So schützen sich Patienten mit Immunschwäche |
Verena Schmidt |
17.09.2025 12:00 Uhr |
Patienten mit hochgradiger Immunschwäche sollten in der Öffentlichkeit einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wenn sie in näheren Kontakt mit anderen Menschen kommen. / © Adobe Stock/Tatsiana Yatsevich
Viele Infektionen verlaufen bei Menschen mit intaktem Immunsystem mild oder sie brechen erst gar nicht aus. Für immunsupprimierte Menschen, bei denen das körpereigene Abwehrsystem medikamentös unterdrückt wird oder aufgrund einer Erkrankung geschwächt ist, können solche »einfachen« Infektionen jedoch lebensbedrohlich verlaufen. Betroffen sind beispielsweise unter anderem Patienten, die wegen eines Lymphoms, Multiplen Myeloms oder einer Leukämie behandelt werden, vor kurzem eine Stammzelltransplantation erhalten haben oder auch Menschen mit einer Aids-Erkrankung.
Diese Patienten müssen sich im Alltag akribisch vor potenziellen Krankheitserregern schützen. Das ist keine leichte Aufgabe: Was sie alles beachten müssen, erläutert die Broschüre »Infektionen? Nein, danke!«, die jetzt als überarbeitete Neuauflage bei der Deutschen Leukämie- & Lymphom-Hilfe (DLH) erschienen ist. Sie steht kostenfrei zum Download zur Verfügung auf www.leukaemie-hilfe.de und kann auch als Druckversion bei der DLH angefordert werden.
Den meisten Patienten ist wohl bewusst, dass Bakterien, Viren, Pilze oder Parasiten über Hautkontakt übertragen werden können, einerseits direkt von anderen Menschen oder Tieren oder indirekt über Gegenstände und Oberflächen. Eine penible Handhygiene ist daher für die Patienten von großer Bedeutung: Handkontakte sollten sie möglichst vermeiden, also keine Hände schütteln und auch keine Türklinken mit der Hand berühren – dafür besser die Ellenbogen verwenden. Ringe sollten nicht getragen werden, heißt es in der Broschüre der DLH, denn darunter können sich schwer erreichbare Keime verbergen. Auch Nagellack und künstliche Fingernägel sind tabu, da sie die Hygiene erschweren.
Zum Händewaschen sollten Wasser und Seife (pH-neutrale Seifenlösung aus einem Spender, keine festen Seifenstücke) verwendet werden. Handtücher und Waschlappen sollten täglich gewechselt und bei mindestens 60 °C mit einem Vollwaschmittel gewaschen werden. Besser als Händewaschen allein schützt die zusätzliche Händedesinfektion. Laut der Broschüre wird sie insbesondere in diesen Situationen zusätzlich nach dem Waschen empfohlen: nach dem Toilettengang in der Klinik oder auswärts, vor der Zubereitung von Mahlzeiten, nach dem Naseputzen, nach dem Wechseln von Windeln oder von Einlagen, wenn der Patient nach Hause kommt und draußen etwa Treppengeländer, Haltestangen im Bus oder ähnliches berührt hat sowie nach dem Sortieren schmutziger Wäsche. Wichtig ist auch: Es soll ein Desinfektionsmittel auf Alkoholbasis verwendet werden, welches vom Verbund für Angewandte Hygiene (VAH) zertifiziert wurde (www.vah-liste.de).
Bei unsauberen Arbeiten wie etwa Putzen, dem Umgang mit rohem Fleisch in der Küche, beim Windelwechseln oder bei der Gartenarbeit sollten Patienten prinzipiell Einmalhandschuhe tragen. Sofort nach dem Ausziehen der Handschuhe sollten die Hände gewaschen beziehungsweise desinfiziert werden. Wichtig ist auch: Darauf achten, mit behandschuhten Händen nicht ins Gesicht zu fassen!
Da zahlreiche Erreger auch per Tröpfcheninfektion übertragen werden können, kann das Tragen eines Mund-Nasen-Schutzes in bestimmten Situationen notwendig sein, zum Beispiel wenn ein Familienmitglied unter einer Erkältung oder Lippenherpes leidet. Dann sollte die potenziell ansteckende Person den Mund-Nasen-Schutz tragen, nicht der Patient. Dieser sollte immer einen Mund-Nasen-Schutz tragen, wenn er sich in Phasen der hochgradigen Immunschwäche in der Öffentlichkeit bewegt und dabei möglicherweise in engeren Kontakt (< 1,5 m) zu anderen Menschen kommt, insbesondere in den Wintermonaten.
