pro Sammler und Tag.
Laut Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) weisen Wildpilze noch immer erhöhte Konzentrationen von Radiocäsium (Cäsium-137) infolge der Reaktorkatastrophe von Tschernobyl (1986) auf. Die Höhe der radioaktiven Belastung ist pilzart- und standortabhängig. Besonders betroffen sind Wildpilze in Südbayern und dem Bayerischen Wald. Nähere Informationen finden Interessierte unter www.bfs.de.
Zuhause reinigt man die Pilze mit einem Pinsel. Flach ausgebreitet lassen sie sich kühl im Keller oder Kühlschrank bis zu 24 Stunden lagern. Manche Pilze können auch haltbar gemacht werden. Pilzsachverständige oder entsprechende Literatur informieren dazu.
Roh sind die meisten Waldpilze giftig oder ungenießbar. Vor dem Verzehr sollten sie daher gleichmäßig mindestens 15 Minuten erhitzt werden. Dabei zersetzt sich das thermolabile Gift vieler Speisepilzarten. Zudem werden Bakterien oder Eier des Fuchsbandwurmes abgetötet.
Bei Verdacht auf eine Pilzvergiftung sollte man sofort einen Arzt kontaktieren beziehungsweise ins Krankenhaus fahren und die Giftnotrufzentrale informieren. Nichts trinken! Alle Reste der Pilzmahlzeit inklusive Erbrochenem sowie Putzreste sind sicherzustellen und einem geprüften Pilzsachverständigen zu übergeben. Damit kann er feststellen, welcher Pilz die Vergiftung verursacht hat. Für den behandelnden Arzt ist dies eine wichtige Information. Wer ebenfalls von den Pilzen gegessen hat, sollte schnellstmöglich gewarnt werden. So kann auf eine weitere Vergiftung schnell reagiert oder diese noch vermieden werden.
Vergiftungssymptome sind je nach Art und Menge des Giftes Brechdurchfall, Bauchschmerzen, Kreislaufprobleme, Halluzinationen und Schwitzen. Sie können bereits kurz nach der Pilzmahlzeit, manchmal auch erst nach Stunden oder Tagen auftreten. Unbehandelt drohen bleibende Organschäden oder der Tod.
Für Laien davon schwer zu unterscheiden ist die unechte Pilzvergiftung durch Speisepilze: Beim Betroffenen löst sie Unverträglichkeitsreaktionen mit Bauchschmerzen, Übelkeit und Erbrechen aus. Gründe können eine zu reichliche Mahlzeit, gegebenenfalls in Verbindung mit reichlichem Alkoholgenuss sein, der Verzehr von ungenügend gegarten oder zu alten Speisepilzen oder pure Einbildung (wenn man glaubt, vermeintlich einen Giftpilz gegessen zu haben).
Die Verwechslungsgefahr von essbaren und giftigen Pilzen variiert unter Pilzsammlern je nach Kenntnisstand stark. Insofern gibt es nicht »den« giftigen, ungenießbaren oder vom Geschmackswert minderwertigeren Doppelgänger eines bestimmten Speisepilzes. Empirisch werden jedoch öfters folgende Pilze miteinander verwechselt (voran steht der Speisepilz):
Quelle: Andreas Kunze, Deutsche Gesellschaft für Mykologie
Fruchtkörper des Grünlings (Tricholoma equestre) in der Kiefernnadelstreu / Foto: Rainer Wald/DGfM
Die Deutsche Gesellschaft für Mykologie hat den Grünling zum »Pilz des Jahres 2021« ernannt. Der Lamellenpilz wächst in sandigen Kiefernwäldern und war einst als ergiebiger, schmackhafter Speisepilz geschätzt. Heute gilt Tricholoma equestre als Giftpilz, weil nach dem Verzehr des Grünlings mehrere Todesfälle auftraten.
Neben dem Grünling gibt es einige weitere früher zum Verzehr empfohlene Pilze, die heute als bedenklich oder gesundheitsschädlich gelten, etwa die Nebelkappe (Clitocybe nebularis). Die DGfM rät, sich beim Speisewert (also essbar, ungenießbar, giftig, tödlich giftig) nicht auf alte Pilzbücher zu verlassen. Das Wissen über die Inhaltsstoffe in Pilzen entwickelt sich stetig weiter. Neben aktueller Literatur empfiehlt sie die Beratung durch geprüfte Pilzsachverständige, die ihr Wissen regelmäßig auffrischen. Eine Kontaktliste von geprüften Pilzsachverständigen, qualitätsgeprüften Pilzbüchern sowie eine Positivliste der Speiseliste finden Interessierte unter www.dgfm-ev.de.