Stillen liefert Nährwerte und Nähe |
Stillen hat für die Gesundheit des Säuglings zahlreiche Vorteile – und es erleichtert auch das Bonding nach der Geburt und fördert eine enge Mutter-Kind-Beziehung. / Foto: Adobe Stock/Anastasia Stagaylo
Muttermilch ist exakt auf die individuellen Bedürfnisse des Kindes abgestimmt und deckt im ersten Lebenshalbjahr den Bedarf an Nährstoffen und Flüssigkeit vollständig ab. Sie ist dafür ständig im Wandel und verändert sich während einer Mahlzeit, von Mahlzeit zu Mahlzeit sowie im Laufe der kindlichen Entwicklung. Muttermilch enthält Abwehrstoffe wie Antikörper und Zellen des mütterlichen Immunsystems, weshalb Stillkinder seltener von Erkältungen, Durchfallerkrankungen und Mittelohrentzündungen sowie schweren Infektionen, die einen Krankenhausaufenthalt erforderlich machen, betroffen sind. Studien belegen, dass dieser Schutz besonders im ersten Lebensjahr besteht. In Industriestaaten konnte die schützende Wirkung gegen Mittelohrentzündungen bis zum Alter von zwei Jahren nachgewiesen werden.
Stillen beugt der Ausbildung von Allergien vor, sodass diese erst später, in abgeschwächter Form oder gar nicht auftreten. Dies liegt vor allem daran, dass der Kontakt mit »artfremden« Proteinen erst mit der Beikosteinführung erfolgt, wenn der Organismus ausgereifter ist. Stillkinder besitzen im späteren Leben einen Schutzfaktor vor Adipositas, unmittelbar nach der Geburt wirkt sich der intensive Hautkontakt positiv auf Herzfrequenz, Atmung und Temperatur des Babys aus und hält sie konstant.
Beim Trinken an der Brust stillen Kinder nicht nur ihren Hunger. Sie trainieren gleichzeitig die Kiefer-, Gesichts-, Kopf- und Halsmuskulatur. Das Risiko von Zahnfehlstellungen ist verringert und Zahnkorrekturen sind seltener notwendig, wenn Kinder bis in das Kleinkindalter hinein gestillt werden. Zudem wird durch den Seitenwechsel beim Stillen die Augen-Hand-Koordination der Kinder gefördert.
Die meisten Schwangeren kennen zumindest einen Teil der positiven Effekte, die das Stillen für Kinder hat, und möchten unbedingt stillen. Dass dieser Entschluss auch für sie selbst gesundheitliche Vorteile bringt, steht oft weniger im Fokus. Es ist jedoch nicht zu vernachlässigen, dass häufiges Anlegen nach der Geburt die Rückbildung der Gebärmutter unterstützt und die Stärke sowie Dauer des Wochenflusses reduziert, wodurch das Anämierisiko sinkt. Langfristig ist das Risiko, vor der Menopause an Brustkrebs zu erkranken ebenso wie das Risiko für Krebserkrankungen der Eierstöcke und der Gebärmutterschleimhaut reduziert. Stillen wirkt der Entwicklung eines Typ-2-Diabetes und Bluthochdrucks entgegen. Die Gewichtsabnahme nach der Geburt wird bei vielen Frauen durch das Stillen erleichtert. Nach dem Abstillen wird vermehrt Calcium in die Knochen eingelagert, wodurch das Osteoporoserisiko abnimmt.
Stillen hat für die Gesundheit des Säuglings zahlreiche Vorteile – es unterstützt sein Immunsystem und fördert eine enge Eltern-Kind-Beziehung. / Foto: Adobe Stock/Marc Calleja
Neben den gesundheitlichen Vorteilen hat das Stillen wichtige emotionale Auswirkungen auf Mutter und Kind. So wird das Bonding nach der Geburt erleichtert und der Aufbau einer engen Mutter-Kind-Beziehung gefördert. Die Freisetzung der Hormone Oxytocin und Prolaktin wirkt entspannend, fördert die Geduld und erhöht das Bedürfnis, das Baby zu umsorgen. Mütter lernen dadurch sehr schnell, die Bedürfnisse des Kindes wahrzunehmen und entsprechend zu reagieren, was wiederum maßgeblich zur Entspannung des Babys beiträgt.
