Rücken |
Rückenbeschwerden gehören zu den häufigsten Erkrankungen unserer Zeit. Apotheken sind oft die erste Anlaufstelle von Patienten mit Schmerzen im Rücken. Neben ernsthaften Erkrankungen des Bewegungsapparates gelten langes Sitzen und mangelnde Bewegung als Hauptursache. Geeignete Bewegung kann die Rückenmuskulatur stabilisieren, die Wirbelsäule und Gelenke mobilisieren und die Bandscheiben mit Nährstoffen versorgen.
In den allermeisten Fällen beruhen Rückenbeschwerden auf einer sogenannten muskulären Dysbalance: Manche Muskeln sind überanstrengt und verhärten, während andere verkümmern. Schuld sind einseitige Bewegungsabläufe, Fehlhaltungen, schwere körperliche Arbeit, Bewegungsmangel und Übergewicht. Oft spielen auch psychosoziale Faktoren eine Rolle – etwa eine allgemeine Lebensunzufriedenheit oder eine hohe Stressbelastung.
Ein Bandscheibenvorfall, eine Verengung des Wirbelkanals oder ein Wirbelbruch liegt bei nur etwa 4 bis 7 Prozent der Patienten vor. Noch seltener verbirgt sich eine Krebs- oder Rheumaerkrankung dahinter. Manchmal geht der Schmerz gar nicht vom Bewegungsapparat selbst aus, sondern von benachbarten Organen. So kann sich zum Beispiel eine Gallenblasen-, Bauchspeicheldrüsen- oder Eierstockentzündung unter anderem in Kreuzschmerzen äußern. Auch Endometriose, Harnsteine, Prostatakrebs oder sogar ein Herzinfarkt machen sich gelegentlich auf diese Weise bemerkbar. Insgesamt finden sich solche wirbelsäulenfernen Ursachen aber nur bei etwa 2 Prozent der Patienten.
Mediziner sprechen dann von unspezifischem oder funktionellem Rückenschmerz – je nach Dauer akut (höchstens sechs Wochen bestehende), subakut (sechs bis zwölf Wochen) oder chronisch (länger als zwölf Wochen).
Von zentraler Bedeutung bei der Behandlung unspezifischer Rückenschmerzen ist die Einsicht, dass Ruhe und Schonung die Genesung nicht fördern, sondern behindern. Wichtig ist daher körperliches Training, wozu vor allem Krafttraining sowie Dehnen gehören sollten.
Unter den verschiedenen Laufdisziplinen belastet Joggen die Wirbelsäule und Gelenke am stärksten. Denn je nach Lauftempo wirkt beim Aufsetzen des Fußes das Drei- bis Fünffache des Körpergewichts auf sie ein. Freizeitsportler sollten daher besser auf weichen Böden unterwegs sein oder bei Schmerzen auf Nordic Walking umsteigen, das auch Füße und Hüften schont.
Am häufigsten werden bei Rückenschmerzen NSAR (Nicht Steroidale Antirheumatika) eingesetzt. Zugelassen und empfohlen für leichte bis mäßig starke Schmerzen sind in Deutschland Ibuprofen, Diclofenac und Naproxen in niedriger Dosierung. Sie können allerdings bei empfindlichen Menschen zu Magenbeschwerden bis hin zu Magenblutungen führen. Für Patienten mit schweren Herz-, Nieren- oder Leberproblemen sind NSAR nicht geeignet.
Nicht empfohlen wird die Einnahme von Paracetamol: Es hat sich in Studien nicht als wirksamer als Placebo erwiesen. Auch ASS (Acetylsalicylsäure) wird in den Leitlinien nicht als Mittel der Wahl genannt. Wenn NSAR kontraindiziert sind oder nicht vertragen werden, kann der Arzt sogenannte Coxibe (COX-2-Hemmer) oder Metamizol verordnen. Bei starken Schmerzen kommen auch Opiode zum Einsatz.
Von Muskelrelaxanzien rät die Nationale Versorgungsleitlinie ebenfalls ab. Sie sind zwar kurzfristig wirksamer als Placebo, machen aber oft benommen, verursachen Magen-Darm-Probleme und in seltenen Fällen schwere allergische Reaktionen.
Bei akuten und chronischen unspezifischen Rückenschmerzen ist die schmerzlindernde Wirkung von Capsaicin-Pflastern und -Salben relativ gut belegt. Chili und Cayennepfeffer fördern äußerlich angewandt die Durchblutung der Muskulatur und erzeugen ein Wärmegefühl, das Verspannungen mindern kann. Darüber hinaus wirkt Capsaicin als Neuromodulator: Die Schmerzrezeptoren werden zunächst übererregt und in der Folge gedämpft.
