Haare |
Das Haupthaar hat für den Menschen von jeher eine große Bedeutung. Prächtiges Haar wird gleichgesetzt mit Attraktivität, Gesundheit und Jugend. Umso belastender, wenn die Haare ausfallen, sei es durch eine Erkrankung, eine Chemotherapie, aufgrund des Alters oder durch genetisch bedingten Haarausfall. Methoden der Behandlung gibt es viele, sie reichen von lokalen Anwendungen über Tabletten bis hin zu einer Transplantation.
Dass Haare verloren gehen, ist erst einmal nicht ungewöhnlich. Täglich können natürlicherweise bis zu 60 Haare ausfallen. Gleichzeitig wachsen stetig neue nach, sodass der Verlust nicht weiter auffällt. Erst wenn es mehr sind, insbesondere mehr als 90, ist von verstärktem Haarausfall (Effluvium) die Rede. Dazu kommt es, wenn das Wachstum unterbrochen wird und dadurch mehr Haare in die Ruhephase übergehen. Je nach Intensität der Störung tritt der Haarausfall zeitverzögert auf. So können bei einer Chemotherapie innerhalb von ein bis zwei Wochen massiv die Haare ausfallen, während sich bei ernährungsbedingten Mangelzuständen oder hormonellen Störungen der Haarausfall schleichend vollzieht und nicht urplötzlich, wie es Betroffene oft wahrnehmen.
Androgenetische Alopezie ist die am häufigsten auftretende Form des Haarausfalls. Sie ist anlagebedingt und die Wachstumszone reagiert überempfindlich auf das männliche Geschlechtshormon Testosteron, beziehungsweise auf sein Stoffwechselprodukt Dihydrotestosteron (DHT). Es verkürzt die Wachstumsphase und lässt die Haarwurzel verkümmern, wenn nicht rechtzeitig gegengesteuert wird.
Zur Behandlung der androgenetischen Alopezie stehen für Männer topische und systemische Behandlungen zur Verfügung. Der Wirkstoff Minoxidil wird als 5%igen Lösung auf die Kopfhaut aufgetragen, morgens und abends jeweils 1 ml (zum Beispiel Regaine® Männer oder Minoxidil B H Tin 50 mg/ml® für Männer). Für einen nachhaltigen Erfolg ist eine dauerhafte Behandlung bis ins hohe Alter erforderlich.
Männern steht mit Finasterid zudem eine systemische Therapie zur Verfügung, die ärztlich verschrieben wird. Der 5-alpha-Reduktase-Hemmer wurde ursprünglich für die Behandlung der benignen Prostatahyperplasie zugelassen.
Die Wahl der Therapie hängt vor allem von der Ausprägung und Aktivität des Haarausfalls ab: Minoxidil ist im Frühstadium geeignet oder wenn der Patient kein Medikament einnehmen möchte. Bei fortgeschrittenem Haarausfall und starker Aktivität oder wenn die äußerliche Therapie als zu aufwendig empfunden wird, ist Finasterid angezeigt. Beide Optionen sind auch gleichzeitig möglich, da sie unterschiedliche Wirkmechanismen haben.
Für Männer und Frauen gibt es zudem die äußerliche Behandlung mit dem Wirkstoff Alfatradiol (zum Beispiel Ell-Cranell® oder Pantostin®).
Frauen steht nur die äußerliche Therapie mit Minoxidil als 2%igen Lösung zur Verfügung (zum Beispiel Regaine® Frauen oder Minoxidil Bio H Tin 20 mg/ml® für Frauen). Laut Beipackzettel ist eine Dosierung von zweimal täglich 1 ml vorgesehen. Da 1 ml oft nicht für den ganzen Kopf ausreicht, können auch einmal täglich 2 ml der 2%igen Lösung aufgetragen werden. Das bei Männern angewendete Finasterid ist für Frauen in Deutschland dagegen nicht zugelassen, da es bei einer möglichen Schwangerschaft die männliche Genitalentwicklung des Fetus stören kann.
Frauen haben zudem die Möglichkeit, einmal täglich 1 ml einer 5%igen Lösung zu verwenden. Allerdings besteht hier ebenso das Problem der Verteilung auf der Kopfhaut. Werden dagegen größere Mengen der 5%igen Lösung verwendet, erhöht sich das Risiko einer vermehrten Behaarung im Gesicht.
Für Männer und Frauen gibt es zudem die äußerliche Behandlung mit dem Wirkstoff Alfatradiol (zum Beispiel Ell-Cranell® oder Pantostin®).
Alopecia areata ist die zweithäufigste Form von Haarausfall. Sie trifft alle Geschlechter und kann über vereinzelte kahle Stellen am Kopf bis zur Glatze führen. 1 bis 2 Prozent der Menschen sind weltweit davon betroffen. Verantwortlich sind fehlgeleitete T-Lymphozyten, die zur Entzündung führen und den Haarfollikel angreifen.
