Tarifvertrag für sächsische Apotheken vereinbart |
PZ/PTA-Forum |
12.12.2022 17:00 Uhr |
Ab 2023 gilt in Sachsen wieder ein Tarifvertrag für öffentliche Apotheken. / Foto: Adobe Stock/Marco2811
Seit 1998 besteht für das Bundesland Sachsen kein Tarifvertrag mehr für die Angestelltengehälter in den öffentlichen Apotheken. Das ändert sich nun zum 1. Januar 2023 – vereinbart wurde ein Rahmentarifvertrag und ein Gehaltstarifvertrag. Die entsprechenden Dokumente sind ab sofort auf der Adexa-Website öffentlich sowie beim SAV im geschlossenen Mitgliederbereich zu finden.
»Wir brauchen mehr motiviertes und gut ausgebildetes Personal«, betonte Dr. Reinhard Groß, stellvertretender SAV-Vorsitzender und Leiter der Tarifkommission. »Wir haben hier einen modernen und zeitgemäßen Tarifvertrag, der auch den zunehmenden Ansprüchen an die Arbeit der Apotheken in den kommenden Jahren gerecht wird.« Besonders hervorzuheben seien eine flexiblere und familienfreundlichere Arbeitszeitgestaltung, die Förderung und Honorierung individueller Leistung und eigenverantwortlicher Fort- und Weiterbildung sowie eine besondere finanzielle Unterstützung von Berufsanfängern. Tanja Kratt, Leiterin der Tarifkommission freute sich, dass nun bundesweit wieder Tarifverträge im gesamten Bundesgebiet gelten.
Die Basisgehälter für die Apothekenmitarbeiter in Sachsen liegen gemäß Auskunft von SAV und Adexa zwar 2 Prozent unter denen im BRTV. Dafür gibt es zwei freiwillige Module, die Arbeitgeber und Angestellte abschließen können: einerseits die leistungsorientierte Bezahlung (LOB), wie sie aus Nordrhein bekannt ist, zum anderen aber auch ein bundesweit bislang einmaliges Modul zur Vergütung nach Fort- und Weiterbildungsstand. Filialleiter erhalten zudem grundsätzlich 10 Prozent mehr Grundtarif.
Ab 01.01.2023 | Ab 01.01.2024 | |
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PTA im Praktikum | 793 Euro | 817 Euro |
PTA im 1. und 2. Berufsjahr | 2370 Euro | 2441 Euro |
PTA vom 3. bis zum 5. Berufsjahr | 2585 Euro | 2663 Euro |
PTA ab dem 6. Berufsjahr | 2895 Euro | 2982 Euro |
»Auch werden Berufsanfänger innerhalb der ersten Jahre kontinuierliche Gehaltssteigerungen erfahren, da wir vor allem jungen Kolleginnen und Kollegen einen zusätzlichen Anreiz für die Arbeit in der öffentlichen Apotheke bieten wollen«, erklärte Michael. So erreichen Mitarbeiter nicht erst nach zehn, sondern bereits nach sechs Jahren die höchste Gehaltsstufe und erzielen schneller Gehaltssteigerungen als im restlichen Bundesgebiet.
Die neue Gehaltstabelle gilt genau wie der Vertrag ab dem 1. Januar 2023 und hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Ein Zuschlag von 3 Prozent ist für alle Berufsgruppen automatisch zum 1. Januar 2024 vereinbart. Zwingend gilt der Vertrag, wenn der Arbeitnehmer Adexa-Mitglied und der Arbeitgeber tarifgebundenes Mitglied im SAV ist.
Orientiert habe man sich zwar an vielen Stellen an den bereits geltenden Rahmenverträgen, also dem BRTV sowie dem in Nordrhein gültigen Rahmentarifvertrag zwischen Adexa und der Tarifgemeinschaft der Apothekenleiter (TGL) Nordrhein. »Unser Vertrag unterscheidet sich aber durch eine innovative Vereinbarung zur Honorierung von eigenverantwortlicher Fort- und Weiterbildung«, betonte Dr. Sebastian Michael, Verhandlungsführer für den SAV, der die wichtigsten Vertragselemente vorstellte. Demnach erhalten Angestellte mit gültigem Fortbildungszertifikat für die Dauer von dessen Gültigkeit 2 Prozent Zuschlag. Das gilt sowohl für approbiertes wie auch nicht approbiertes pharmazeutisches Personal. Damit wolle man das Personal motivieren, sich regelmäßig fortzubilden. Hier übernimmt der Arbeitgeber zudem 50 Prozent der Teilnahmegebühren sowie bis zu 500 Euro pro Jahr für weitere Kosten wie Fahrt-, Übernachtungs- und Verpflegungskosten.
