PTA-Forum online
Psychische Gesundheit bei Älteren

Stimmungstief oder Depression?

Die Lebensumstände im mittleren und höheren Alter bringen für viele Menschen Veränderungen mit sich – etwa der Eintritt in den Ruhestand, Trennungen oder Krankheit. Dass auf solche Lebensereignisse depressive Befindlichkeitsstörungen folgen können, ist nachvollziehbar. Wann aber handelt es sich um eine echte behandlungsbedürftige Depression?
Barbara Erbe
25.04.2022  08:30 Uhr

Depressionen sind weltweit eine der Hauptursachen für krankheitsbedingte Beeinträchtigungen im Alltag. Laut Robert-Koch-Institut (RKI) haben sie in westlichen Ländern den drittgrößten Anteil an der gesamten Krankheitslast. Psychische und körperliche Gesundheit sind zudem eng miteinander verknüpft und beeinflussen sich gegenseitig. So ist beispielsweise der wechselseitige Zusammenhang zwischen Depression und Herz-Kreislauf-Erkrankungen, aber auch Diabetes und Adipositas gut belegt. Laut RKI erkranken hierzulande 8,1 Prozent aller Personen zwischen 18 und 79 Jahren im Laufe eines Jahres an einer Depression, unter den 70 bis 79- Jährigen dagegen nur 6,1 Prozent. Allerdings leiden ältere Menschen zwei bis drei Mal so häufig unter leichteren Depressionen und depressiven Befindlichkeitsstörungen unterhalb der Krankheitsschwelle.

Typische Auslöser solch depressiver Befindlichkeitsstörungen, mit denen ältere Menschen in Therapie kommen, seien schwere Ehekrisen, angedrohte oder vollzogene Scheidungen und Identitätsprobleme nach dem Ende der Berufstätigkeit, berichtet Diplom-Psychologe Axel Kreutzmann, Leiter der Fachgruppe Klinische PsychologInnen in der Arbeit mit älteren Menschen beim Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen. »Dass sich Paare im Alter von 60, 70 oder gar 80 Jahren trennen, ist dabei eine neuere Entwicklung, das hat es früher nicht gegeben.« Sich im höheren Lebensalter noch einmal grundsätzlich neu zu orientieren, berge ein gewisses Risiko für Einsamkeit und Verlust, aber auch die Chance, sich aus einem Zustand zu befreien, den man schon Jahre oder gar Jahrzehnte lang als eher negativ empfinde.

Auch der Eintritt in den Ruhestand verlaufe für viele Menschen zunächst krisenhaft, berichtet der Diplom-Psychologe. »Denn er wirft die Frage auf: ‚Wer bin ich jetzt eigentlich, ohne meinen Beruf?‘« Dabei gehe es nicht nur darum, einen neuen Tagesablauf zu gestalten, sondern weit darüber hinaus auch um die Entwicklung eines neuen Selbstbildnisses. Viele Menschen, die mit derlei Umstellungen hadern, benötigten nicht unbedingt eine Psychotherapie, könnten aber von einer niedrigschwelligen Beratung profitieren.

Um ihren Kunden eine solche Perspektive zu eröffnen, sollten PTA ihnen, wenn möglich, zunächst einmal zuhören, »ohne sie vorschnell mit einem guten Rat zu unterbrechen«. Dann sollten sie ihnen idealerweise ein wenig Bestätigung und auch Entlastung schenken, zum Beispiel in Form eines Satzes wie »Das kann ich mir vorstellen, dass das jetzt nicht einfach für Sie ist«, oder »Das, was Sie gerade erzählen, habe ich in der letzten Zeit häufiger gehört.« Verläuft das Gespräch vertrauensvoll, könnte eine abschließende Empfehlung lauten: »Vielleicht kann es Ihnen helfen, mal ein Gespräch mit einem Profi / an einer – beispielsweise kommunalen - Beratungsstelle zu führen? Ich habe schon oft gehört, dass so ein Gespräch hilfreich ist.« Der Hinweis darauf, dass schon ein einziges Beratungsgespräch eine große Hilfe sein kann, kann die Schwellenangst, ein solches Angebot wahrzunehmen, deutlich senken.

