Spritze zur HIV-Prophylaxe vielversprechend |
Am 1. Dezember ist Welt-Aids-Tag. / © Getty Images/Boris Zhitkov
Als Depotspritze schützt Lenacapavir anhaltend vor einer Infektion mit HIV. Die Wirksamkeit bestätigen Daten der zulassungsrelevanten Phase-3-Studie »Purpose 2«, die im »New England Journal of Medicine« (NEJM) erschienen sind. Mit Lenacapavir sei ein echter Durchbruch gelungen, lobte Astrid Berner-Rodoreda vom Universitätsklinikum Heidelberg.
Wie schon bei der Vorgängerstudie »Purpose 1« wurde die Auswertung aufgrund der vielversprechenden Ergebnisse vorzeitig beendet, um das Medikament allen Probanden und Probandinnen zur Verfügung stellen zu können, wie es vom Hersteller Gilead hieß. Für Lenacapavir soll nun die Zulassung als HIV-Prophylaxe in zahlreichen Ländern beantragt werden.
Lenacapavir ist in der EU bereits zur Behandlung bestimmter Patienten zugelassen, die mit HIV infiziert sind. In Deutschland wurde das Medikament bisher nicht auf den Markt gebracht. Ob es als vorbeugendes Mittel hierzulande erhältlich sein wird, sei unklar, sagte Berner-Rodoreda. Von großer Bedeutung sei es aber ohnehin vor allem für andere Länder, etwa für Frauen in Afrika südlich der Sahara.
Bisher verwendete Mittel zur HIV-Präexpositionsprophylaxe (PrEP) wie Emtricitabin/Tenofovir (Original Truvada®) werden täglich als Tablette eingenommen. Die subkutane Gabe von Lenacapavir erfolgt hingegen etwa alle sechs Monate. Dies sei wesentlich komfortabler als täglich an die Einnahme einer Tablette denken zu müssen, sagte Berner-Rodoreda.
Hinzu komme ein bestimmter Effekt: Gerade in einigen stark von HIV betroffenen Ländern gebe es bei der täglichen Einnahme von Tabletten das Risiko, im Umfeld als vermeintlich HIV-positiv abgestempelt zu werden. Eine nur zweimal jährlich verabreichte Spritze lasse sich weitaus besser geheim halten. Darum stehe außer Frage, dass Lenacapavir eine »Riesenerleichterung« für viele Menschen darstelle.
»Purpose 2« umfasste knapp 3300 HIV-negative Menschen, die sexuell aktiv waren. In der Lenacapavir-Gruppe (circa 2200 Probanden) infizierten sich zwei Personen mit HIV, in der Emtricitabin/Tenofovir-Gruppe (circa 1100 Probanden) waren es neun Personen, wie es im Fachjournal heißt. Lenacapavir reduzierte das Infektionsrisiko damit um 96 Prozent gegenüber der Hintergrundinzidenz. Vertragen wurden beide Mittel im Allgemeinen gut.
Die Ergebnisse der Phase-III-Studie »Purpose 1« waren bereits im Juli 2024 auf der Welt-Aids-Konferenz in München vorgestellt worden. Daran waren rund 5300 HIV-negative Mädchen und junge Frauen in Südafrika und Uganda beteiligt. Bei den gut 2100 Teilnehmerinnen, die zwei Mal im Jahr Lenacapavir gespritzt bekamen, gab es keine Infektion. In Kontrollgruppen mit rund 3200 Teilnehmerinnen, die andere Medikamente zur Prävention eingenommen hatten, gab es 55 HIV-Infektionen.
Das Mittel soll nun zur Prophylaxe für Menschen mit einem hohen HIV-Infektionsrisiko zugelassen werden. Es hemmt den Lebenszyklus des Virus in mehreren Stadien der Infektion. Von der Effizienz her sei Lenacapavir mit Truvada vergleichbar, erklärte Max von Kleist von der Freien Universität Berlin. Beide Arzneimittel böten einen hervorragenden, nahezu kompletten Schutz.
In den »Purpose«-Studien wirke es zwar so, als gebe es in den mit Tabletten versorgten Kontrollgruppen anteilig einige Infektionen mehr – die Daten täuschten aber, erläuterte der Leiter der Forschungsgruppe »Mathematics for Data Science«. Vielfach seien die Tabletten nicht regelmäßig oder gerade zum Ende des Untersuchungszeitraums auch gar nicht mehr genommen worden. Dass es dann zu Infektionen komme, verwundere nicht.