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Mikrobiota

Stuhltransplantation – mit Fäkalien heilen

Die fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) gilt als Hoffnungsträger bei schweren Darminfektionen und anderen Erkrankungen, die mit einer gestörten Darmflora zusammenhängen. Der therapeutische Einsatz ist bislang jedoch begrenzt.
AutorKontaktClara Wildenrath
Datum 18.11.2025  08:00 Uhr

Es klingt zunächst befremdlich: Kranke Menschen sollen durch den Kot eines anderen geheilt werden. Dahinter steckt der Gedanke, dass eine Stuhlspende einer gestörten Darmflora wieder zu gesunder Vielfalt verhelfen kann. Erste Versuche in der Richtung beschrieb der deutsche Arzt Christian Paullini bereits im 17. Jahrhundert in seinem Lehrbuch (Heilsame Dreck-Apotheke). Heilkundler in China sollen sogar schon im vierten Jahrhundert die innere Fäzes-Anwendung getestet haben.

In den letzten zehn Jahren hat sich die Stuhltransplantation, auch fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT) genannt, zu einer anerkannten medizinischen Therapie entwickelt. Bisher sind die Einsatzgebiete noch limitiert – doch viele Forschende sehen in der Restauration des Darmmikrobioms einen Schlüssel zu bislang schwer behandelbaren Krankheiten.

Ökosystem im Darm

Im menschlichen Verdauungstrakt leben rund 100 Billionen Mikroorganismen – Bakterien, Viren, Pilze und verschiedene andere einzellige Lebewesen. Zusammen bilden sie das Darmmikrobiom, ein komplexes Ökosystem, das nicht nur die Verdauung beeinflusst, sondern über verschiedene Botenstoffe auch das Immunsystem, den Hormonhaushalt, den Stoffwechsel und sogar die Psyche. Gerät das fein abgestimmte Gleichgewicht aus der Balance, kann das schwerwiegende Folgen für den gesamten Organismus haben. Eine häufige Ursache für eine solche Dysbiose sind längere oder wiederholte Antibiotikabehandlungen.

Besonders drastisch zeigt sich das bei wiederkehrenden Infektionen mit Clostridioides difficile (CDI): Diese Bakterien, vereinfacht oft Clostridien genannt, verursachen schwere Durchfälle. Eine gesunde Darmflora hält sie in Schach. Wird das Mikrobiom jedoch durch eine Antibiotikatherapie geschädigt, können sich die Clostridien explosionsartig vermehren und Giftstoffe produzieren. In schweren Fällen kann die Darmentzündung tödlich verlaufen.

Die meisten Infektionen entstehen im Krankenhaus (nosokomial). Ihre Therapie ist oft schwierig, weil die Erreger gegen viele gängige Antibiotika Resistenzen entwickeln. Zudem verstärkt die antibiotische Behandlung die Dysbiose. Bei etwa einem Viertel der Patienten kehren die Symptome einige Wochen nach der ersten Infektion zurück. Oft entsteht ein Teufelskreis aus kurzfristigen Therapieerfolgen und erneuten Erkrankungen. Mit jedem Rezidiv steigt das Risiko für ein weiteres.

Keine Kassenleistung

Stuhltransplantationen können das Darmmikrobiom der betroffenen Patienten wiederherstellen und das Rezidivrisiko senken. Das belegen inzwischen zahlreiche Studien. Im Vergleich zur antibiotischen Standardtherapie erzielten die FMT laut einer Metaanalyse eine fast doppelt so hohe langfristige Heilungsrate: Bis zu 90 Prozent der Personen mit wiederkehrenden CDI konnten dauerhaft geheilt werden. Die S2k-Leitlinie »Gastrointestinale Infektionen« empfiehlt die FMT bei dieser Indikation deshalb als mögliche Therapiealternative. Eine Kassenleistung ist sie nicht – dennoch übernehmen die gesetzlichen Krankenkassen nach einem ärztlich begründeten Antrag oft die Kosten für die Behandlung.

Auch bei der chronisch-entzündlichen Darmerkrankung Colitis ulcerosa attestieren kleinere Studien der Stuhltransplantation einen positiven Effekt. Das konnte ein Cochrane-Review 2023 bestätigen. Allerdings fanden die Autoren zum Teil deutliche Unterschiede bei den Studienergebnissen. Zudem äußerten sie Bedenken hinsichtlich der langfristigen Therapiesicherheit. Denn anders als bei der akuten CDI hielt die beschwerdefreie Zeit auch nach mehrfacher FMT im Durchschnitt nur sechs Monate an – deshalb müssen die Behandlungen möglicherweise lebenslang wiederholt werden. Bei Morbus Crohn, einer weiteren chronisch-entzündlichen Darmerkrankung, fanden Studien bisher keinen klaren Nutzen für die FMT.

Ähnlich sieht es bei vielen anderen Erkrankungen aus, die in Zusammenhang mit einem veränderten Darmmikrobiom stehen. Eine solche Verbindung konnten Forschende beispielsweise bei Stoffwechselerkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Adipositas (Fettleibigkeit) oder Leberfunktionsstörungen nachweisen, aber auch bei Depressionen, Parkinson und Autismus sowie einigen Autoimmun- und verschiedenen Krebserkrankungen. Der Gedanke liegt nahe, dass auch bei diesen Erkrankungen eine Stuhltransplantation helfen könnte. Tatsächlich gibt oder gab es Studien zu mindestens 50 Indikationen, die die Wirksamkeit der FMT untersuchten. Die Ergebnisse sind bislang durchwachsen: Einzelne zeigten positive Effekte, andere nicht.