Meist tritt der Haarausfall am Kopf auf, selten auch an anderen Körperstellen. Es beginnt in der Regel mit kleinen kreisrunden Stellen, zu der sich weitere gesellen. Verschmelzen sie, entstehen größere Areale, die sich in der Regel weiter ausbreiten, wenn keine Behandlung erfolgt.
Die Chance, dass die Haare von selbst nachwachsen, ist gering und sinkt mit jedem weiteren Schub und zunehmender Ausbreitung. Solange die Haarwurzel noch nicht zerstört ist, können die Haare unter einer adäquaten Behandlung jedoch grundsätzlich wieder nachwachsen.
Um die Entzündung zu unterdrücken, kommen stark wirksame Corticosteroide wie Clobetasol zum Einsatz, die als Lösung und Creme mindestens drei Monate angewendet werden.
Bei ausgedehnten Formen kommt für Erwachsene zudem eine topische Immuntherapie mit DCP (Diphenylcyclopropenon) in Betracht. Die mehrmonatige Applikation provoziert ein Kontaktekzem, dass die fehlgeleiteten Immunzellen von den Haarwurzeln ablenkt. DCP ist jedoch nicht als Mittel gegen Haarausfall zugelassen und birgt gewisse gesundheitliche und rechtliche Risiken.
Ergänzend kann bei Alopecia areata über mehrere Monate Zink supplementiert werden. Zink fördert das Haarwachstum und reguliert die Funktion der T-Lymphozyten. Außerdem ist seit 2022 der Januskinase-Inhibitor Baricitinib für eine ausgedehnte Alopecia areata zugelassen.
Bei diffusem Haarausfall sollte man sich folgende Fragen stellen: Wie lange besteht der Haarausfall? Habe ich kürzlich eine Infektion durchgemacht? Ist meine Ernährung vegetarisch oder vegan? Nehme ich Medikamente ein, die das Haarwachstum stören?
Auf der Liste dieser Medikamente stehen, abgesehen von Chemotherapeutika, Betablocker an vorderster Stelle. Hinzu kommen Wirkstoffe zur Blutverdünnung wie Phenprocoumon oder Heparin, Psychopharmaka, Lipidsenker und Schmerzmittel. Bei Diclofenac sei das Risiko höher als bei Ibuprofen. Auch viele andere Medikamente oder Antibaby-Pillen mit Gestagenen, die eine androgene Restwirkung haben, können das Haarwachstum stören.
Veränderungen im Hormonhaushalt können ebenfalls für Haarausfall verantwortlich sein, etwa bei vermehrter Produktion männlicher Hormone, wenn die Pille abgesetzt wird oder bei einer Über- oder Unterfunktion der Schilddrüse. Auch bei starker Gewichtsabnahme können Hormone aus dem Fettgewebe freigesetzt werden, die Haarausfall begünstigen. Nicht selten fallen zudem sechs bis acht Wochen nach einer Schwangerschaft infolge der hormonellen Umstellung vermehrt Haare aus.
Besteht Verdacht auf Nährstoffmangel, etwa nach Crashdiäten oder bei einseitiger Ernährung, sollten Eisen, Zink, Vitamin D3 und Biotin überprüft werden. Im Hinblick auf das Haarwachstums kann ein Ferritinwert im unteren Normbereich schon zu wenig sein.
Dieser Trugschluss existiert in vielen Kulturen. Doch Haare sind tote Hornstrukturen, die sich durch einen Anschnitt nicht zum Wachstum anregen lassen. Allerdings kann lockiges und kurzes Haar lichte Stellen besser kaschieren als glattes und langes Haar.
Wissenschaftliche fundierte Studien, die eine haarwuchsfördernde Wirksamkeit belegen, gibt es dafür nicht. Auch nicht für Kräuter wie Basilikum oder Brennnessel. Wer mit Hausmittelchen experimentiert, läuft Gefahr, Zeit zu verlieren. Denn je länger der Haarausfall besteht, umso schwerer ist er zu behandeln.
Weder Blondieren noch Färben, Tönen oder Dauerwelle haben einen Einfluss auf das Haarwachstum. Auch ob ein teures oder preiswertes Shampoo verwendet wird, ist diesbezüglich irrelevant wie Öko-Test vor Jahren feststellte. Denn das Wachstum findet in der Zwiebel statt, tief unten im Fettgewebe, wo Pflegemittel nicht hingelangen.
Wer über Jahrzehnte einen stramm gebundenen Zopf trägt, muss damit rechnen, dass die Haarwurzel durch die mechanische Belastung nachhaltig geschädigt wird. Die Rede ist von der Zugalopezie. Das betrifft jedoch vor allem Frisuren, in die große Mengen Kunsthaar oder Perlen eingeflochten sind, sodass hohes Gewicht auf der Wurzel lastet. Ein locker gebundener Zopf ist dagegen kein Problem.
Es gibt keine Beweise, dass Stress beim Menschen die Haare ausfallen lässt. Stress ist eine Schublade, in die sich viel hineinstecken lässt. In den meisten Fällen findet sich bei genauer Anamnese eine handfeste Ursache für den Haarausfall.