Stäbchen beim Ohrenreinigen tabu |
Barbara Döring |
31.08.2023 15:00 Uhr |
Saubere Ohren? Bei der Reinigung ist weniger mehr. / Foto: Getty Images/Westend61
Es ist ein klebriger, gelblicher Schmierfilm – für viele ist die Vorstellung von Ohrenschmalz im Gehörgang wenig appetitlich und sie empfinden es als Mangel an Hygiene, nicht regelmäßig mit dem Ohrenstäbchen dagegen vorzugehen. Warum genau davon abzuraten ist und wie sich die Ohren auf sanfte Weise reinigen lassen.
Ohrenschmalz – medizinisch Cerumen, von altgriechisch Kēroma = Wachssalbe – ist ein klebriges, wachsartiges Sekret aus Fett und anderen Stoffen, das von den Gehörgangdrüsen gebildet wird. Es ist kein Schmutz, sondern erfüllt wichtige Funktionen, um das Ohr gesund zu halten. Das Schmalz fettet die Haut im Gehörgang und hält sie so geschmeidig. Zudem erhält es das saure Milieu des Säureschutzmantels der Haut, das Bakterien und Pilze abhält. Der wasserabweisende Schmierfilm verhindert, dass die Haut aufquillt und für Erreger anfällig wird.
Ohrenschmalz dient auch zur Selbstreinigung des Gehörgangs, indem es Schmutzpartikel umhüllt und nach außen befördert. Die Bewegung des Unterkiefers beim Sprechen oder Kauen hilft dabei, die zähe Substanz hinauszuschieben.
Beim Versuch, den Gehörgang mit Wattestäbchen oder ähnlichen Gegenständen zu reinigen, entstehen mikrofeine Verletzungen der Haut und das schützende saure Milieu wird gestört. Die Haut wird anfällig für Krankheitserreger. Ohne den schützenden Schmierfilm weicht die Haut beim Baden zudem schneller auf. Pilze und Bakterien haben leichtes Spiel einzudringen und können schmerzhafte Entzündungen und juckende Ekzeme verursachen. Zudem wird Ohrenschmalz mit einem Wattestäbchen leicht noch tiefer in den Gehörgang geschoben, oft bis ans Trommelfell, wo es eintrocknet und einen festen Pfropf bildet. Dadurch wird unter Umständen sogar das Hörvermögen beeinträchtigt.
Auch das Trommelfell selbst kann durch ein Wattestäbchen verletzt werden. Wer gar nicht von Wattestäbchen lassen will, sollte zumindest auf spezielle Stäbchen für Babys zurückgreifen. Bei ihnen ist die Watte so verdickt, dass sie erst gar nicht in den Gehörgang gelangen können. So wird nur der äußere Ohrbereich gereinigt.
Normalerweise ist das nicht nötig, denn die Ohren reinigen sich selbst. Dafür sind die feinen Flimmerhärchen im Gehörgang rund um die Uhr aktiv und befördern überschüssiges Ohrenschmalz, Hautschuppen und Schmutzpartikel in Richtung Ohrmuschel. Um dieses zu entfernen, reicht es aus, die Ohrmuschel bis zum Gehörgang mit einem feuchten Waschlappen oder Wattepad abzuwischen. Wer mag, der kann auch unter der Dusche etwas warmes Wasser ins Ohr laufen lassen und danach die Ohrmuschel mit einem Handtuch abtrocknen. Seifenlauge oder Shampoo sollte dabei nicht in den Gehörgang gelangen.
Bleibt nach dem Duschen, Baden oder Schwimmen Wasser im Gehörgang zurück, sollte es entfernt werden, damit die Haut nicht aufweicht. Bei Kindern empfiehlt es sich, auch die Haut hinter den Ohren regelmäßig zu reinigen und gut abzutrocknen, um Entzündungen vorzubeugen.
Manchmal bleibt nach dem Duschen oder Schwimmen Wasser im Ohr zurück, dass nicht gleich wieder aus dem Gehörgang herausfließen will. Es wird nicht nur als unangenehm empfunden, sondern kann auch die Haut aufweichen oder Bakterien beherbergen, die zu Entzündungen führen. Zudem kann das Hörvermögen beeinträchtigt sein. Das Wasser lässt sich am besten entfernen, indem man die flache Hand auf das betroffene Ohr presst und dann wieder loslässt, empfehlen HNO-Ärzte. So entsteht ein Unterdruck, der das Wasser aus dem Gehörgang saugt. Auch den Kopf zur Seite neigen oder hüpfen kann helfen.