Auch für Diclofenac-Emulgel und Ketoprofen-Gel ist bei Schmerzen des Bewegungsapparats eine gute Wirkung belegt. Studien zur Anwendung speziell bei Kreuzschmerzen fehlen bislang aber. Der Vorteil der lokalen NSAR-Anwendung: Das Risiko gastrointestinaler Nebenwirkungen ist deutlich geringer. Um die Schmerzen lindern zu können, müssen die Substanzen jedoch in ausreichender Konzentration an den Wirkort gelangen.
Sowohl für Pflaster als auch für Cremes gilt: Sie dürfen nur auf unverletzter Haut und nicht gleichzeitig mit anderen Topika oder zusätzlichen Wärmequellen angewendet werden; der Kontakt mit Schleimhäuten und Augen ist zu vermeiden. Nach der Anwendung sollten die Hände gründlich mit Seife gewaschen werden. Bei empfindlichen Menschen kann die Haut an der Applikationsstelle brennen, schwellen, schmerzen oder Pusteln bilden.
Hautverträglicher sind Wärmepflaster, die Eisenpulver enthalten. Nach dem Öffnen der Verpackung erzeugen sie durch eine chemische Reaktion mit dem Luftsauerstoff Wärme, die acht bis zwölf Stunden anhält. Ebenfalls speziell zur Behandlung akuter Rückenschmerzen zugelassen ist eine Creme mit Beinwellwurzel-Extrakt.
Nur bei etwa 4 bis 7 Prozent der Patienten ist ein Bandscheibenvorfall, eine Verengung des Wirbelkanals oder ein Wirbelbruch die Ursache der Schmerzen.
Nachgewiesen ist, dass nicht nur eine häufige Überdiagnostik, sondern auch unnötig lange Krankschreibungen und passive Therapiemaßnahmen – etwa Bettruhe und rückenstützende Hilfsmittel – die Erkrankung verlängern können.
Schmerzbedingte Operationen an der Wirbelsäule werden zunehmend als sinnlos angesehen. Denn anders als von vielen Patienten erwartet, lässt sich durch eine Operation die Rückengesundheit meist nicht wieder vollkommen herstellen. Schätzungen zufolge ist jeder Dritte, der sich an der Wirbelsäule operieren lässt, mit dem Ergebnis nicht zufrieden.
Bildgebende Verfahren wie Röntgen, CT und MRT zeigen zwar häufig degenerative Veränderungen der Wirbelsäule an, die man operativ angehen könnte. Solche Veränderungen lassen sich ab einem bestimmten Lebensalter jedoch bei fast jedem Menschen feststellen und müssen nicht automatisch die kausale Ursache für die klinischen Symptome sein.
Selbst ein Bandscheibenvorfall ist nicht immer operationsbedürftig. Wenn nur Schmerzen auftreten, kann Abwarten ausreichen. Eine Operation an der Wirbelsäule ist nur selten unumgänglich, beispielsweise bei Lähmungserscheinungen, Störungen bestimmter Körperfunktionen wie der Blase oder des Darms oder neurologische Ausfallerscheinungen.
Meistens verschwinden unspezifische Rückenschmerzen durch körperliche Aktivität und schmerzlindernde Maßnahmen innerhalb kurzer Zeit wieder. Halten sie länger als vier Wochen an, sollte ein Arzt nach psychosozialen Risikofaktoren fahnden.
Als Risikofaktoren für eine Chronifizierung gelten Depressivität, Ängstlichkeit, beruflicher oder privater Stress und eine »somatische Fixierung«, also die Überzeugung, dass hinter den Beschwerden eine schwerwiegende körperliche Ursache steckt. Auch Übergewicht, Rauchen, eine geringe körperliche Kondition und übermäßiger Alkoholkonsum erhöhen die Wahrscheinlichkeit für chronische Rückenschmerzen. Der Arbeitsplatz spielt ebenfalls eine wichtige Rolle. So verstärken beispielsweise häufige körperliche Schwerarbeit, berufliche Unzufriedenheit, Mobbing und mangelnde Anerkennung das Risiko der Chronifizierung.
Warnhinweise für eine möglicherweise ernsthafte Schmerzursache, die auf jeden Fall ärztlich abgeklärt und behandelt werden sollte, sind: