Stoffwechsel ändert sich später als gedacht |
Katja Egermeier |
24.08.2021 08:30 Uhr |
Der Stoffwechsel verlangsamt sich nicht schon während der Wechseljahre, sondern erst ab dem 60. Lebensjahr. / Foto: Getty Images/fabrycs
Für ihre Studie untersuchten die Forschenden die Veränderungen des Gesamtkalorienverbrauchs bei knapp 6500 Männern und Frauen aus 29 verschiedenen Ländern im Alter von 8 Tagen bis zu 95 Jahren. Auf diese Weise konnten sie erstmals den Energiebedarf des Stoffwechsels über die gesamte Lebensdauer eines Menschen nachvollziehen.
Unser Stoffwechsel benötigt etwa 50 bis 70 Prozent der Energie allein dafür, die Körperprozesse am Laufen zu halten, unabhängig davon, ob wir wach sind oder schlafen und wieviel wir uns bewegen. Dieser sogenannte Grundumsatz ist abhängig von Geschlecht, Alter, Muskelmasse und Tageszeit. Die restlichen 30 bis 50 Prozent variieren deutlich stärker. Es war bislang unbekannt, wie stark und warum.
Die Ergebnisse ihrer Untersuchungen überraschten die Forschenden. »Es gibt eine Menge physiologischer Veränderungen, wenn wir aufwachsen und älter werden – Pubertät, Wechseljahre und anderes«, erklärt Herman Pontzer von der Duke University. Tatsächlich identifizierten er und seine Kollegen vier große Phasen unserer Stoffwechselaktivität. »Das Merkwürdige daran ist jedoch, dass das Timing unserer metabolischen Lebensphasen nicht mit diesen typischen Meilensteinen übereinstimmt.«
Demnach verbrennen – anders als bislang angenommen – nicht Kinder im Wachstsum oder in der Pubertät die meisten Kalorien, sondern Säuglinge. Die Studie ergab, dass der Energiebedarf in den ersten zwölf Lebensmonaten in die Höhe schießt und die Stoffwechselrate am ersten Geburtstag um 50 Prozent höher ist als bei Erwachsenen. »Natürlich wachsen auch die Säuglinge in dieser Zeit. Ihr Energieverbrauch ist jedoch weit höher als man anhand ihrer Körpergröße und Entwicklung erwarten würde«, so Pontzer. »Offenbar passiert in den Zellen des Babys etwas, das wir noch nicht kennen.«
Ab dem Lebensalter von einem Jahr verlangsame sich der Stoffwechsel dann jedes Jahr um etwa 3 Prozent, bis er sich um das 20. Lebensjahr herum auf einem stabilen Niveau einpendele. Pubertät und Wachstumsschübe im Teenageralter wirkten sich darauf wider Erwarten nicht aus.
Auch in der Lebensmitte gab es unerwartete Beobachtungen: Entgegen weit verbreiteter Annahmen war der Stoffwechsel zwischen 20 und 59 Jahren am stabilsten. Der Gesamtumsatz habe sich kaum verändert, selbst während einer Schwangerschaft oder den Wechseljahren nicht. Erst nach dem 60. Lebensjahr, im Schnitt mit 63 Jahren, nimmt er der Studie zufolge ab – und das ganz gemächlich um etwa 0,7 Prozent pro Jahr. Ein 90 Jahre alter Mensch braucht demnach täglich etwa 26 Prozent weniger Kalorien als jemand in der Lebensmitte.
Der Rückgang im Alter hänge vermutlich auch mit der abnehmenden Muskelmasse zusammen, erklärt Pontzer. Aber das sei nicht die alleinige und wahrscheinlich nicht die Hauptursache. »Wir haben das schon herausgerechnet. Die Abnahme liegt daran, dass die Zellen ihren Stoffwechsel verlangsamen.«