Direkt nach dem Kontakt mit Wasser empfiehlt es sich, die Gehörgänge nicht sofort, zum Beispiel mit In-Ear-Kopfhörern, Ohrenstöpseln oder Hörgeräten, zu verschließen, damit sie erst einmal trocknen können und keine Feuchtigkeit zurückbleibt.
Wie viel Ohrenschmalz die Drüsen bilden, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Im Alter ändert sich zudem die Zusammensetzung des Sekrets, sodass es oft trockener ist und nicht mehr so gut hinausbefördert wird. Das kann auch der Fall sein, wenn Hörgeräte getragen oder häufig In-Ear-Kopfhörer genutzt werden. Bilden die Gehörgangdrüsen übermäßig viel Ohrenschmalz, kann sich ein fester Pfropf bilden, der sich mitunter am Trommelfell festsetzt. Bewegt er sich hin und her, wird er oft als unangenehmer Fremdkörper wahrgenommen.
Betroffene sollten dann einen HNO-Arzt aufsuchen, um den Pfropf entfernen zu lassen. Das eingetrocknete Schmalz kann auch die Ursache sein, wenn das Hörvermögen beeinträchtigt ist. Wird es entfernt, kann sich die Hörleistung um bis zu 10 Dezibel verbessern. Durch den Pfropf droht zudem eine Entzündung des Gehörgangs mit Schmerzen und Juckreiz.
Wenn sich übermäßig viel Ohrenschmalz bildet, ist ebenfalls vom Gebrauch von Ohrenstäbchen abzuraten. Die Ohren sollten dann am besten regelmäßig von einem HNO-Arzt gereinigt werden. Wer es zu Hause probieren will, nutzt dafür sogenannte Cerumenolytika. Die Ohrentropfen oder Reinigungssprays weichen mithilfe von Alkohol und Glycerol (zum Beispiel Otowaxol®) oder Meerwasserlösung (zum Beispiel Audispray®) das Ohrenschmalz auf, sodass es besser abfließen kann. Während die Tropfen fünf bis zehn Minuten einwirken, wird der Gehörgang mit Watte verschlossen. Das aufgeweichte Schmalz wird dann zum Beispiel mit einer ballonförmigen Ohrenspritze, in die lauwarmes Wasser gefüllt wird, ausgespült. Sie sollte nicht zu tief in den Gehörgang eingeführt und durch sanften Druck entleert werden. Noch im zusammengedrückten Zustand wird sie wieder aus dem Gehörgang entfernt, sodass kein Unterdruck entsteht. Bei Reinigungssprays verhindert ein spezieller Sprühknopf Überdruck am Trommelfell.
Als Hausmittel eignen sich zum Aufweichen erwärmtes Mandel- oder Olivenöl. Von der Verwendung von Ohrenkerzen aus der Alternativmedizin wird abgeraten, da sie zu ernsthaften Verletzungen führen können.
Bevor der Arzt Ohrenschmalz oder einen Pfropf im Ohr entfernt, wird er den Gehörgang mit einem Otoskop genau begutachten. Zur Reinigung nutzt er in der Regel eine stumpfe Kürette oder einen Haken, manchmal auch eine Saugspritze. Eine Ohrspülung mit warmem Wasser oder einer Lösung mit Wasserstoffperoxid kommt dann infrage, wenn keine Infektion oder Entzündung vorliegt und das Trommelfell intakt ist. Sonst könnte die Flüssigkeit ins Innenohr gelangen und eine Otitis media begünstigen.
Viele Kinder bilden zu viel Ohrenschmalz. Doch auch hier sind Ohrenstäbchen tabu. Erst recht, weil Kinder oft nicht stillhalten können und so schnell Verletzungen durch ruckartige Bewegungen entstehen. Kinderärzte raten Eltern, das Ohrenschmalz der Kinder regelmäßig vom HNO-Arzt entfernen zu lassen. Sammelt sich zu viel Cerumen an, kann es das Hörvermögen beeinträchtigen. Zudem erschwert übermäßig viel Drüsensekret bei der Vorsorgeuntersuchung dem Kinderarzt den Blick ins Ohr. Je nachdem, wie stark die Sekretproduktion ist, wird der HNO-Arzt alle drei bis zwölf Monate die Ohren reinigen.
Zwischendurch reicht es, die Ohren maximal bis zum Anfang des Gehörgangs mit einem Waschlappen und warmem Wasser zu säubern. Nicht selten geraten bei Kindern Fremdkörper wie Perlen in den Gehörgang. Sie bleiben oft unbemerkt, bis sie eine Entzündung verursachen. Der Arzt kann sie in den meisten Fällen problemlos mit einer speziellen Zange entfernen. Hat sich ein lebendes Insekt ins Ohr verirrt, wird er es mit einem Betäubungsmittel oder Alkohol betäuben und kann es dann mit einer Pinzette fassen.