So helfen Sie sehbehinderten Menschen |
Blinde oder stark sehbehinderte Menschen kommen oft sehr gut auch alleine zurecht. Doch gerade im Alter und wenn sich die Sehbehinderung erst spät entwickelt hat, freuen sich Betroffene auch über Unterstützung. / Foto: Getty Images/Andrey Popov
Viele sehbehinderte Menschen sind älter und erblinden aufgrund einer Primärerkrankung wie zum Beispiel Diabetes, grauem oder grünem Star, Makuladegeneration, Netzhautablösung, Morbus Crohn, Tumoren oder Retinins pigmentosa. Nicht immer verlieren die Betroffenen komplett ihr Augenlicht, dennoch sind sie im Alltag sehr eingeschränkt und auf Unterstützung und Barrierefreiheit angewiesen. Blinde, die seit der Geburt oder frühen Kindheit nicht sehen können, sind häufig hervorragend integriert und können ihrem Alltag, ihrer Ausbildung, ihrem Studium und später dem Beruf selbstständig nachgehen. Trotz der Erblindung absolvieren viele Blinde ein akademisches Studium an einer »normalen« Universität und sind sehr erfolgreich in ihrem Beruf.
In der Apotheke treffen wir allerdings häufig ältere und multimorbide Patienten, deren Sehkraft sich zunehmend verschlechtert, was den Alltag auch immer schwieriger macht und auch die Psyche sehr belastet. Häufig können die Personen keine Punkteschrift (Braille) lesen und sind über die vielfältigen technischen Möglichkeiten, die die Digitalisierung bietet, nicht informiert. Für die Apothekenmitarbeiter ist es deshalb gut zu wissen, welche Möglichkeiten es für Blinde und Sehbehinderte gibt.
»Kann ich es Ihnen zeigen?« »Auf Wiedersehen, man sieht sich?« »Sollen wir uns das gemeinsam anschauen?« Auch im Umgang mit einem blinden oder sehbehinderten Menschen müssen Sie diese Sätze nicht zwangsläufig vermeiden. Es ist nicht Ungewöhnlich, dass ein blinder Mensch zu Ihnen sagt »Das habe ich noch nie gesehen, können Sie mir das zeigen?«. Blinde Menschen verbinden diese Begriffe nicht unbedingt mit Augenlicht oder mit der Sehkraft, sondern mit einer Begegnung, einem Ertasten eines Gegenstandes oder einer Beschreibung der Situation. Dennoch sind besonders bei älteren sehbehinderten Menschen auch diese Ausdrücke mit Vorsicht zu verwenden. Ältere neu erblindete und multimorbide Patienten leiden unter dieser neuen Situation häufig besonders, denn nicht nur die Sehkraft, sondern auch die generell nachlassende Mobilität, andere Erkrankungen und auch nicht selten Schwerhörigkeit machen das Älterwerden sehr schwer.
Auch wenn der Patient oder Kunde mit einer Begleitung in der Apotheke erscheint, sprechen Sie den Kunden direkt an: Schauen Sie ihn an, wenn Sie mit dem Betroffenen sprechen und nicht die Begleitperson. Fragen Sie den Kunden direkt, ob er über die Medikation Bescheid weiß und nicht etwa: »Weiß ihr Mann wie man die Medikamente einnimmt?« »Sind Ihrem Mann die Medikamente bekannt?« Blinde und Sehbehinderte merken es, wenn Sie sie ansprechen oder an ihnen vorbeireden. Es ist eine sehr wichtige Form der Wertschätzung, sie persönlich wahrzunehmen und die Anwesenheit nicht zu ignorieren. Wenn der sehbehinderte Kunde Ihnen seine Rezepte abgibt, erklären Sie ihm, was Sie mit den Rezepten tun. Sobald Sie den Platz verlassen, um beispielsweise die Medikamente aus dem Lager zu holen, geben Sie dem Kunden kurz Bescheid, dass Sie gleich wieder da sind. Lassen Sie nicht den Patienten allein mit sich selbst sprechen. Und vermeiden Sie Füllwörter, wenn Sie Ihrem Kunden etwas erklären. Hier, dort, so oder besser so wird eine Person, die nicht sehen kann, nicht nachvollziehen – erklären Sie genau, was Sie damit meinen.