Wer als Approbierter eine abgeschlossene Weiterbildung für Allgemeinpharmazie, Klinische Pharmazie oder Arzneimittelinformation vorweisen kann, erhält dauerhaft einen Zuschlag von 1,25 Prozent auf das Tarifgehalt, plus weitere 0,75 Prozent bei einer Qualifikation in bestimmten Spezialisierungsbereichen der Weiterbildung wie Ernährungsberatung oder geriatrische Pharmazie.
Zertifizierte Fach-PTA mit einer einer entsprechenden Qualifikation unter Anerkennung einer deutschen Landesapothekerkammer erhalten einen Zuschlag von 1,5 Prozent. Fach-PKA für BWL und Marketing erhalten einen Zuschlag von 2,5 Prozent.
Bei der leistungsorientierten Bezahlung (LOB) gibt es Punkte für fachliche, soziale und Methodenkompetenz sowie Arbeitseffizienz, zum Beispiel die Beratungsqualität, Teamfähigkeit oder die Umsetzung von Fortbildungsinhalten. SAV und Adexa gehen davon aus, dass die meisten Mitarbeitenden ohnehin hier im höheren Punktebereich liegen, der ein Gehaltsplus von 2 Prozent bringt. Wer 100 Punkte erreicht, bekommt bis zu 3 Prozent mehr Gehalt.
Wichtig war den Parteien auch eine flexible Arbeitszeitgestaltung mit einem Jahresarbeitszeitkonto. Wer laut Vertrag zwischen 36,5 und 40 Wochenstunden vereinbart hat, kann zwischen 29 und 48 Stunden pro Woche arbeiten. Minder- oder Mehrstunden sind innerhalb von sechs Monaten auszugleichen. Wer weniger als 36,5 Stunden Wochenarbeitszeit hat, kann zwischen 70 und 130 Prozent variieren.
Der Urlaub beträgt für alle Mitarbeiter 34 Werktage, wobei jeder Tag Werktag ist, der nicht Sonn- und Feiertag ist. Ist der Mitarbeiter an weniger als sechs Werktagen in der Woche tätig, so ist der Urlaubsanspruch von Werktagen in Arbeitstage umzurechnen. Ab dem fünften Jahr Betriebszugehörigkeit gibt es einen zusätzlichen Urlaubstag.
»Grundlegend neu gedacht haben wir die Notdienst- und Rufbereitschaft«, erklärte Michael. In Sachsen gilt vielerorts: Wer innerhalb von zehn Minuten in der Apotheke ist, kann unter bestimmten Umständen von zu Hause aus Notdienst leisten (Rufbereitschaft). Hier ist die Vergütung allerdings niedriger als bei einer in der Apotheke durchgeführten Notdienstbereitschaft. Ist im Notdienst viel los und es ist mehr als ein Mitarbeiter nötig, gibt es unterschiedliche Zuschläge. »Wichtig war der Adexa-Tarifkommission, dass die sogenannte 13-Prozent-Regelung aus dem Bundesrahmentarifvertrag, wonach Notdienste abgegolten sind, wenn das Gehalt mindestens 13 Prozent über dem Tarifgehalt liegt, im Tarifvertrag für Sachsen nicht enthalten ist«, ergänzt Kratt.
Der SAV hofft, dass der neue Vertrag mit seinen freiwilligen Modulen und flexibler Arbeitszeitgestaltung auch in Konkurrenz mit anderen Beschäftigungsmöglichkeiten wieder mehr junge Menschen in die öffentlichen Apotheken lockt. Es habe ein einstimmiges Votum für die neuen Tarifverträge in der SAV-Mitgliederversammlung gegeben, sodass der SAV von einer hohen Umsetzungsquote ausgeht.
Adexa-Bundesvorstand Andreas May kommentierte: »Von unseren Mitgliedern wissen wir, dass Tarifbindung einen wichtigen Aspekt bei der Wahl des Arbeitsplatzes darstellt. Und auch, dass die Tarifverträge Sicherheit für beide Seiten – Beschäftigte und Arbeitgeber – bieten und damit auch helfen, arbeitsrechtlichen Problemen vorzubeugen.«
Über die neuen Vertragsinhalte wolle man auch bei der nächsten Verhandlungsrunde mit dem ADA für den bundesweiten Tarifvertrag sprechen, erklärte die Apothekengewerkschaft auf Nachfrage der Pharmazeutischen Zeitung. Hier gehen die Verhandlungen im März weiter. In Nordrhein arbeite man bereits an einem ähnlichen Konzept für zusätzliche Vergütungsmodule, die an Fort- und Weiterbildung gekoppelt sind.