Vorsicht vor falschen Diagnosen

Schwerwiegender als die geschilderten Befindlichkeitsstörungen ist eine echte Depression. »Belastende Lebensumstände werden hier als Ursache überschätzt. Entscheidend ist die Veranlagung. Liegt diese nicht vor, dann führen auch große Bitternisse nicht zu einer depressiven Erkrankung. Liegt sie dagegen vor, dann rutschen Menschen im Laufe ihres Lebens immer wieder in eine Depression, auch wenn es ihnen von außen betrachtet gut geht«, erklärt Professor Dr. Ulrich Hegerl, Vorstandvorsitzender der Stiftung Deutsche Depressionshilfe. Es komme immer wieder vor, dass selbst schwere Depressionen nicht erkannt und »nur« als Reaktion auf widrige Umstände, als »Burnout« oder »Probleme mit dem Altern« interpretiert würden. Dies könne zu falschen Lebensentscheidungen führen, etwa zu einer Arbeitszeitreduktion oder dem vorzeitigen Ruhestand. »Wenn aber die Depression und nicht die Arbeit Ursache für das Erschöpfungsgefühl war, dann ist nichts gewonnen durch den Vorruhestand – es kommt zu weiteren Krankheitsphasen, der Betroffene hat dann nur keinen Job mehr.«

Ein weiteres Beispiel: Rückenschmerzen oder Ohrgeräusche sind im Alter häufig, werden aber meist in Kauf genommen, ohne dass die Lebensqualität allzu sehr leidet. Leidet ein Mensch an Depressionen, empfindet er die gleichen Beschwerden in der Regel als unerträglich. Deshalb rücken oft diese, und nicht die Depression, in den Mittelpunkt der Wahrnehmung. Wird die Depression deshalb übersehen beziehungsweise die Verzweiflung nur als Folge der körperlichen Beschwerden betrachtet, besteht das Risiko, dass die Depression nicht konsequent behandelt wird. Das sei tragisch, denn eigentlich sind Depressionen gut behandelbar, betont Hegerl.

»Menschen mit tiefer Erschöpfung und Niedergeschlagenheit sollten sich professionelle Hilfe holen. Diese erhalten sie beim Facharzt, das heißt dem Psychiater, beim Psychologischen Psychotherapeuten oder auch beim Hausarzt.« Fachärzte könnten differenzieren, ob ein Patient unter Befindlichkeitsstörungen leidet, die durch seine Lebensumstände bedingt sind, oder an einer eigenständigen Depression, erläutert der Psychiater. So berichten Menschen mit Depressionen oft von innerer Leere und der Unfähigkeit, eigene Gefühle wahrnehmen zu können. Typisch ist weiter die Neigung zu Schuldgefühlen und Freudlosigkeit.

Weiter berichten die Betroffenen von einem tiefen Erschöpfungsgefühl bei innerer Daueranspannung, so als ob sie permanent vor einer Prüfung stehen würden. »Bei einer Überforderung kann Ausschlafen eine gute Idee sein, bei einer Depression führen langer Schlaf und lange Bettzeiten oft zu einer Verschlechterung der Depression und des Erschöpfungsgefühls«, erklärt Hegerl. »Deshalb ist oft auch die Depression am Morgen schwerer ausgeprägt und bessert sich gegen Abend. Schlafentzug ist ja auch eine in Kliniken angebotene Behandlung, die bei der Mehrheit der Betroffenen zu einem abrupten Abklingen der Depression führt, leider allerdings nur bis zum nächsten Schlaf in der darauffolgenden Nacht.«

