So läuft die Zulassung der ersten Corona-Impfstoffe ab |
Jetzt könnte es schnell gehen: Zwei Covid-19-Impfstoffe stehen kurz vor der Zulassung in der Europäischen Union. / Foto: Getty Images/FilippoBacci
Da heute praktisch kein Impfstoff mehr ausschließlich für den deutschen Markt zugelassen wird, ist dieses Verfahren größtenteils durch das zentrale europäische Zulassungsverfahren ersetzt worden. Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) mit Sitz in Amsterdam ist dabei als zentrale Prüfstelle zuständig. Nach einem Prüf-Verfahren gibt der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) eine Empfehlung über den Zulassungsantrag ab. Diese bildet die Basis für die endgültige Zulassungsentscheidung durch die EU-Kommission.
Die Zulassungsanträge für Corona-Impfstoffkandidaten können in einem »Rolling-Review« bewertet werden. Das ist sowohl bei Moderna als auch beim Vakzin von Biontech/Pfizer sowie bei Universität Oxford/Astra-Zeneca, für deren Impfstoff derzeit noch kein abschließender Zulassungsantrag vorliegt, der Fall.
Das Verfahren dient der Beschleunigung der Bewertung durch die EMA. Die Beurteilung des Impfstoffkandidaten wird bereits begonnen, bevor alle erforderlichen Daten für einen »normalen« Zulassungsantrag eingereicht wurden. Die EMA bietet bereits während der Entwicklung schnelle wissenschaftliche Beratung mit einer eigens ins Leben gerufenen Covid-19 Task Force (Covid-ETF). Trotz Beschleunigung bleiben die Anforderungen an Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit der betreffenden Arzneimittel nach Aussage der EMA unverändert hoch.
Die Vorteile eines Covid-19-Impfstoffs müssen nach EU-Arzneimittelgesetzgebung weitaus größer sein als alle Nebenwirkungen oder potenziellen Risiken. Der Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) mit Wissenschaftlern aus allen europäischen Zulassungsbehörden übernimmt die Beurteilung des neuen Mittels. Experten geben Einschätzungen zur Wirkung des Arzneimittels ab und äußern sich zu Unsicherheiten der Daten. Außerdem können sie dem Antragssteller weitere Fragen stellen. Der Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) bewertet die Arzneimittelsicherheit.
Nach Aussage eines Sprechers ist die endgültige Entscheidung durch die Kommission in den meisten Fällen nur noch eine reine Formalie. Jüngst sagte ein Sprecher der Kommission, nach der Prüfung durch die EMA wolle die Kommission rasch entscheiden. Einen konkreten Zeithorizont nannte er nicht.
Im Falle der Coronavirus-Vakzine von Moderna sowie von Biontech/Pfizer soll es zunächst eine bedingte Zulassung geben. Eine solche Zulassung soll dringliche medizinische Bedürfnisse befriedigen. Die EMA schreibt dazu: »Im Interesse der öffentlichen Gesundheit kann den Antragstellern eine bedingte Genehmigung für das Inverkehrbringen solcher Arzneimittel erteilt werden, wenn der Nutzen einer sofortigen Verfügbarkeit das Risiko, das von weniger als normalerweise erforderlichen Daten ausgeht, überwiegt (...).«
Die Zulassungsauflagen schreiben vor, dass fehlende Daten beispielsweise zur Langzeitwirksamkeit oder Daten in bestimmten Subgruppen, so schnell wie möglich nach Zulassung nachgereicht werden müssen. Eine bedingte Zulassung gilt für ein Jahr und kann verlängert werden.
»Ein Impfstoff darf (..) nur in den Verkehr gebracht werden, wenn sie von der zuständigen Bundesoberbehörde freigegeben ist«, heißt es im Arzneimittelgesetz. Diese Prüfung nimmt nach der EU-Zulassung das Paul-Ehrlich-Institut in Langen vor. Wie lange diese Prüfung dauert, beantwortete das Institut auf dpa-Anfrage nicht. Da nach Ansicht des Gesundheitsministeriums zu Beginn nicht ausreichend Impfstoff zu Verfügung steht, um den gesamten Bedarf zu erfüllen, sollen prioritär bestimmte Risikogruppen geimpft werden. Die Priorisierung des Ministeriums erfolgt unter der Mithilfe des Deutschen Ethikrats und der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina.
Bund und Länder stellen sich darauf ein, dass »bei bestmöglichem Verlauf« noch im Dezember mit ersten Impfstoff-Lieferungen gerechnet werden kann. Die Länder haben dem Bund dafür rund 30 Anlieferstellen genannt. Impfungen sollen dann zunächst über regionale Impfzentren der Länder und mobile Teams laufen, die in Pflegeheime oder Kliniken gehen. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung soll »standardisierte Module« entwickeln, damit Patienten telefonisch und digital Termine vereinbaren können. Im Detail festzulegen ist zudem die Reihenfolge von Impfungen – die kann auch davon abhängen, welcher Stoff zuerst verfügbar und für welche Gruppen am besten verträglich ist. Generell sollen Risikogruppen und Gesundheitspersonal Priorität haben. Die Regierung hat mehrfach klargemacht, dass es keine Impfpflicht geben soll.
Coronaviren lösten bereits 2002 eine Pandemie aus: SARS. Ende 2019 ist in der ostchinesischen Millionenstadt Wuhan eine weitere Variante aufgetreten: SARS-CoV-2, der Auslöser der neuen Lungenerkrankung Covid-19. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite Coronaviren.