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Gifte im Kinderzimmer

Spielzeug mit Schadstoffen

Spielzeug gehört in jedes Kinderzimmer. Doch viel zu häufig enthält es Schadstoffe, die für Kinder zur Gesundheitsgefahr werden können. Der Verzicht auf problematische Produkte und Gütesiegel schafft Sicherheit.
Carina Steyer
19.08.2024  08:00 Uhr

Das europäischen Schnellwarnsystem für Produktsicherheit («Safety Gate«) erfasst Non-Food-Produkte, die gegen geltende EU-Gesetze verstoßen und zum Schutz der Verbraucher vom Markt genommen werden. Seit einigen Jahren steigt hier die Zahl der gemeldeten Spielzeuge deutlich an. Im vergangenen Jahr standen sie nach den Kosmetika auf Platz 2.

Verantwortlich für die steigenden Zahlen ist vor allem der Online-Handel. Über Plattformen wie Amazon und Ebay können Händler mit Firmensitz außerhalb der EU ihre Waren unproblematisch an Konsumenten innerhalb der EU verkaufen. Bei Unternehmen wie Shein oder Temu bestellt der Kunde direkt bei chinesischen Firmen. Problematisch dabei: Liegt der Firmensitz eines Unternehmens außerhalb der EU, ist es nicht dazu verpflichtet, europäische Gesetze und Normen einzuhalten.

Nach Angaben der europäischen Chemikalienagentur ECHA halten sich rund 40 Prozent der spielzeugherstellenden Unternehmen nicht an die in der EU geltenden gesetzlichen Vorgaben für Chemikalien. Bei stichprobenartigen Kontrollen fanden die Experten im Jahr 2022 mehr als 200 Spielzeuge, deren Schadstoffgehalt die europäischen Grenzwerte überstieg. 90 Prozent der bemängelten Spielzeuge stammten aus China.

Ähnliches zeigt eine Untersuchung, die der Verband der europäischen Spielzeugindustrie (TIE) Ende 2023 in Auftrag gegeben hat. In einem unabhängigen Labor wurden 19 über Temu eingekaufte Spielzeuge auf Kennzeichnungs- und Sicherheitsmängel überprüft. Keines dieser Produkte entsprach den geltenden EU-Vorschriften für Spielzeug, 18 Spielzeuge wurden als Sicherheitsrisiko mit der Möglichkeit für Schnitt- oder Stichwunden, Strangulieren und einem zu hohen Schadstoffgehalt eingestuft.

Puppen stark betroffen

40 Prozent der von der ECHA bemängelten Spielzeuge waren Plastikpuppen. Ebenso wie aufblasbares Wasserspielzeug und Bälle werden sie in den meisten Fällen aus PVC (Polyvinylchlorid) gefertigt. PVC ist ein harter, spröder Kunststoff, der durch die Zugabe von Phthalat-Weichmachern elastisch wird. Da Phthalate aber nicht fest gebunden sind, werden sie nach und nach aus den Produkten freigesetzt. Sie konnten bereits im Hausstaub nachgewiesen werden.

Einige Phthalate wie Dibutylphthalat (DBP) und Diethylhexylphthalat (DEHP) sind als fortpflanzungs- und hormonell schädigend eingestuft. Bei Kindern können sie die sexuelle Entwicklung sowie die Fruchtbarkeit beeinträchtigen. Seit 2007 liegt der Grenzwert für gesundheitsschädliche Phthalate in der EU bei 0,1 Prozent, wenn das Produkt im Innenbereich oder mit viel Hautkontakt verwendet wird. Puppen sowie Spielzeuge im Allgemeinen fallen unter diese Regelung. Mehrere der von der ECHA untersuchten Puppen enthielten allerdings Phthalat-Konzentrationen von mehr als 30 Prozent.

Als schadstoffarme Alternative zur Plastikpuppe gelten Stoffpuppen. Bei den Kindern selbst steht die realitätsnähere Plastikversion allerdings oft höher im Kurs. Einige Hersteller kennzeichnen ihre Produkte inzwischen mit dem Hinweis »PVC-frei« oder »phthalatfrei«. Spielzeug mit dem »Spiel gut«-Zeichen ist laut Selbstauskunft der Hersteller PVC-frei, ausgenommen davon ist Elektronikspielzeug. Bei Produkten aus Hartplastik besteht in der Regel kein Grund zur Sorge. Hier wird meist der unbedenkliche Kunststoff ABS (Acrylnitril-Butadien-Styrol-Copolymer) verwendet. In Schadstofftests schnitten die Spielzeuge vieler bekannter Hersteller gut ab. Problematisch können teilweise durchsichtige Teile sein, da sie mitunter Bisphenole enthalten.

Sicher kreativ sein

Bei Kindern beliebt, aber in der ECHA-Stichprobe häufig bemängelt wurde Spielzeugschleim. Grund für die Beanstandung waren Bor-Konzentrationen, die den derzeit in der EU erlaubten Maximalwert von 300 mg um ein Vielfaches, in einem Fall um das Zehnfache, überschritten. Bei Kindern kann eine erhöhte Bor-Aufnahme zu Irritationen, Durchfall, Erbrechen und Krämpfen führen. In Tierversuchen beeinträchtigte Borsäure die Fruchtbarkeit und die Embryonalentwicklung, weshalb sie als reproduktionstoxisch eingestuft wird.