Keine Angst vor Antidepressiva

Die wichtigsten Säulen der Behandlung von Depressionen sind die Psychotherapie und die Behandlung mit Antidepressiva – oft in Kombination miteinander. Viele Menschen stünden dem Gebrauch von Antidepressiva zunächst misstrauisch gegenüber, berichtet Hegerl. Dies sei verständlich, da insbesondere Laien Depressionen vor allem als Reaktion auf schwierige Lebensumstände auffassen und dann Medikamente als wenig sinnvoll erscheinen würden. Oft werde so viel Zeit verloren, bis Betroffene einen Behandlungsversuch mit Antidepressiva machen würden. Anders als oft befürchtet machen diese nicht süchtig, sie seien auch keine »Happy-Pillen« und würden auch zu keiner Änderung der Persönlichkeit führen. PTA können Patienten hier unterstützen und bekräftigen: Antidepressiva sind der am häufigsten verwendete Behandlungsansatz bei Depressionen und helfen sehr vielen Menschen. 

Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
Die experimentelle KI
von PZ und PTA-Forum
 
FAQ
SENDEN
Wie kann man die CAR-T-Zelltherapie einfach erklären?
Warum gibt es keinen Impfstoff gegen HIV?
Was hat der BGH im Fall von AvP entschieden?
GESAMTER ZEITRAUM
3 JAHRE
1 JAHR
SENDEN
IHRE FRAGE WIRD BEARBEITET ...
UNSERE ANTWORT
QUELLEN
22.01.2023 – Fehlende Evidenz?
LAV Niedersachsen sieht Verbesserungsbedarf
» ... Frag die KI ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln. ... «
Ihr Feedback
War diese Antwort für Sie hilfreich?
 
 
FEEDBACK SENDEN
FAQ
Was ist »Frag die KI«?
»Frag die KI« ist ein experimentelles Angebot der Pharmazeutischen Zeitung. Es nutzt Künstliche Intelligenz, um Fragen zu Themen der Branche zu beantworten. Die Antworten basieren auf dem Artikelarchiv der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums. Die durch die KI generierten Antworten sind mit Links zu den Originalartikeln der Pharmazeutischen Zeitung und des PTA-Forums versehen, in denen mehr Informationen zu finden sind. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung verfolgt in ihren Artikeln das Ziel, kompetent, seriös, umfassend und zeitnah über berufspolitische und gesundheitspolitische Entwicklungen, relevante Entwicklungen in der pharmazeutischen Forschung sowie den aktuellen Stand der pharmazeutischen Praxis zu informieren.
Was sollte ich bei den Fragen beachten?
Damit die KI die besten und hilfreichsten Antworten geben kann, sollten verschiedene Tipps beachtet werden. Die Frage sollte möglichst präzise gestellt werden. Denn je genauer die Frage formuliert ist, desto zielgerichteter kann die KI antworten. Vollständige Sätze erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer guten Antwort.
Wie nutze ich den Zeitfilter?
Damit die KI sich bei ihrer Antwort auf aktuelle Beiträge beschränkt, kann die Suche zeitlich eingegrenzt werden. Artikel, die älter als sieben Jahre sind, werden derzeit nicht berücksichtigt.
Sind die Ergebnisse der KI-Fragen durchweg korrekt?
Die KI kann nicht auf jede Frage eine Antwort liefern. Wenn die Frage ein Thema betrifft, zu dem wir keine Artikel veröffentlicht haben, wird die KI dies in ihrer Antwort entsprechend mitteilen. Es besteht zudem eine Wahrscheinlichkeit, dass die Antwort unvollständig, veraltet oder falsch sein kann. Die Redaktion der Pharmazeutischen Zeitung übernimmt keine Verantwortung für die Richtigkeit der KI-Antworten.
Werden meine Daten gespeichert oder verarbeitet?
Wir nutzen gestellte Fragen und Feedback ausschließlich zur Generierung einer Antwort innerhalb unserer Anwendung und zur Verbesserung der Qualität zukünftiger Ergebnisse. Dabei werden keine zusätzlichen personenbezogenen Daten erfasst oder gespeichert.
TEILEN
Datenschutz

Mehr von Avoxa