Und nicht zuletzt hat Stillen ganz klar auch praktische Gründe. Muttermilch ist unabhängig von Wasser, Strom, Aufenthaltsort oder Tageszeit immer verfügbar, hygienisch einwandfrei, richtig temperiert und dosiert. Und es ermöglicht den Müttern kleine Ruhepausen im anstrengenden Alltag, in denen die Konzentration ausschließlich auf sich selbst und das Baby gerichtet sein kann.
Nach Angaben der Nationalen Stillkommission am Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) werden in Deutschland 90 Prozent der Neugeborenen nach der Geburt ausschließlich gestillt. Die WHO empfiehlt, dies für die ersten sechs Lebensmonate beizubehalten, die Nationale Stillkommission rät zu vier bis sechs Monaten. Anschließend folgen Beikosteinführung und Teilstillen bis zu einem Alter von zwei Jahren oder darüber hinaus.
Eine Obergrenze gibt es nicht, so lange Mutter und Kind das Stillen positiv empfinden. Das natürliche Abstillalter liegt zwischen einem und fünf Jahren mit einem Häufigkeitsgipfel um den dritten Geburtstag.
Laut der bundesweiten Querschnittsstudie zur Erhebung von Daten zum Stillen und zur Säuglingsernährung in Deutschland (SuSe-II) werden hierzulande 56 Prozent der Säuglinge im Alter von vier Monaten noch ausschließlich gestillt. Das empfohlene Teilstillen praktizieren am Ende des ersten Lebensjahres noch 41 Prozent der Mütter.
Wenn Mütter vorzeitig abstillen, sind dafür vor allem Probleme beim Stillen verantwortlich. 62 Prozent der in SuSe-II befragten Frauen berichteten von wunden Brustwarzen, 45 Prozent erlebten Trinkschwierigkeiten beim Kind. Als wichtigsten Grund für eine Stilldauer unter vier Monaten nannten die Mütter eine unzureichende Milchmenge. Hierbei handelt es sich allerdings häufig um eine Fehleinschätzung.
Viele Babys fordern am Abend oder während Entwicklungsschüben sehr kurze Stillabstände. Experten sprechen von Clusterfeeding, ein ganz natürliches Verhalten, das nichts damit zu tun hat, dass das Kind nicht satt wird. Ein Neugeborenes, das nach Bedarf gestillt wird, fünf bis sechs nasse Windeln pro Tag hat und in den ersten zwei Lebensmonaten mindestens 170 g pro Woche zunimmt, ist ausreichend ernährt. Im dritten und vierten Lebensmonat geht die Gewichtszunahme auf mindestens 110 g pro Woche zurück. Zu beachten ist: Die Gewichtszunahme wird immer vom niedrigsten Gewicht nach der Geburt aus berechnet und nicht vom Geburtsgewicht.
Wunde, rissige oder blutige Brustwarzen treten vor allem in der ersten Zeit nach der Geburt auf. Dies liegt in erster Linie an der ungewohnten Belastung für die empfindliche Haut der Brustwarze, die sich erst langsam an das Saugen gewöhnen muss. Dazu kann eine nicht optimale Anlegetechnik kommen, bei der das Baby die Brust nicht richtig fassen kann. Hier können Hebammen und Stillberaterinnen helfen.
Den Heilungsprozess der Haut können Frauen mit hochgereinigtem Lanolin unterstützen, das vorsichtig auf die Brustwarze aufgetragen wird und vor dem nächsten Stillen nicht entfernt werden muss. Gleichzeitig schmerzlindernd wirken kühlende Hydrogel-Kompressen wie Multi-Mam® Kompressen oder Medela® Hydrogel Pads, die nach dem Stillen auf die Brustwarze aufgelegt werden. Um Brustwarzen vor weiteren Reizungen durch Kleidung zu schützen, können PTA und Apotheker etwa einen Brustwarzenschutz (zum Beispiel Elanee® Brust Ring aus Schaumstoff oder Medela® Brustwarzenschutz aus Silikon) empfehlen.
Ist das Stillen sehr schmerzhaft, kann ein Stillhütchen (zum Beispiel Lansinoh® Stillhütchen oder Mam® Stillhütchen) Linderung bringen und gleichzeitig die Brustwarze schützen. Bei der Größenwahlwahl sollten sich Frauen von ihrer Hebamme oder einer Stillberaterin unterstützen lassen. Ein zu großes Stillhütchen kann das Trinken des Babys beeinträchtigen, ein zu kleines zu Reizungen und Schmerzen führen.