Auch Untersuchungen der Verbrauchermagazine »Stiftung Warentest« und »Öko-Test« haben Spielzeugschleim in der Vergangenheit kein gutes Zeugnis ausgestellt. Ähnliches gilt für Hüpfknete, die ebenfalls durch hohe Bor-Konzentrationen aufgefallen ist. Zur Vorsicht wird zudem bei ofenhärtenden Modelliermassen geraten. Sie bestehen aus PVC und enthalten Weichmacher, die beim Erhitzen im Ofen freigesetzt werden. Eine unbedenkliche Alternative ist Salzteig, der ebenso wie Schleim und Knete unkompliziert selbst hergestellt werden kann (siehe Kasten).

Nicht nur Babys, sondern auch viele ältere Kinder nehmen Spielzeuge häufig in den Mund. Viele Schulkinder kauen zum Beispiel gerne und ausgiebig auf Buntstiften. Vor dem Kauf wird deshalb empfohlen, einen Blick auf aktuelle Testergebnisse zu werfen. Vergangene Untersuchungen von Öko-Test und Stiftung Warentest konnten bei einigen Buntstiften krebserregende Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) und aromatische Amine nachweisen. Andere schnitten mit sehr guten Ergebnissen ab, was die Kaufentscheidung erleichtern kann.

Tipps zum Spielzeugkauf

Orientierung beim Spielzeugeinkauf bietet auch die Verbraucherzentrale. Sie rät, günstige No-Name-Produkte aus weichem Plastik vorsorglich zu meiden. Zwar sei der Preis kein Qualitätssiegel, günstiges Spielzeug würde aber tendenziell häufiger aus ungeprüften, schadstoffbelasteten Materialien hergestellt als teures und unterliegt meist keiner sorgfältigen Qualitätskontrolle.

Vor dem Kauf, spätestens aber vor dem Einsatz im Kinderzimmer sollte das Spielzeug noch einmal selbst überprüft werden. Fällt es durch einen unangenehmen oder auffälligen Geruch auf, hat es scharfe Pressnähte, Ecken oder Kanten, sind Fehler in der Verarbeitung (zum Beispiel bei Lackierung, Nähte oder Bedruckung) erkennbar, färben die Materialien beim Darüberreiben ab oder lassen sich Fasern oder Füllungen von Stofftieren ausziehen, ist es nicht für Kinder geeignet. Ergänzend sollten immer die Altersfreigabe sowie bei elektronischen Spielzeugen die Lautstärke beachtet werden.

Ein wichtiges Siegel beim Spielzeugkauf ist das GS-Zeichen. Es steht für »geprüfte Sicherheit« und garantiert in Kombination mit der Angabe von Prüfinstitution und Prüfnummer, dass die gesetzlichen Anforderungen in Bezug auf Sicherheit und Schadstoffe eingehalten werden.

Beim Kauf von Kuscheltieren und Stoffpuppen lohnt es sich, auf das IVN- (Internationaler Verband der Naturtextilwirtschaft) und das GOTS-Siegel (Global Organic Textile Standard) zu achten. Beide Siegel garantieren, dass alle chemischen Zusätze vor dem Einsatz geprüft wurden und die Textilfasern aus biologischem Anbau stammen. Die Verwendung problematischer Substanzen ist grundsätzlich verboten. Dennoch wird empfohlen, Stoffspielzeug und Puppenkleidung vor dem ersten Spielen immer zu waschen.

Das CE-Zeichen hingegen ist kein Prüfzeichen. Spielzeughersteller sind gesetzlich dazu verpflichtet, ihre Produkte mit dem CE-Zeichen zu kennzeichnen und Name sowie Anschrift des Herstellers oder Importeurs anzugeben, wenn das Produkt auf dem europäischen Markt verkauft werden soll. Damit versichern sie, dass das Spielzeug die gesetzlichen Anforderungen erfüllt. Kontrolliert wird diese Herstellerversicherung nicht und in der Realität sind viele Spielzeuge trotz CE-Zeichen stark mit Schadstoffen belastet. Dennoch sollte beim Kauf auf das Zeichen geachtet werden. Fehlt es, ist das ein guter Hinweis, dass der Hersteller nicht mit den europäischen Anforderungen vertraut ist. Experten raten von einem Kauf ab.

Gebraucht nicht schadstofffrei

Es ist ein schöner Gedanke, das selbst bespielte Spielzeug an die eigenen Kinder weiterzugeben oder im Sinne der Nachhaltigkeit verstärkt auf Second-Hand-Spielsachen zu setzen. Experten raten in bestimmten Fällen aber unbedingt davon ab. Älteres Spielzeug aus Weichplastik wie Puppen, aber auch Plastikfiguren, die vor 2007 gefertigt wurden, enthalten, selbst bei europäischer Fertigung, in den meisten Fällen sehr hohe Phthalat-Konzentrationen. Auch für andere Schadstoffe wurden die Grenzwerte zuletzt verschärft. Dazu zählen zum Beispiel Aluminium und Formaldehyd (Mai 2021) sowie für den krebserregenden Farbbaustein Anilin (Dezember 2022). Britische Forscher konnten zudem nachweisen, dass Lego-Steine, die zwischen 1960 und 1981 produziert wurden, die heute gültigen europäischen Cadmium-Grenzwerte weit überschreiten.

Im Zweifel kann vor dem Kauf von Spielzeug auch der Hersteller kontaktiert werden. In der EU haben Konsumenten ein Auskunftsrecht zu besonders besorgniserregenden Chemikalien in Produkten. Unproblematisch funktioniert das mit der ToxFox-App des Bundes für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND), mit der das Produkt gescannt und automatisch eine Anfrage an den entsprechenden Hersteller oder Händler verschickt wird.

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