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Gefahr für Mutter und Kind

Störungen der Schilddrüse bei Schwangeren

Die Schilddrüse beeinflusst fast alle Funktionen im menschlichen Körper. Arbeitet sie nicht richtig, hat das auch Auswirkungen auf den Kinderwunsch und den Schwangerschaftsverlauf.
AutorKontaktCarin Steyer
Datum 25.05.2020  09:00 Uhr

In Deutschland ist fast jedes zehnte Paar zwischen 25 und 59 Jahren ungewollt kinderlos. Für die Erfüllung des Kinderwunsches sind sie am Ende ihrer Reise oft auf medizinische Hilfe angewiesen. Bevor jedoch eine aufwendige und belastende reproduktionsmedizinische Behandlung begonnen wird, steht ein Check der Schilddrüse an. Denn heute weiß man, dass eine unzureichende Funktion der Schilddrüse den Zyklus und den Eisprung beeinflussen kann, sich auf die Einnistung der befruchteten Eizelle auswirkt und Fehlgeburten begünstigt. So kann eine Überfunktion Zyklusstörungen verursachen und die Fruchtbarkeit herabsetzen. Zudem leiden Frauen mit einer Hashimoto-Thyreoiditis häufiger als Gesunde unter Ovulationsstörungen, Endometriose oder dem polyzystischen Ovarialsyndrom und haben ein höheres Fehlgeburtsrisiko.

Im Fokus der Reproduktionsmediziner liegt das schilddrüsenstimulierende Hormon Thyreotropin (TSH). Es steuert die Funktion der Schilddrüse und zeigt Funktionsstörungen schnell an. Als ideal gilt in der Kinderwunschphase ein TSH-Wert unter 2,5 Milli-Einheiten pro Liter (mU/l). Ist eine künstliche Befruchtung geplant, sollte er zwischen 0,5 bis 2 mU/l liegen. Doch Vorsicht, zu niedrig darf der TSH-Wert auch nicht werden. Ein Wert unter 0,4 mU/l deutet auf eine Unterfunktion hin. Trotz der Bedeutung des TSH-Werts wird ein generelles Screening für alle Frauen mit Kinderwunsch derzeit nicht durchgeführt. Auch nach dem Eintritt einer Schwangerschaft sind im Mutterpass nur Kontrollen der Schilddrüsenfunktion vorgesehen, wenn Risikofaktoren vorliegen (Kasten). Endokrinologen kritisieren dieses eingeschränkte Vorgehen, da die Schilddrüsenfunktion Auswirkungen auf den Schwangerschaftsverlauf und die Gesundheit des Kindes hat.

Essentieller Baustein

Der kindliche Bedarf an Schilddrüsenhormonen wird bis zur 20. Schwangerschaftswoche vom mütterlichen Organismus übernommen. Um dies zu gewährleisten, passt sich der hormonelle Regelkreis der Schilddrüse zu Beginn einer Schwangerschaft an die neuen Umstände an. In den ersten Schwangerschaftswochen steigt das so genannte humane Choriongonadotropin (β-hCG) stark an. Da es in seiner Struktur dem TSH ähnelt, besitzt es die Fähigkeit den TSH-Rezeptor zu stimulieren, wodurch die Produktion der Schilddrüsenhormone Triiodthyronin (T3) und Thyroxin (T4) um bis zu 50 Prozent gesteigert wird.

Essentiell für die Erhöhung der Schilddrüsenhormonproduktion ist eine ausreichende Jodversorgung der Mutter. Sowohl T3 als auch T4 enthalten das Spurenelement und können bei einem Jodmangel nicht ausreichend gebildet werden. Ab der 20. Schwangerschaftswoche muss zudem das Ungeborene mit Jod versorgt werden, damit die kindliche Schilddrüse arbeiten kann. Ein schwerer Jodmangel bei werdenden Müttern geht mit einer erhöhten Sterblichkeitsrate bei Ungeborenen und Neugeborenen einher. Ein milder Jodmangel wird immer wieder im Zusammenhang mit Störungen im Bereich der kognitiven Entwicklung und der Aufmerksamkeit diskutiert.

In Deutschland liegt die Jodversorgung der Bevölkerung, nach den Kriterien der Weltgesundheitsorganisation (WHO) im unteren optimalen Bereich. Die Studie zur Gesundheit Erwachsener in Deutschland des Robert Koch-Instituts hat gezeigt, dass 30 Prozent der Erwachsenen unzureichend mit Jod versorgt sind. Besonders Frauen im fertilen Alter sind oft betroffen. Fachgesellschaften wie die Deutsche Gesellschaft für Innere Medizin (DGIM) raten schwangeren und stillenden Frauen deshalb zu einer Jodsupplementation mit 150 bis 200 µg täglich. Im Idealfall sollte damit bereits drei Monate vor dem Eintreten der Schwangerschaft begonnen werden. Das gilt auch für Frauen mit Autoimmunerkrankungen der Schilddrüse (Hashimoto und Morbus Basedow in Remission) oder einer Unterfunktion. Ausgenommen von der Empfehlung der DGIM sind Frauen mit einer Schilddrüsenüberfunktion oder einer Schilddrüsenautonomie. Durch die zusätzliche Jodeinnahme würde die Überfunktion verstärkt werden.