Zur Grundausstattung für die Stillzeit gehören außerdem gute, saugfähige Stilleinlagen. Sie fangen überschüssige Milch auf, halten die Haut trocken und beugen Infektionen vor. Frauen haben die Wahl zwischen Einweg-Stilleinlagen, waschbaren Stilleinlagen aus Naturfasern oder synthetischen Materialien sowie Stilleinlagen aus selbsthaftendem Silikon (zum Beispiel Mamma Pads). Anders als Stilleinlagen aus saugfähigen Materialien verhindern Silikon-Stilleinlagen den Milchaustritt, indem sie Druck auf die Brustwarze ausüben. Zudem sind sie wasserfest und können auch beim Schwimmen getragen werden. Ist der Milchfluss sehr stark, können Auffangschalen aus Silikon oder Kunststoff (zum Beispiel Medela® Milchauffangschale, Dr. Junghans® Milchauffangschale) eine gute Alternative sein.
In den ersten Wochen der Stillzeit machen vielen Stillenden kleine, schmerzhafte Verhärtungen in der Brust zu schaffen. Hierbei handelt es sich um einen Milchstau, der durch eine falsche Anlegetechnik, unvollständige Entleerung der Brust oder einen schlecht sitzenden beziehungsweise zu engen BH ausgelöst wird. Regelmäßiges Stillen ist das beste Rezept, dazu können Frauen die Verhärtung sanft ausstreichen. Dies gelingt leichter, wenn der Milchfluss durch Wärme stimuliert wird. Gut geeignet dafür sind wärmende Kompressen, aber auch eine angenehme Dusche. Nach dem Stillen verringern kühlende Kompressen, Quark oder Kohlblätter Schwellungen und Schmerzen.
Ein Milchstau sollte immer aufgelöst werden, um einer Brustentzündung (Mastitis) vorzubeugen. In diesem Fall ist die Stelle nicht nur verhärtet, sondern auch gerötet, heiß, geschwollen und sehr schmerzhaft. Dazu können Fieber und ein allgemeines Krankheitsgefühl auftreten. Halten die Symptome länger als 24 Stunden an, sollten Frauen einen Arzt aufsuchen. Eine Brustentzündung kann auch durch das Eindringen von Keimen entstehen und eine Antibiotikatherapie erforderlich machen.
Manchmal werden die Schmerzen auch durch eine Pilzinfektion mit Candida albicans verursacht. In diesem Fall wirken die Brustwarze und die sie umgebende Haut schuppig und glänzend. Die Babys haben weiße Beläge auf Wangenschleimhaut und Zunge und trinken aufgrund der Schmerzen schlecht. Sowohl Mutter als auch Kind werden in diesem Fall mit einem lokalen Antimykotikum (zum Beispiel Clotrimazol, Miconazol oder Nystatin) behandelt, das Stillen muss nicht unterbrochen werden.
Für das körperliche und psychische Wohlergehen von Müttern in der Stillzeit ist die Ernährung von großer Bedeutung. Gleichzeitig existieren etliche Märchen und Mythen, die Stillende noch immer verunsichern. So gilt der vorsorgliche Verzicht auf Lebensmittel wie Zwiebeln, Bohnen oder Zitrusfrüchte als ebenso überholt wie das Streichen potenzieller Allergene. Nur 2 bis 3 Prozent der gestillten Säuglinge entwickeln tatsächlich eine Unverträglichkeit. Ist dies der Fall, empfiehlt die WHO, den identifizierten Auslöser wegzulassen und weiter zu stillen.
Koffeinhaltige Getränke wie Kaffee und schwarzer Tee sollten in der Stillzeit nur in Maßen genossen werden. / Foto: Adobe Stock/Bostan Natalia
Während des Vollstillens ist der Kalorienbedarf um etwa 500 kcal pro Tag erhöht, der Flüssigkeitsbedarf liegt bei mindestens 2 l. Gedeckt werden diese am besten über nährstoffreiche Lebensmittel und Wasser, Tees oder verdünnte Säfte. Auswirkungen auf die Milchmenge hat die Trinkmenge nicht. Um die Milchbildung anzuregen, können Stillende auf einen der zahlreichen Stilltees zurückgreifen. Einen Nachweis dafür, dass diese tatsächlich einen Effekt haben, gibt es bisher aber nicht. Der psychologische Effekt ist aber oft hilfreich und kann über die Befürchtung hinweghelfen, nicht genug Milch zu haben.
Auch Kaffee, schwarzer Tee und andere koffeinhaltige Getränke sind in der Stillzeit in Maßen erlaubt. Empfohlen werden maximal 200 mg Koffein, höhere Mengen können zu Unruhe oder einer langsameren Gewichtszunahme beim Baby führen. Auf Alkohol und Nikotin sollten Stillende verzichten.
