Superfoods für den Darm |
Barbara Döring |
21.03.2024 11:45 Uhr |
Eine ballaststoffreiche Ernährung ist das A und O für einen gesunden Darm. / Foto: Getty Images/piotr_malczyk
»Der gesunde Darm ist die Wurzel aller Gesundheit«: Schon der Arzt Hippokrates war sich vor mehr als 2000 Jahren bewusst, dass ein funktionierender Verdauungstrakt für den gesamten Körper wichtig ist. Heute ist sicher: Das Mikrobiom – die Gemeinschaft der günstigen Darmbakterien – ist daran nicht unbeteiligt. Die Mikroorganismen machen Nahrungsbestandteile erst verwertbar. Gleichzeitig bilden sie selbst Vitamine, etwa aus dem B-Komplex und Vitamin K. Indem sie Milchsäure herstellen, senken sie den pH-Wert im Darm und halten so pathogene Keime in Schach. Sie nähren die Zellen der Darmschleimhaut und tragen damit zu einer gesunden Schleimhautbarriere bei. Nicht zuletzt kommunizieren die günstigen Mikroben mit Immunzellen der Darmschleimhaut, die so ihre Funktion ständig trainieren und das Immunsystem leistungsfähig halten.
Doch das Darmmikrobiom kann auch krank machen, wenn die Bakteriengemeinschaft aus dem Gleichgewicht gerät und pathogene Arten überhandnehmen. Einige von ihnen greifen die Darmbarriere an, befeuern Entzündungen und begünstigen das Tumorwachstum. Andere stehen in Verdacht, bei der Entwicklung chronischer Darmerkrankungen im Spiel zu sein. Auch psychische Erkrankungen wie Depressionen oder Angststörungen könnten mit einem krankhaft veränderten Mikrobiom in Zusammenhang stehen. Welche Faktoren das Mikrobiom beeinflussen, wird intensiv erforscht. Mehr und mehr zeigt sich, dass die westliche Ernährungsweise mit hochverarbeiteten Nahrungsmitteln und einem geringen Ballaststoffanteil eine wichtige Rolle spielt.
Ballaststoffe sind für den Darm und seine Bewohner alles andere als überflüssig: »Klar ist, dass zwischen einer ballaststoffarmen Ernährung und Darmkrebs ein Zusammenhang besteht«, betont Ernährungsexpertin Dagmar von Cramm aus Freiburg im Gespräch mit PTA-Forum. Dagegen hätten schleimhautreizende Substanzen wie heiße Getränke, Alkohol oder Benzpyrene in angebrannten Speisen weniger Einfluss auf den Darm, sondern auf den oberen Verdauungstrakt. Wenn es um Darmerkrankungen gehe, sei ein Mangel an Ballaststoffen der springende Punkt, so die Ökotrophologin. So zeigen Beobachtungsstudien, dass Menschen, die sich ballaststoffreich ernähren, seltener Darmkrebs entwickeln. Institutionen wie die Deutsche Krebsgesellschaft weisen im Rahmen des Darmkrebsmonats März, mit dem die Felix-Burda-Stiftung seit mehr als 20 Jahren auf die Bedeutung der Darmkrebsprävention aufmerksam macht, immer wieder auf die Rolle der Ernährung für die Darmgesundheit hin.
Entscheidend für die Krebsprävention sei in erster Linie die Darmpassage, erklärt von Cramm: Ballaststoffe erhöhen durch ihr hohes Wasserbindungsvermögen das Stuhlvolumen und verstärken so die Darmperistaltik. Ist die Nahrung ballaststoffarm, braucht der Speisebrei mehr Zeit, um den Darm zu passieren. Schädliche Substanzen sind dann länger mit den Zellen der Darmschleimhaut in Kontakt und haben mehr Zeit, ihr krankmachendes Potenzial zu entfalten. Die westliche Ernährung sei aber nicht nur deshalb für die Darmgesundheit ungünstig.
Wenn es um ihre protektive Wirkung geht, sind Ballaststoffe nicht gleich Ballaststoffe: »Während nicht lösliche Ballaststoffe wie Cellulose und Lignin aus Getreide und Hülsenfrüchten helfen, den Nahrungsbrei schnell zu befördern, dienen wasserlösliche Ballaststoffe dazu, die gesunden Darmbakterien zu füttern«, erläutert von Cramm. Lösliche Ballaststoffe (Präbiotika) sind beispielsweise Inulin und Pektin aus Gemüse und Obst. Sie werden auch als MAC (microbiota accessible carbohydrates = Mikrobiota-zugängliche Kohlenhydrate) bezeichnet, da sie unverdaut in den Dickdarm gelangen und hier von Darmbakterien verstoffwechselt werden. Dabei entstehen kurzkettige Fettsäuren wie Butyrat, das wiederum die Darmzellen nährt, sodass diese genug Schleim bilden können und die schützende Darmbarriere intakt halten.
Veränderungen des Mikrobioms können dagegen die Darmbarriere stören. Dann droht ein Leaky-Gut-Syndrom (löchriger Darm), bei dem Toxine und Krankheitserreger durch die Darmschleimhaut in den Blutkreislauf gelangen und im Körper Entzündungen anfeuern können. Einige Wissenschaftler vermuten, dass ein Leaky Gut mit der Entwicklung von Autoimmunerkrankungen und Allergien in Verbindung steht. Butyrate sind für den Darm aber auch wertvoll, da sie zu einem sauren Milieu beitragen, die Aktivität von Entgiftungsenzymen steigern und das Wachstum von Darmtumorzellen hemmen könnten.
Eine Ernährung, bei der weder lösliche noch unlösliche Ballaststoffe zu kurz kommen, hält nicht nur den Darm selbst gesund. Sie verringert laut Deutscher Gesellschaft für Ernährung (DGE) auch das Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen, Adipositas und Typ-2-Diabetes. Die DGE empfiehlt für Erwachsene eine tägliche Zufuhr von 30 g Ballaststoffen. Das entspricht etwa 14,6 g/1000 kcal pro Tag, ein Richtwert, der laut DGE auch für Kinder und Jugendliche Anwendung finden kann. Er lässt sich durch den täglichen Verzehr von mindestens drei Portionen Gemüse inklusive Hülsenfrüchte und zwei Portionen Obst erreichen. Statt einer Portion Obst können es auch Nüsse oder Ölsaaten sein. Außerdem tragen Getreideprodukte in Form von Vollkorn und Kartoffeln zur Ballaststoffbilanz bei.
Manche Menschen meiden ballaststoffreiche Speisen, da sie nach dem Verzehr unter Blähungen oder schmerzhaften Krämpfen leiden. Dann kann es helfen, die Ballaststoffzufuhr langsam zu steigern. Außerdem ist ausreichend Bewegung hilfreich: »Viel Bewegung steigert die Darmperistaltik, sodass Blähungen weniger Probleme bereiten«, erläutert von Cramm. Werden Hülsenfrüchte zudem länger eingeweicht und gegart, sind sie leichter verdaulich. Auch mit Gewürzen lässt sich gegensteuern: »Fast alle starken Kräuter und Gewürze haben blähungstreibende Eigenschaften«, sagt von Cramm. »Dazu zählen neben den bekannten Verdauungsgewürzen Kümmel, Fenchel, Anis und Lorbeer auch Kreuzkümmel, Rosmarin und Bohnenkraut.«
Nicht nur ein Mangel an Ballaststoffen, auch bestimmte Lebensmittelzusatzstoffe können den Darm belasten. »Emulgatoren und Stabilisatoren stehen in Verdacht, Entzündungen im Darm zu fördern und die Epithelzellen zu schädigen«, so von Cramm. Diese sind zwar auf den Produkten gekennzeichnet, jedoch zum Beispiel als Carboxymethylcellulose oder Polysorbate nicht immer leicht als solche zu erkennen. Wer hochverarbeitete Lebensmittel meidet, zum Beispiel auch Produkte mit isolierter Speisestärke, Weißmehl oder gesättigten Fetten, und auf frische Lebensmittel setzt, ist auf der sicheren Seite.
Sogenannte resistente Stärke zählt wiederum zu den Leibspeisen der guten Darmbakterien. Dieser lösliche Ballaststoff entsteht, wenn gekochte Kartoffeln, Reis oder Nudeln abkühlen. Auch in altbackenem Brot ist gesunde Stärke enthalten. Erneut erhitzt oder getoastet wandelt sich jedoch ein Teil davon wieder zurück, sodass den Darmbakterien der Kartoffelsalat besser schmecken dürfte als Bratkartoffeln.
Besonders wertvoll für ein gesundes Mikrobiom sind fermentierte Lebensmittel: Joghurt, Kefir, Buttermilch, Skyr, Quark und Ayran enthalten Milchsäurebakterien (Probiotika) und bereichern damit die Vielfalt der Darmflora. Gute Quellen sind zudem frisches Sauerkraut oder Kimchi. Von Cramms persönlicher Tipp, um dem Darm regelmäßig gesunde Milchsäurebakterien zuzuführen, ist selbst gemachter Apfelessig. Er enthält im Gegensatz zu gekauftem Essig eine Vielzahl der gesunden Mikroben. Täglich unter die Salatsoße gemischt oder ein Esslöffel mit Wasser vermischt getrunken, peppen das gesunde Mikrobiom auf.
Eine Antibiotikatherapie kann dem Mikrobiom schaden, da die Wirkstoffe keinen Unterschied zwischen guten und pathogenen Bakterien machen. Um die Darmflora wieder aufzubauen und Durchfall zu vermeiden, sind während und nach der Behandlung probiotische Präparate mit Bakterienkulturen wie Enterococcus faecialis oder Escherichia coli hilfreich (wie Pro-Symbioflor® Immun, Omni-Biotic® 10). »Gleichzeitig sollte darauf geachtet werden, dass über eine ballaststoffreiche Ernährung die günstigen Darmbakterien mit MAC gefüttert werden«, empfiehlt von Cramm.
In den letzten Jahren hat sich die Low-Fodmap-Diät bei Reizdarmbeschwerden etabliert. Betroffene vermeiden fermentierbare Oligo-, Di- und Monosaccharide und Polyole, da sie mitunter Bauchschmerzen, Blähungen und Durchfälle verursachen können. Fodmap kommen in Milch und verschiedenen Obst- und Gemüsesorten vor. Die Kostform sollte jedoch nicht prinzipiell als beste Ernährungsform für einen gesunden Darm betrachtet werden, betont von Cramm. Vielmehr sei Low-Fodmap eine Schonkost, die hilft, akute Beschwerden zu lindern. Doch auch Reizdarmpatienten sollten diese Diät maximal vier bis sechs Wochen durchführen, um einen Nährstoffmangel zu vermeiden. Wird Low-Fodmap dauerhaft praktiziert, kann die Vielfalt des Mikrobioms abnehmen. Das wirkt sich nicht nur auf den Darm, sondern auf den gesamten Körper ungünstig aus.