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AMTS in der Rezeptur

So kommt Qualität in die Rezeptur

Tod durch einen fehlerhaft angefertigten Glucosetoleranztest, erblindete Neugeborene durch zu hohe Benzalkoniumchlorid-Dosierung: Bei der Arzneimittelherstellung sind Fehler unverzeihlich. Wie die Rezeptur sicherer gemacht werden kann, wurde bei der Abschlussdiskussionsrunde des Rezepturtags der Expopharm deutlich.
Elke Wolf
14.10.2024  10:30 Uhr

Freilich sind die oben genannten Fälle extrem. »Aber auch Nebenwirkungen oder etwa eine ausbleibende Wirkung wollen wir in der Rezeptur nicht haben. Doch da Fehler in der Rezeptur oft nicht offensichtlich sind, gilt es, sich als herstellende Apotheke laufend zu hinterfragen, um Stolperfallen zu erkennen«, sagte Rezepturcoach Dr. Sandra Barisch, die die Diskussionsrunde leitete.

Eine gute Möglichkeit, die Qualität in der Rezeptur zu reflektieren, bieten ZL-Ringversuche. »Ringversuche sind ein wichtiges Lerninstrument«, erklärte Professorin Dr. Mona Tawab, wissenschaftliche Leiterin des Zentrallabors (ZL) in Eschborn. »Wir sind keine behördliche Kontrollinstitution, sondern Partner und Unterstützer der Apotheken. Die Ringversuche sind eine prima Möglichkeit, eigene Herstellungsprozesse zu optimieren und kontinuierlich die Qualität in der Rezeptur zu verbessern.«

Ein Drittel der Apotheken in Deutschland – was etwa 6100 Apotheken entspricht – nutzen diese Möglichkeit der Prozessoptimierung, stellte Tawab die durchschnittlichen Teilnehmerzahlen an den ZL-Ringversuchen der vergangenen zehn Jahre vor. Das heißt aber auch: Zwei Drittel lassen diese Chance ungenutzt. Generell wertete die Apothekerin aber die Qualität der Rezepturarzneimittel hierzulande als sehr gut.

20 Prozent der Apotheken nehmen mindestens einmal jährlich an einem Ringversuch teil, viele auch mehrmals im Jahr. Insgesamt sei die Bestehungsquote sehr hoch. Die häufigsten Beanstandungen seien ein nicht entsprochener Gehalt (meist unterdosiert). Bei halbfesten Zubereitungen und Kapseln machten Inhomogenitäten die meisten Probleme, bei flüssigen Zubereitungen eher die Dichte.

»Unsere Intention ist, Ihre Rezepturen qualitativ hochwertiger zu machen. Deshalb lassen wir Sie bei Beanstandungen auch nicht im Regen stehen«, betonte Tawab. Allein bereits durch das mit eingesandte Herstellungsprotokoll ergäben sich für die ZL-Experten oft Aufschlüsse darüber, woran es gehakt haben könnte. So liege die Schwierigkeit längst nicht nur in galenischen Herausforderungen wie Partikel-Agglomeraten oder Dichtedifferenzen, sondern oft in vermeintlich banalen Dingen wie der richtigen Dosierung (falsche Waage, falsche Einwaage, Vergessen des Einwaagekorrekturfaktors).

Sechs Augen sehen mehr

Dr. Julia Potschadel, leitende Klinikapothekerin vom Rheinland Klinikum Dormagen, hält das Vieraugenprinzip in der Rezeptur für unverzichtbar. »Im Prozess ist es wichtig, die Übersicht zu behalten. Prozesse und Verantwortlichkeiten sollten im Qualitätsmanagement festgeschrieben sein. Bei wichtigen Schritten vor allem bei Rechnungen, der Substanzauswahl, kritischen Herstellungsschritten, Endkontrollen und dem Etikett lohnt sich das Vieraugenprinzip. Wenn wir neue Rezepturen entwickeln oder in die Routine übernehmen, arbeiten wir gar mit dem Sechsaugenprinzip.«

Das konnte Dr. Jens-Andreas Münch, Vorsitzender der DAC/NRF-Kommission und langjähriger Apothekeninhaber in Magdeburg, nur bestätigen. »Hier geht es nicht um Misstrauen etwa der rezepturverantwortlichen PTA gegenüber, sondern um Arzneimitteltherapiesicherheit und Qualität in der Rezeptur zum Wohle des Patienten. Erst nach dem Gegencheck erfolgt die Freigabe durch den Apotheker.«

Kommunikation nach innen

Wie geht man am besten mit Fehlern um, wollte Moderatorin Barisch wissen. »Wichtig ist, einen Fehler rechtzeitig zu kommunizieren, auch dann, wenn nur der Verdacht besteht, dass etwas schiefgelaufen sein könnte. Es muss Vertrauen bestehen: Derjenige, der den Fehler berichtet, soll keine Angst haben müssen, dass er den Kopf abgerissen bekommt«, meinte Professorin Dr. Antje Neubert von der Kinder- und Jugendklinik am Uniklinikum Erlangen und Leiterin der PHArMKid-Arbeitsgruppe, die sich auf pädiatrische Rezepturen spezialisiert hat.

Schließlich gehe es um den Prozess als solchen und um die Patientensicherheit. Daher gelte es, im Team zu analysieren, wie im konkreten Fall Schadensbegrenzung betrieben werden kann. Dann hat die Fehleranalyse Priorität: Wie ist der Fehler demnächst zu verhindern? Welche Maßnahmen braucht es zur Prozessoptimierung? Die interne Kommunikation ist entscheidend, waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig.

… und nach außen

Für eine pharmazeutisch einwandfreie Qualität in der Rezeptur ist auch die gute Kommunikation zwischen Apotheke und Arzt vonnöten. Diese ist Potschadel zufolge in einem Klinikum leichter möglich als im niedergelassenen Bereich. »Wir sind ohnehin auf Station, in die digitale Medikation eingebunden und haben guten Zugriff auf Patientendaten und konkrete Ansprechpartner. Uns wird meist gefolgt, wenn wir mit einem konkreten Vorschlag kommen. Wir haben eben die höhere Expertise im Bereich Arzneimittelherstellung.« Dem stimmte Neubert zu: »Das, was an Wissen von den Apothekern und PTA reinkommt, wird von uns sehr geschätzt.«

Ungleich schwieriger stellt sich die Kommunikation zwischen Apotheke/Arzt vor Ort dar. Was auch daran liegt, dass auf Ärzteseite nicht »das unsrige galenisch-pharmazeutische Grundverständnis vorhanden ist. Ärzte haben einen anderen Blickwinkel«, wie Potschadel sagte. Und Münch ergänzte: »Wenn es Probleme gibt, dann meist mit freien Rezepturen. Die Kenntnis der Ärzte bezüglich des DAC/NRF ist ausbaufähig.«

Potschadel, die auch als Rhetorik-Coach öffentliche Apotheken besucht, rät, »einen guten Kanal zum Verordner herzustellen. Hilfreich ist das Vereinbaren fester Uhrzeiten, in denen über Problemfälle telefoniert oder gefaxt wird. Die wertschätzende Kommunikation am besten mit konkreten Empfehlungen muss stimmen. Der Dienstleistungsgedanke sollte im Vordergrund stehen. Den Ärzten klar machen: Wir wollen euch etwas abnehmen und keine Fehler aufs Brot schmieren.«

Hilfen für die Praxis

Um bei der Plausibilitätsprüfung nicht zu viel Zeit aufwenden zu müssen, sollte man sich an Standards orientieren, rät die Leiterin des NRF, Dr. Stefanie Melhorn. Es sei wichtig zu wissen, wo man Informationen findet und welche Literatur hilfreich ist. Als Schnelleinstieg für unbekannte Rezepturen empfahl sie in erster Linie den DAC/NRF-Rezepturenfinder. »Er enthält knappe 3000 Rezepturformeln, und zwar sowohl standardisierte und geprüfte als auch weniger gute. Mithilfe der Ampelmarkierung bekommt man einen schnellen Einblick. Die weniger guten sind rot markiert und entsprechend kommentiert. Das ist eine prima Servicefunktion; so kann man dem verordnenden Arzt eine Begründung liefern, warum seine Rezeptur nicht funktioniert. Zusätzlich gibt es Verlinkungen zu plausiblen Rezepturen.«

Ausführlichere Dokumente zu Rezepturen finden sich dann unter den DAC/NRF-Rezepturhinweisen, etwa Daten zum Wirkstoff, zur Darreichungsform, physikalische und chemische Kenngrößen oder auch zur Anwendung. »Das DAC/NRF beantwortet per Formular auch direkte Anfragen. Dazu muss das Rezepturproblem aber genauestens formuliert werden. Das heißt eine Vorrecherche muss stattgefunden haben, Plausibilitätsprüfungen übernehmen wir nicht«, sagte Apothekerin Melhorn. Derzeit belaufen sich die Formular-Anfragen auf etwa zehn pro Tag. »Der Rezepturenfinder nimmt uns hierbei enorm viel Arbeit ab – was für seine Güte spricht.«

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