Erste Anlaufstelle für viele stillende Frauen ist die Apotheke, wenn es um die Verträglichkeit von Medikamenten geht. Beipackzettel, Fachinformationen und die Rote Liste vermitteln häufig den Eindruck, dass viele Arzneimittel nicht geeignet sind. Das Pharmakovigilanz- und Beratungszentrum für Embryonaltoxikologie der Charité Berlin bietet Hilfestellung und stellt Risikoeinschätzungen auf Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Kenntnisstands zur Verfügung (www.embryotox.de).
Entscheiden sich Frauen für Formulanahrung, können Informationen zur Bindungsförderung und verfügbaren Ersatzmilchprodukten hilfreich sein. Denn grundsätzlich gilt: ein Kind nicht zu stillen, bedeutet nicht, es nicht bindungsorientiert ernähren zu können. Wichtig ist auch beim Fläschchen geben, dass das Baby und sein Hunger im Mittelpunkt stehen.
Im ersten Lebenshalbjahr ist Pre-Nahrung für Säuglinge am besten geeignet und als alleinige Nahrung ausreichend. Die Zusammensetzung der Nährstoffe ist der Muttermilch so weit wie möglich nachempfunden, das einzige Kohlenhydrat, das sie enthält, ist Milchzucker. Pre-Nahrung wird nach Bedarf gefüttert, feste Zeiten und Mengenangaben müssen nicht eingehalten werden. Wenn es Eltern schwerfällt, die Kontrolle über die Trinkmenge abzugeben, kann zu schweren, nicht transparenten Fläschchen geraten werden. So bleibt die Trinkmenge verborgen und Eltern lernen, wie beim Stillen auf die Hungeranzeichen des Babys zu achten.
Um die Bindung zu unterstützen, wird empfohlen, dass maximal zwei Bezugspersonen das Füttern übernehmen. Wie beim Stillen sollte dabei Körper- und Hautkontakt ermöglicht und immer wieder Blickkontakt gehalten werden. Die Entwicklung der Auge-Hand-Koordination wird gefördert, wenn analog zum Stillen die Seite gewechselt wird. Damit die Saugmuskulatur optimal beansprucht wird, ist es gut, wenn Flaschensauger in Größe, Beschaffenheit und Form der Brust nachempfunden sind. Ein Wechsel der Saugergröße mit dem Wachstum des Kindes ist nicht notwendig. Die Brustwarzen verändern sich während der Stillzeit auch nicht und ein kleines Loch im Sauger stellt sicher, dass die Muskulatur weiterhin kräftig arbeiten muss.
Im zweiten Lebenshalbjahr kann Pre-Nahrung parallel zur Beikost weitergefüttert werden. Ein Umstieg auf Milchnahrung mit der Ziffer 1 ist nicht zwingend notwendig, auch wenn sie bereits ab Geburt zugelassen ist. Sie enthält neben Milchzucker Stärke, um sättigender zu sein, ist dadurch aber auch belastender für den Organismus des Babys. Von Folgemilch (Ziffern 2 und 3) wird eher abgeraten werden, da zusätzliche Kohlenhydrate wie Haushaltszucker enthalten sind. Das Einhalten der Mengenangaben ist hier unbedingt notwendig, um eine Überfütterung zu vermeiden. Zurückhaltung ist auch bei hypoallergener Milch (HA) angebracht, sie sollte nur nach ärztlicher Anordnung gefüttert werden.
Wenn es mit dem Stillen nicht klappt, sind Ersatzmilchprodukte hilfreich, die in ihrer Nährstoffzusammensetzung der Muttermilch nachempfunden sind. / Foto: Adobe Stock/JackF
Es gibt in der Stillzeit immer wieder Situationen, in denen das Baby für einen gewissen Zeitraum nicht an der Brust trinken kann. Um es weiterhin mit Muttermilch zu versorgen, können Frauen Milch abpumpen. Dabei haben sie die Wahl zwischen elektrischen Pumpen oder Handpumpen. Erstere eignen sich vor allem für regelmäßiges Abpumpen. Gynäkologen und Kinderärzte können auch eine Leihmilchpumpe verordnen, die maximale Mietdauer pro Rezept liegt bei vier Wochen. Wollen Frauen nur gelegentlich abpumpen, ist eine Handpumpe ausreichend.
In beiden Fällen können PTA ihnen ein paar hilfreiche Tipps mit auf den Weg geben: