Startprobleme beim E-Rezept |
Patienten können ihr E-Rezept über die elektronische Gesundheitskarte sowie alternativ über die E-Rezept-App oder einen Papierausdruck einlösen. / Foto: ABDA
Seit Januar 2024 müssen Ärzte Rezepte digital ausstellen. Was lange geplant war, verlief trotzdem nicht ohne Startschwierigkeiten. Kurz nach dem Start meldete die Gematik Störungen beim Einlösen von E-Rezepten über die Gematik-App, gleich mehrere Ausfälle wurden bekannt.
Die meisten Probleme mit E-Rezepten, die die Apotheken belasteten und belasten, sind allerdings nicht technischer Natur, sondern entstehen beim Ausstellen der Verordnungen. Der Apothekerverband Nordrhein (AVNR) wandte sich deshalb an die Kassenärztliche Vereinigung Nordrhein (KVNO) und sprach die größten Schmerzpunkte direkt an.
Einer davon ist zum Beispiel eine fehlende Berufsbezeichnung auf dem E-Rezept – ein Retaxgrund. Und wenn die Berufsbezeichnung händisch eingetragen ist, kann es zu uneindeutigen Angaben kommen. Die Apotheken haben laut Auffassung des GKV-Spitzenverbands eine Prüfpflicht, ob die Berufsbezeichnung korrekt eingetragen ist. Allerdings hatte die ABDA unlängst insofern Entwarnung gegeben, als es auf den Wortlaut nicht ankomme, sofern eine »sinnhafte« Bezeichnung gegeben ist. Stehe dort etwa statt »Facharzt für Allgemeinmedizin« zum Beispiel die Bezeichnung »Allgemeinmedizin«, bestehe keine Retaxgefahr. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) drängt hier auf eine Vorauswahl ohne Freitextfeld. Der AVNR bittet die Ärzteschaft, die Felder bis dahin eindeutig auszufüllen.
Der zweite Aspekt betrifft die Stapelsignatur. Es gibt offenbar etliche Arztpraxen, die erst mittags die Rezepte vom Vormittag und abends die Rezepte vom Nachmittag signieren. Das führt regelmäßig dazu, dass die E-Rezepte in der Apotheke nicht abgerufen werden können, wenn der Patient direkt nach dem Arztbesuch eine Apotheke aufsucht. Punkt drei aus Sicht des AVNR ist die »Falsche Verordnung«. Manche Ärzte würden Pharmazentralnummern (PZN) aufschreiben, die für Krankenhauspackungen gedacht sind, sogenannte »Jumbopackungen« ohne N-Bezeichnung. Diese seien aber für eine Apotheke vor Ort nicht abrechenbar, sodass eine neue Verordnung erforderlich sei, warnt der AVNR.
Bei Rezepturen würden im Freitext für Zusammensetzung, Diagnose und Dosierung regelmäßig mehrere Token verwendet. Auch solche Rezepte seien dann nicht abrechenbar, da die Verwendung mehrerer Token in einem Rezept nicht möglich ist. Auch in diesen Fällen muss eine neue Verordnung ausgestellt werden.
Die Befreiungen der Versicherten werden laut AVNR überwiegend nicht beachtet. »Eine Änderung im Computersystem ist zwar grundsätzlich möglich, aber unverhältnismäßig im Aufwand bei der Apotheke, da durch das Ändern des Token ein ganz neuer Datensatz produziert wird mit der Folge, dass das Rezept noch einmal komplett inhaltlich überprüft werden muss«, so die Kritik. Und schließlich weist der Verband darauf hin, dass Freitextverordnungen »sehr fehleranfällig« seien und generell zu Schwierigkeiten in der Belieferung führten.
Aus Sicht des AVNR kann es nicht sein, dass die Apotheken »im dauernden Spagat zwischen falsch ausgestellten E-Rezepten und dem gleichzeitigen Sicherstellungsauftrag der Arzneimittelversorgung keinen Retaxschutz und in vielen Punkten keine hinreichende Rechtssicherheit haben«. Bis zur Etablierung eines Referenzvalidators und einer einwandfreien Datenqualität der E-Rezepte müsse es eine Friedenspflicht beim Handling von E-Rezepten geben. Und: »Die Kosten für den aktuellen personellen und organisatorischen Mehraufwand müssen den Apotheken erstattet werden«, so der AVNR.
Am 4. und 5. Januar hatte der AVNR eine Blitzumfrage gestartet, an der sich etwa 450 Apotheken beteiligten, also rund 25 Prozent der Mitgliedsapotheken des Verbands. Laut der Umfrage verursachte jedes fünfte E-Rezept in den ersten Tagen erhebliche Probleme. Der AVNR-Vorsitzende Thomas Preis wies auf die verschiedenen Fehlerquellen hin: In vielen Fällen seien E-Rezepte nicht korrekt in der Arztpraxis ausgestellt worden. Hinzu kämen Serverprobleme außerhalb des Apothekenbereichs, etwa bei Krankenkassen. In einem kleinen Teil der Problemfälle sei die Apothekensoftware der Verursacher der Verarbeitungsschwierigkeiten.
Mehr als 80 Prozent der E-Rezepte wurden laut Umfrage über die EGK eingelöst, 20 Prozent erfolgten mit Papierausdruck. Die Gematik-App sei in 1 Prozent der vorgelegten E-Rezept-Fälle genutzt worden. Nach Schulnoten bewerteten die befragten Apotheker das E-Rezept eher durchschnittlich mit einer Drei minus.
Ohne Probleme ging es auch in den Arztpraxen nicht zu: Jede dritte hatte Schwierigkeiten mit der digitalen Verordnung, wie eine Umfrage des Ärztenachrichtendienstes (änd) herausfand, an der sich laut änd innerhalb von 24 Stunden mehr als 900 Ärztinnen und Ärzte beteiligt hatten. 42 Prozent berichteten demnach »von kleineren technischen Schwierigkeiten«, 32 Prozent hatten mit großen Problemen zu kämpfen. Allerdings gab auch etwas mehr als ein Viertel (26 Prozent) an, dass es keine Probleme gegeben habe.
Dass viele Patientinnen und Patienten zu wenig über das E-Rezept wüssten, bemängelte der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dirk Heinrich. Er sagte der PZ, dies sei ein Versäumnis der Kassen. Für die technischen Probleme zum E-Rezept-Start müssten im Übrigen sowohl die Gematik als auch die Hersteller von Praxisverwaltungssystemen (PVS) finanziell zur Verantwortung gezogen werden, so Heinrich.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach zeigte sich unterdessen überzeugt, dass sich die Startschwierigkeiten beim E-Rezept schnell erledigen werden. »Wir haben das jetzt millionenfach eingesetzt und es funktioniert«, sagte Lauterbach in einem Interview mit dem ZDF-»Morgenmagazin«. Der Bundesgesundheitsminister betonte: »Es wird ein paar Wochen dauern, bis sich das zurechtgeruckelt hat. Aber die ganze Technik fürs E-Rezept steht ja.«
Das Papier-Rezept ist ein Auslaufmodell. Mit dem E-Rezept sollen alle Arzneimittel-Verordnungen über die Telematikinfrastruktur abgewickelt werden. Wir berichten über alle Entwicklungen bei der Einführung des E-Rezeptes. Eine Übersicht über unsere Berichterstattung finden Sie auf der Themenseite E-Rezept.