Lange Zeit unterschätzt, feiert die Steckrübe ein Revival sogar in der gehobenen Gastronomie. / © Getty Images/ Wirestock
Im Winter ist die Gemüsevielfalt nicht allzu groß. Für mehr Abwechslung lohnt sich ein Blick auf fast vergessene Sorten wie die Steckrübe, erkennbar an ihrer rauen gelblichen oder weißen, stellenweise auch violett gefärbten Schale. Als geschmackliche Alternative zu gängigen Wintergemüsen passt sie besonders gut in eine pflanzenbetonte Ernährung. Mit ihrem tiefgelben Fruchtfleisch und dem mild-nussigen Aroma punktet die Knolle nicht nur aus ernährungsphysiologischer Sicht, sondern auch mit einem außergewöhnlichen Geschmack. Praktisch ist zudem ihre lange Lagerfähigkeit. Damit zeigt sie, dass einfache Zutaten oft das größte Potenzial bergen.
Die Steckrübe (Brassica napus subsp. rapifera) gehört zur Familie der Kreuzblütler und gilt als typisches Wintergemüse mit nordischer Herkunft. Ihre Geschichte in Deutschland ist eng mit Not- und Kriegszeiten verknüpft – insbesondere mit dem sogenannten »Steckrübenwinter« 1916/17. Als damals die Kartoffelernte fast vollständig ausfiel, wurde die Rübe zur lebenswichtigen Nahrungsquelle. In der Nachkriegszeit versuchte man sogar das etwas angeschlagene Image durch fantasievolle Marketingnamen wie »Ostpreußische Ananas« oder »Mecklenburger Mango« aufzupolieren – ein heute amüsant wirkender Versuch, der Rübe neuen Glanz zu verleihen.
Lange galt sie dennoch als »Arme-Leute-Essen«. Erst in den letzten Jahren erlebt sie, befeuert durch den Trend zu regionaler, saisonaler und nachhaltiger Ernährung, ein echtes Revival: Selbst Spitzenköche greifen die Steckrübe wieder auf, interpretieren klassische Rezepte neu und zeigen, dass aus der bescheidenen Knolle feine, aromatische Gerichte entstehen können. Die auch als Kohlrüben bekannten Steckrüben wachsen vor allem im Norden und Nordosten Deutschlands, wo das Klima kühl und die Böden schwer und feucht sind. Besonders Schleswig-Holstein, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen gelten als klassische Anbaugebiete, auch in Brandenburg und Nordhessen setzen Bauern auf die robuste Knolle. Dank ihrer Kälteresistenz und Feuchtigkeitsliebe fühlt sie sich in diesen Regionen besonders wohl.
Das Nährwertprofil der Steckrübe hat einiges zu bieten. Mit einem Wasseranteil von über 85 Prozent ist sie ausgesprochen kalorienarm und passt mit rund 37 Kilokalorien pro 100 Gramm mühelos in eine figurbewusste, pflanzenbetonte Ernährung. Neben dieser leichten Basis liefert sie zugleich eine beachtliche Palette an Mikronährstoffen: Mit 20 Milligramm Vitamin C pro 100 Gramm ist die Steckrübe ein kleiner Immunbooster. Sie kommt den Abwehrkräften zugute und wirkt als Antioxidans. Eine Portion von rund 200 Gramm deckt fast die Hälfte des täglichen Vitamin-C-Bedarfs eines Erwachsenen. Vitamin B2 (Riboflavin) unterstützt den Energiestoffwechsel, Beta-Carotin – als Vorstufe von Vitamin A – trägt zur Zellneubildung und Sehkraft bei. Ergänzend liefern Mineralstoffe wie Kalium, Kalzium und Magnesium wichtige Bausteine für Nerven-, Muskel- und Knochenstoffwechsel.
Besonders spannend ist die Steckrübe aus phytochemischer Sicht. Als Mitglied der Kreuzblütler-Familie enthält sie Glucosinolate, die beim Schneiden und Kauen durch das Enzym Myrosinase in Senföle (Isothiocyanate) umgewandelt werden. Die schwefelhaltigen Verbindungen sind für den typischen, leicht scharfen Geschmack der rohen Steckrübe verantwortlich. Studien zeigen, dass Senföle antimikrobiell wirken, die Schleimhäute durchbluten und die Sekretbildung – etwa in den Atemwegen und im Verdauungstrakt – anregen können. Im Vergleich zu vielen anderen Gemüsesorten wie Karotten oder Sellerie enthält die Steckrübe beachtliche Mengen dieser bioaktiven Verbindungen.