Wissenschaftler sehen dafür eine ganze Reihe von Gründen. Einer der wichtigsten: Welche Mikroorganismen die Darmflora in welcher Menge enthält, ist individuell höchst unterschiedlich und bisher nicht standardisierbar. Deshalb ist es schwer, Studienergebnisse zu vergleichen und zu reproduzieren.

Ob die Ansiedlung einer gesundheitsfördernden Darmflora gelingt oder nicht, hängt von der Zusammensetzung des Mikrobioms sowohl des Spenders als auch des Empfängers ab. Bislang ist noch weitgehend unbekannt, welche weiteren Faktoren für den Erfolg einer FMT entscheidend sind. Auch das Transplantationsverfahren ist nicht standardisiert.

In Deutschland gelten Stuhltransplantate als Arzneimittel. Darauf basierende Medikamente sind in der EU bisher aber nicht zugelassen. Deshalb dürfen Ärzte eine FMT nur als individuellen Heilversuch oder im Rahmen einer klinischen Studie durchführen. Für eine Behandlung benötigen sie etwa 50 g frischen Stuhl eines gesunden Spenders, die sie mit physiologischer Kochsalzlösung vermischen, homogenisieren und mehrmals filtern. Die erhaltene Flüssigkeit spülen sie entweder bei einer Darmspiegelung in den Dickdarm oder durch eine Magensonde in den Dünndarm. Manchmal verwenden sie auch aufbereitete Stuhlproben in magensaftresistenten Kapseln zum Schlucken. Oft erhält der Empfänger des Transplantats zuvor eine Antibiotikatherapie und/oder eine Darmspülung. Beides kann Studien zufolge die Ansiedlung der übertragenen Mikrobiota verbessern.

Risiko einer Infektion

Prinzipiell besteht bei einer FMT immer die Gefahr, dass nicht nur erwünschte, gesundheitsfördernde Mikroorganismen, sondern auch potenzielle Krankheitserreger in den Darm des Empfängers gelangen.

Die US-amerikanische Arzneimittelbehörde (FDA) berichtete 2019 von zwei Patienten, die sich durch eine Stuhltransplantation von demselben Spender mit multiresistenten Keimen infizierten und schwer erkrankten; einer starb daran. Um das zu vermeiden, fordert das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) umfangreiche Gesundheitsprüfungen für potenzielle Spender. Dazu gehören Stuhluntersuchungen auf über 30 verschiedene Bakterien, Pilze, Viren und Parasiten, etwa multiresistente Keime, Salmonellen und SARS-CoV-2.

Das Blut muss zudem zum Beispiel auf Hepatitis-, Epstein-Barr- und HI-Viren getestet werden. Wer sich im letzten halben Jahr ein Tattoo oder Piercing hat stechen lassen, ist ebenso von einer Stuhlspende ausgeschlossen wie Krankenhauspersonal oder Landwirte. Das Gleiche gilt für Menschen, die zum Beispiel an Adipositas, Depressionen oder Allergien leiden. Dadurch möchte man das Risiko minimieren, dass ein Stuhltransfer unerwünschte immunologische oder metabolische Prozesse im Darm des Empfängers aktiviert. Sind alle Vorgaben erfüllt, wird die Stuhlspende acht Wochen bei -80 °C tiefgefroren und der Spender ein weiteres Mal auf Infektionen getestet. Erst danach darf der Arzt den Transfer durchführen.

In den USA wurde Ende 2022 ein erstes Arzneimittel aus menschlichen Fäkalien zugelassen (RebyotaTM).  Es steht dort Patienten mit wiederkehrenden CDI zur Verfügung, die es nach einer Antibiotikatherapie als Einlauf erhalten können. Kurz darauf erfolgte die Zulassung eines ähnlichen Präparats zur oralen Anwendung (VowstTM). Auch bei diesen Medikamenten weist die FDA jedoch darauf hin, dass ein Restrisiko für übertragbare Erkrankungen bestehen bleibt. Ob derartige Arzneimittel in näherer Zukunft auch in Europa zur Zulassung kommen, ist derzeit nicht absehbar.

Die Hoffnungen, die Menschen mit den unterschiedlichsten Erkrankungen in eine Stuhltransplantation setzen, sind groß – der ärztlichen Anwendung jedoch enge rechtliche Grenzen gesetzt. Manch einer kommt deshalb auf die Idee, sie in Eigenregie durchzuführen. Im Internet kursieren dafür diverse Anleitungen. Vor einem solchen Do-it-yourself-Versuch sollte das Apothekenteam ausdrücklich abraten: Er birgt ein erhebliches Infektionsrisiko. Langfristiges Ziel der Forschung ist es, herauszufinden, welche Bestandteile des Darmmikrobioms therapeutisch wirksam sind. Vielleicht, so die Hoffnung, könnte man diese dann rekombinant herstellen und gezielt einsetzen.

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