Apotheken können durch die Beratung eine wichtige Funktion bei der Integration und der Selbstständigkeit der sehbehinderten Menschen spielen. Folgende Alltagstipps können helfen, die Lebensqualität Betroffener zu verbessern.
Sehbehinderung ist ein sehr relevantes pharmazeutisches Bedenken, dass Sie beim Austausch der Medikamente geltend machen können.
Tropfen mit dem Tropfenzähler abmessen (erhältlich im Blindenversandhandel) oder die Tropfen in einen leeren Plastikbecher (zum Beispiel leeren Joghurtbecher) tropfen lassen und abzählen, sofern die Hörfähigkeit nicht beeinträchtigt ist.
Kennzeichnen Sie die Medikamentenschachtel mit Büroklammer, tastbaren Schriftzügen (zum Beispiel mit DYMO- Etiketten) oder einer Tackernadel an gewünschter Stelle.
Markieren Sie dem Kunden die Menge, die aufgezogen werden muss, auf dem Kolben der Spritze. Bei mitgelieferten Messbechern schauen Sie zusammen mit dem Kunden nach, ob die Markierung am Becher tastbar ist.
Im Handel sind Fieberthermometer, Blutdruckmessgeräte und Blutzuckermessgeräte erhältlich. Auch solche speziellen Modelle werden nach Genehmigung und entsprechender Begründung von den Krankenkassen übernommen.
Gegebenenfalls kann das Produkt in eine Spenderflasche bei Bedarf umgefüllt werden. Bei Salben und Cremes können eine kleine Kruke, ein Messlöffel oder ähnliches, die Sie dem Kunden mitgeben, sehr hilfreich sein: Markieren Sie dort, wie hoch sie befüllt werden müssen, um die richtige Dosierung zu gewährleisten.
Auch ältere Menschen nutzen zunehmend Handys und Internet, um an Informationen zu gelangen und auch, um Bestellungen aufzugeben. Insbesondere für Blinde oder stark Sehbehinderte kann das Internet eine sehr wichtige Kontaktmöglichkeit mit Ihrer Apotheke darstellen. Die Barrierefreiheit der Webseite ist daher sehr wichtig. Die meisten Handys haben eine integrierte Spracheingabe und Sprachausgabe, die das Versenden von E-Mails, Nachrichten via Kurznachrichtendienst, Nutzung der Social Media Plattformen sehr problemlos möglich machen. Handys, die über diese Funktionen verfügen, können alle Nachrichten, die Sie auf Ihrer Webseite publizieren, dem Nutzer vorlesen und machen zudem die Nutzung jeder App möglich. Falls Sie als Apotheke diverse Vorbestell-Apps oder Plattformen anbieten, überprüfen Sie die Barrierefreiheit dieser Anwendungen. Tipps und Hinweise, worauf es beim barrierefreien Posten ankommt, finden Sie auf der Webseite www.barrierefreiposten.de
Digitale Hilfsmittel machen es möglich, dass sogar Menschen, die vollständig blind sind, »normale« gedruckte Zeitschriften, Formulare, Briefe und Bücher lesen können. Viele Leistungen werden von den gesetzlichen Krankenkassen bezuschusst oder gänzlich übernommen, leider fehlen den Kunden sehr häufig Informationen über die vielfältigen fortschrittlichen Möglichkeiten wie zum Beispiel elektronische Lupen mit bis zu 50-facher Vergrößerung auch per App, Bildschirmlesegeräte, mobile Vorlesesysteme, die an einer Brille befestigt werden, oder stationäre Vorlesesysteme für zu Hause.
Umfangreiche Informationen zum »Leben mit Blindheit und Sehbehinderung« und über diverse Rehabilitationsleistungen und Hilfsmittel sind auf den Seiten des Deutschen Blinden- und Sehbehindertenverbandes e.V. zu finden. Bringen Sie als Apotheke vor Ort den Betroffenen etwas Licht in deren Leben und seien Sie sich sicher: Ihr Vertrauen bekommen Sie als Geschenk zurück!