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion (Hypothyreose) sind die natürlichen Anpassungsmechanismen zu Beginn der Schwangerschaft häufig eingeschränkt. Folglich kann das Schwangerschaftshormon β-hCG auch nicht die Produktion von T3 und T4 steigern. Frauen mit einer bestehenden Hypothyreose brauchen deshalb während der Schwangerschaft eine höhere Levothyroxin-Dosis. Empfohlen wird, die Dosis mit Feststellung der Schwangerschaft um 25 bis 30 Prozent zu erhöhen. Alternativ kann an zwei Wochentagen eine zusätzliche Tagesdosis eingenommen werden.

Schnell behandeln

Tritt eine Schilddrüsenfunktionsstörung in der Schwangerschaft neu auf, muss sie schnell behandelt werden. Bei einer Schilddrüsenüberfunktion (Hyperthyreose) ist das Ungeborene einem Überangebot an Schilddrüsenhormonen ausgesetzt. Das kann das Wachstum stören, aber auch eine Fehl- oder Totgeburt verursachen. Die häufigste Ursache für eine Überfunktion der Schilddrüse ist die Autoimmunkrankheit Morbus Basedow. Betroffene bilden Autoantikörper gegen den TSH-Rezeptor, wodurch die Produktion der Schilddrüsenhormone T3 und T4 gesteigert wird. Behandelt wird eine Überfunktion mit Thyreostatika. Da die typischen Wirkstoffvertreter wie Thiamazol und Carbimazol jedoch mit kindlichen Fehlbildungen assoziiert sind, wird in den ersten 16 Schwangerschaftswochen eine Therapie mit Propylthiouracil (PTU) empfohlen.

Je nach Dauer der Erkrankung, dem Schilddrüsenvolumen und der Höhe der TSH-Rezeptor-Antikörper (TRAK) kann im Verlauf der Schwangerschaft die Dosis reduziert oder ein Absetzen in Erwägung gezogen werden. Im letzten Schwangerschaftsdrittel sinkt die Höhe der TRAK bei vielen Frauen ab, sodass bei etwa einem Drittel der Patientinnen die medikamentöse Therapie nicht mehr notwendig ist. Anschließend ist zu Beginn eine ein- bis zweiwöchige Kontrolle erforderlich, später kann das Intervall auf zwei bis vier Wochen ausgedehnt werden. Nach der Geburt kommt es meist wieder zu einer Zunahme der Krankheitsaktivität und Rezidiven.

Latent oder manifest

Bei einer Schilddrüsenunterfunktion unterscheiden Mediziner die latente Form, bei der nur der TSH-Wert zu hoch ist, von der manifesten Form, bei der zusätzlich die Hormone T3 und T4 vermindert sind. Eine manifeste Unterfunktion kann gravierende Auswirkungen auf Mutter und Kind haben. Neben einem niedrigen Geburtsgewicht treten Präeklampsie, Früh- und Fehlgeburten auf. Zudem wird die neurokognitive Entwicklung der Ungeborenen beeinträchtigt. Die Behandlung der Unterfunktion erfolgt wie bei nicht-schwangeren Frauen  mit einem Levothyroxin-Präparat.

Welche Auswirkungen eine latente Unterfunktion auf den Schwangerschaftsverlauf und das Ungeborene hat, ist noch nicht abschließend geklärt. Derzeit gehen Mediziner davon aus, dass Schwangere mit einem TSH-Wert von 2,5 bis 10 mU/l kein erhöhtes Komplikationsrisiko zu erwarten haben, solange sie keine Antikörper aufweisen. Eine häufige Ursache für eine Schilddrüsenunterfunktion ist die Autoimmunkrankheit Hashimoto-Thyreoiditis. Betroffene bilden Antikörper gegen bestimmte Strukturen der Schilddrüse. Frauen mit diesen Antikörpern im Blut haben jedoch ein erhöhtes Risiko für Fehlgeburten.

Auch wenn nicht abschließend geklärt ist, ob ein niedrigdosiertes Levothyroxin-Präparat das Fehlgeburtsrisiko senken kann, wird es von vielen Medizinern verschrieben. Ein möglicher Nutzen scheint derzeit dem geringen Risiko der Behandlung überlegen, jedoch empfiehlt der Bundesverband Deutscher Nukelarmediziner (BDN) das Schilddrüsenhormon inzwischen zurückhaltender einzusetzen. Erst kürzlich berichtete er in einer Pressemittelung von neuen Untersuchungsergebnissen, die zeigten, dass ein TSH-Werte im oberen Normbereich zwischen 2,5 und 4,0 mU/L bei schilddrüsengesunden Schwangeren mit keinerlei Gefahren für den Feten verbunden sei. Demnach sei eine medikamentöse Behandlung mit Levothyroxin hier in der Regel noch nicht angezeigt.

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