Spirulina und Chlorella: Viel heiße Luft? |
Kerstin Pohl |
17.05.2022 16:00 Uhr |
Da Algenpräparate in Deutschland keine Zulassung als Arzneimittel haben, werden sie als Nahrungsergänzungsmittel deklariert und benötigen deshalb auch keine Wirksamkeitsnachweise der Hersteller.
Bei einer bekannten Unverträglichkeit von Krustentieren ist bei der Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln aus Spirulina und Chlorella Vorsicht geboten: Es könnten Allergien ausgelöst werden. Vorsicht ist auch bei der Einnahme bestimmter Medikamente wie Antidiabetika, Immunsuppressiva und Gerinnungshemmern geboten, hier sind Wechselwirkungen mit Spirulina möglich. Zudem bindet Spirulina das Spurenelement Eisen und macht es so für den Organismus nicht mehr verfügbar.
Spirulina ist als Nahrungsergänzungsmittel ungeeignet bei der Stoffwechselerkrankung Phenylketonurie (PKU), da sie Phenylalanin enthält. Die PKU ist eine angeborene Erkrankung des Proteinstoffwechsels, die eine lebenslange Phenylalanin-kontrollierte Kost erforderlich macht.
Der Anbau und die Kultivierung von Mikroalgen sind einfach, da sie anspruchslos sind. Nach der Ernte werden sie getrocknet und zu Pulver oder Flocken verarbeitet. Die größte Algenfarm in Deutschland ist in Sachsen-Anhalt (Klötze in der Altmark). Hier werden Mikroalgen für Nahrungsergänzungs- und Futtermittel sowie die Kosmetikindustrie produziert (30 bis 50 Tonnen Algenpulver/Jahr).
Um sicherzustellen, dass die Qualität gleichbleibend ist, wendet beispielweise der Ökoverband Naturland eigene Richtlinien für die ökologische Aquakultur von Spirulina und Chlorella an. Durch ein entsprechendes Logo, das Naturland-Zeichen, kann der Verbraucher sicher sein, dass diese Richtlinien auch eingehalten werden. Eine Herstellung in Aquakultur unter kontrollierten Bedingungen verhindert die Anreicherung von Schadstoffen wie Schwermetallen (Cadmium, Blei, Quecksilber und Arsen). Aber auch Verunreinigungen mit Darmbakterien über Vogelkot und Kleinstlebewesen wie Wasserflöhe werden so ausgeschlossen.
Generell sollten Verbraucher das Nahrungsergänzungsmittel möglichst aus deutscher Produktion beziehen, da asiatische Importprodukte häufig radioaktiv bestrahlt werden. Durch diese Behandlung, die in Deutschland laut Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) verboten ist, werden Lebensmittel haltbar gemacht und eventuell enthaltene Krankheitserreger reduziert. Darüber hinaus gelten seit 2015 laut EU-Verordnung Höchstwerte für polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK) in Nahrungsergänzungsmitteln mit Spirulina, da diese krebserregend sind.
Aus Spirulina wird ein intensiv blauer Farbstoff gewonnen, der einzige, der natürlich vorkommt und schon seit dem Jahr 2000 eingesetzt wird: Spirulina Blau. Bis dahin gab es nur die Möglichkeit, einen künstlichen blauen Farbstoff einzusetzen, das Brillantblau FCF, das auch unter der E-Nummer 133 bekannt ist. In der EU gilt Spirulina als färbendes Lebensmittel und musste deshalb nicht gesondert zugelassen werden.
Um 1 Gramm Spirulina Blau zu gewinnen, müssen 50 bis 60 Gramm des Bakteriums verarbeitet werden. Die Farbe ist sehr ergiebig, zum Färben von Lebensmitteln reicht bereits eine Messerspitze des Pulvers aus. So kann man beispielsweise blaues Eis, blaue Getränke wie Blue Curacao oder auch blaue, essbare Gummitiere herstellen. Aber nicht für jedes Lebensmittel ist Spirulina Blau geeignet: Bei sauren Lebensmitteln hält die Farbe nicht und verblasst zudem, wenn Lebensmittel über 70 °C erhitzt werden. In Kombination mit Saflor (Färberdistel) kann eine Grünfärbung erzielt werden.