Im Vergleich zu Rettich und anderen schärferen Kreuzblütlern ist ihr Senfölgehalt jedoch geringer, sodass sie im Geschmack weniger scharf ist und auch für jene gut verträglich ist, die Schärfe nicht so gut vertragen. Damit ist die Kohlrübe in der kalten Jahreszeit, wenn frische Lebensmittel rar sind, eine wertvolle und preiswerte Quelle pflanzlicher Schutzstoffe. Steckrüben sind pflegeleicht sowie robust und so auch ideal für den Anbau im eigenen Garten geeignet. Sie gedeihen am besten an sonnigen bis halbschattigen Standorten mit tiefgründigem, humusreichem und gleichmäßig feuchtem Boden.
Die Aussaat erfolgt zwischen Mai und Juli direkt ins Beet. Regelmäßiges Gießen sorgt für zartes, saftiges Fleisch, bei Trockenheit werden die Rüben schnell holzig. Als Kreuzblütler sollte man Steckrüben nicht direkt nach Kohl oder Rettich anbauen. Eine Pause fürs Beet von drei bis vier Jahren schützt die Pflanze vor Krankheiten. Die Steckrübe wächst halb im Boden, halb darüber. Ihre essbare Knolle bildet sich aus der Verdickung des unteren Stängels und der oberen Wurzel. Ernte ist von Oktober bis November, späte Sorten vertragen sogar leichten Frost und lassen sich gut einlagern.
Beim Einkauf lohnt sich der Griff zu kleineren bis mittelgroßen Rüben, da sie meist zarter und aromatischer sind als große Exemplare. Die Schale sollte glatt, fest und frei von Rissen oder weichen Stellen sein, die Farbe gleichmäßig goldgelb. Ein leicht süßlich-erdiger Duft ist ein weiteres Zeichen für Frische. Dank ihrer natürlichen Robustheit lassen sich Steckrüben hervorragend lagern: An einem kühlen, dunklen Ort – etwa im Keller oder Gemüsefach – bleiben sie mehrere Wochen frisch. Bereits angeschnittene Stücke bewahrt man am besten in Bienenwachsfolie oder einer Frischhaltebox im Kühlschrank auf und verbraucht sie innerhalb weniger Tage.
Vor der Zubereitung wird die Rübe geschält und in Stücke geschnitten. Ihr mild-nussiges Aroma harmoniert besonders gut mit kräftigen Begleitern wie Zwiebeln, Lauch, Äpfeln oder wärmenden Gewürzen wie Muskat, Kümmel oder Curry. Ein besonders aromatisches Beispiel ist eine cremige Steckrüben-Kokos-Suppe mit Ingwer und Apfel (siehe Rezept). Durch unterschiedliche Garmethoden lässt sich der Geschmack zudem variieren: Kurz gegart bleibt sie angenehm bissfest und leicht süßlich, länger gekocht entwickelt sie eine feine, buttrige Note. Auch in Pürees, Aufläufen, Pfannengerichten, Bowls oder Suppen zeigt sie ihre Vielseitigkeit und sorgt für wohltuend winterliche Aromen.

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Zubereitung (für 4 Personen):
Etwa 600 g Steckrüben, einen säuerlichen Apfel (zum Beispiel Boskop), eine Zwiebel und ein Stück frischen Ingwer (circa 2 cm) schälen, klein schneiden und in einem Topf mit einem Esslöffel Rapsöl andünsten. Anschließend 500 ml Gemüsebrühe angießen und das Ganze 15 bis 20 Minuten weichkochen. Danach die Suppe mit 200 ml Kokosmilch verfeinern, pürieren und mit Salz, Pfeffer und einer Prise Muskat abschmecken.
Zum Servieren mit frischem Koriander oder Petersilie garnieren. Wer mag, kann die Suppe mit einer Prise Curry oder Kurkuma veredeln oder mit gerösteten Kürbiskernen bestreuen – so wird aus der bodenständigen Knolle im Handumdrehen ein feines Wintergericht mit exotischer Note.