Für Patienten mit einem hochgradig geschwächtem Abwehrsystem – beispielsweise in der akuten Phase nach einer Stammzelltransplantation, mit stark erniedrigter Leukozytenzahl oder solche, die länger als zwei Wochen Glucocorticoide in hoher Dosierung bekommen – ist besonders das Einatmen von Pilzsporen gefährlich. Diese kleinen unsichtbaren Partikel mit einem Durchmesser von weniger als 5 μm dienen zur Ausbreitung des Pilzes. Zur Freisetzung kommt es zum Beispiel bei feuchten Wänden im Wohnbereich, Blumenerde in Innenräumen, verschimmelten Lebensmitteln oder auf Katzentoiletten.
Diese und andere Quellen von Pilzsporen gilt es, unbedingt zu meiden. Das bedeutet:
Die Erkrankung und deren Behandlung soll die Patienten natürlich möglichst wenig in ihren Kontakten mit Freunden und Verwandten einschränken. Dennoch sind auch im Sozialleben einige Vorsichtsmaßnahmen zu beachten: Von größeren Menschenansammlungen sollten sich immunsupprimierte Menschen fernhalten. Öffentliche Verkehrsmittel sollten möglichst nicht benutzt werden, Besuche von Kino, Theater oder Konzerten sollten sie gut abwägen beziehungsweise einen Mund-Nasen-Schutz tragen. Bei öffentlichen Toiletten sollte der Toilettendeckel vor dem Spülen geschlossen werden, Gebläsetrockner sind zu meiden.
Treffen mit Personen, die Zeichen einer akuten Infektion zeigen – wie Bindehautentzündung, Durchfall, Erbrechen, Fieber, infizierte Wunde, unklarer Hautausschlag – sind tabu. Unbedingt vermeiden sollten die Patienten auch den Kontakt zu Menschen mit Infektionen wie Windpocken, Masern, Ringelröteln, Keuchhusten, Grippe und Dreitagefieber – in der Regel mindestens sieben Tage ab Beginn der Symptome beziehungsweise bis zum vollständigen Abklingen der Symptome. Wichtiger Hinweis: Masern sind bereits fünf Tage, Windpocken einen Tag vor Ausbruch des Hautausschlages hoch ansteckend. Sollte es zu einem Kontakt mit Infizierten gekommen sein, unbedingt den behandelnden Arzt informieren!
Auch die Lebensmittelhygiene spielt bei der Vermeidung von Infektionen eine große Rolle. Bekannt ist in der Regel, dass Patienten mit geschwächtem Immunsystem ähnlich wie Schwangere auf rohe und nicht ausreichend erhitzte Lebensmittel (wie Fleisch, Fisch, Ei, Rohmilch und -käse) verzichten sollten. Auch bei Salat und Dressings ist Vorsicht geboten, insbesondere Salate aus einer Salatbar und »Fertigsalat« aus Tüten sollte nicht verzehrt werden. Gemüse muss gut geputzt und Obst geschält werden. Generell sollten Lebensmittel nur vor Erreichen des Mindesthaltbarkeitsdatums verzehrt werden. Essensreste (auch Fruchtsaftreste) sollten nicht länger als 24 Stunden (gekühlt und abgedeckt) gelagert werden. Patienten mit Immunsuppression sollten auch möglichst nicht mit rohen Eiern in der Küche umgehen, denn diese können auf der Schale mit Krankheitserregern wie Salmonellen behaftet sein. Eine Möglichkeit ist, auf pasteurisiertes Flüssigei auszuweichen.
Leitungswasser kann Krankheitserreger wie Legionellen oder Pseudomonaden enthalten. Patienten sollten daher sowohl zum Trinken als auch für die Mundpflege Mineralwasser mit Kohlensäure (der Kohlensäure-Zusatz hemmt das Wachstum von Keimen) oder abgekochtes Wasser verwenden. Vorsicht ist beim Zubereiten von Tee geboten: Teebeutel oder -blätter seien oft stark mit Bakterien verunreinigt, heißt es in der DLH-Broschüre. Diese können sich im Tee schnell vermehren, wenn Beutel beziehungsweise Blätter nur kurz mit heißem Wasser überbrüht werden und langsam abkühlen. Teebeutel/-blätter sollten einige Minuten in sprudelnd kochendem Wasser liegen. Die Teekanne muss in der Spülmaschine bei 60 °C gereinigt werden.