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Komplexes Geschehen

Therapie bei Lungenhochdruck

Die pulmonale Hypertonie ist eine ernst zu nehmende Krankheit. Zwar bessern neue Medikamente die Behandlungsaussichten, dennoch ist die Prognose für die meisten Formen der Erkrankung schlecht. Betroffene müssen sich auf dauerhafte Einschränkungen im Alltag einstellen.
AutorKontaktNicole Schuster
Datum 28.08.2020  12:06 Uhr

Nicht nur im Körperkreislauf, auch im Lungenkreislauf kann der Gefäßwiderstand und damit auch der Blutdruck chronisch erhöht sein. Die Sammelbezeichnung dafür ist pulmonale Hypertonie, kurz PH, oder Lungenhochdruck. »Bei diesen Krankheiten handelt es sich um hämodynamische Störungen«, erklärt Professor Dr. med. Claus Neurohr, Chefarzt der Abteilung für Pneumologie und Beatmungsmedizin der Klinik Schillerhöhe des Robert-Bosch-Krankenhauses (RBK) in Gerlingen im Gespräch mit PTA-Forum. Normal ist ein Druck unterhalb eines Wertes von 20 mmHg in der Lungenarterie. »Überschreitet der pulmonalarterielle Druck hingegen 20 mmHg, leiden Patienten unter einer pulmonalen Hypertonie«, so der Experte.

In Deutschland sind etwa 1 Prozent der Bevölkerung davon betroffen. Mit dem Alter steigt das Risiko. So beträgt die Prävalenz bei über 65-Jährigen etwa 10 Prozent.

Auch Medikamente Ursache

Im Jahr 2018 haben Wissenschaftler auf der 6. Weltkonferenz für Lungenhochdruck in Nizza zuletzt die klinische Klassifikation überarbeitet. »Wir teilen die Krankheit gemäß dieser Klassifikation in fünf Klassen und mehrere Subklassen auf. Die Klassifikation ist recht komplex und richtet sich nach der Ätiologie der einzelnen Formen«, sagt Neurohr.

Die erste Klasse beschreibt pulmonalarterielle Hypertonien (PAH). Die Subgruppen geben an, wodurch der Lungenhochdruck ausgelöst wird. Die primäre Form tritt idiopathisch auf, also ohne erkennbaren Auslöser (idiopathische pulmonal-arterielle Hypertonie, IPAH). Des Weiteren kann eine PAH genetisch bedingt sein, assoziiert mit bestimmten Grunderkrankungen oder durch Arzneimittel oder Toxine induziert. Als zugrundeliegende Krankheiten kommen Bindegewebserkrankungen, angeborene Herzfehler, eine HIV-Infektion oder die tropische Wurmkrankheit Schistosomiasis infrage. Bei den Medikamenten oder Toxinen als Auslöser gilt eine Assoziation unter anderem für Appetitzügler wie Aminorex, Fenfluramin und Dexfenfluramin sowie Methamphetamine als belegt. Als wahrscheinlich wird sie zum Beispiel für Amphetamine, L-Tryptophan und Johanniskraut angenommen.

Bei der zweiten Hauptgruppe der PH liegen Erkrankungen des linken Herzens ursächlich vor, etwa die systolische oder diastolische Dysfunktion oder Herzklappenfehler. Die PH in der dritten Gruppe ist durch eine Lungenerkrankung wie die chronisch obstruktive Lungenerkrankung (COPD) oder Störungen wie das Schlafapnoe-Syndrom induziert. Die vierte Gruppe beinhaltet Formen, bei denen ursächlich ein Verschluss der Pulmonalarterien etwa infolge chronischer Thromboembolien (CTEPH) vorliegt. In der letzten Gruppe fassen Ärzte Typen der PH mit unklaren multifaktoriellen Mechanismen zusammen.

Widerstand erhöht

Charakteristisch für die Krankheit ist, dass sich die Blutgefäße im Lungenkreislauf verengen und die Gefäßwände verdicken. Aus ungeklärten Gründen gerät das Gleichgewicht aus unterschiedlichen Botenstoffen im Blut durcheinander. Die Konzentration an gefäßverengenden Stoffen wie Endothelin, Serotonin und Thromboxan steigt an, während die Menge an gefäßerweiternden Substanzen wie Prostazyklin oder Stickstoffmonoxid zurückgeht. Das Ungleichgewicht bewirkt, dass sich die Gefäße stärker zusammenziehen als normal und sich ihr Innenraum verengt. Es kann weniger Blut durch die Gefäße fließen, die Sauerstoffversorgung des Körpers verschlechtert sich. Eine weitere Beobachtung: Zellen wachsen in den Gefäßwänden der Blutgefäße ungehemmt.

Ursache sind starke Wachstumsreize auf Endothelzellen, glatte Muskelzellen und umgebende Zellen. Die verdickten Gefäßwände verengen die Gefäße zusätzlich. Da Muskelzellen in Bindegewebe umgebaut werden, lässt allmählich auch die Elastizität der Gefäße nach. Diese Veränderungen sind irreversibel. Einen temporär verstärkten Blutfluss etwa bei körperlicher Belastung können die Gefäße nicht mehr bewältigen. Durch die Veränderungen leidet auch das Herz. Es muss gegen einen größeren Widerstand anpumpen, dadurch verdickt sich der Herzmuskel und verliert ebenfalls an Elastizität. Die rechte Herzhälfte wird größer, die linke hingegen zusammengedrückt. Der Transport des benötigten Blutvolumens, um die Körperfunktionen aufrecht zu erhalten, fällt immer schwerer.

Leistungsfähigkeit sinkt

Patienten fühle sich infolge dieser Veränderungen weniger leistungsfähig. Weitere mögliche Symptome sind Kurzatmigkeit, Müdigkeit, körperliche Schwäche, Angina pectoris, trockener Husten und Synkopen. Auch Brustschmerzen und Ödeme in den Beinen können auftreten. »Nicht nur für die nachgeschaltete Lunge hat die Krankheit negative Konsequenzen«, sagt Neurohr. »Auch das vorgeschaltete Herz leidet. Eine Rechtsherzinsuffizienz kann entstehen.«

Problematisch ist, dass Ärzte die Erkrankung oft nicht frühzeitig erkennen. Ein Grund dafür: Die PH schreitet nur sehr langsam voran. Symptome wie eine eingeschränkte körperliche Belastbarkeit oder Atemnot schreiben Mediziner und Betroffene schnell einer vorhandenen Grunderkrankung der Lunge zu. Um die Diagnose PH sicher stellen zu können, müssen Ärzte eine Katheteruntersuchung des rechten Herzens durchführen.

Komplexe Therapie

Gemäß der Leitlinie der European Society of Cardiology/European Respiratory Society von 2015 besteht die Therapie aus Allgemeinmaßnahmen, einer gezielten Pharmakotherapie und als letzter Option einer palliativen, also rein symptomatischen Behandlung. Zu den Allgemeinmaßnahmen gehören Impfungen gegen Influenza und Pneumokokken, eine psychologische Betreuung und betreutes körperliches Training, Patientinnen sollten eine Schwangerschaft vermeiden. Die Gabe von Sauerstoff kann die Atemnot lindern und das Wohlbefinden verbessern. Liegen bereits Schäden am rechten Herzen und dadurch eine Flüssigkeitsretention vor, können Diuretika helfen.

Medikamente bei Klasse 1

»Bei Nizza-Klasse 1, also der pulmonalen arteriellen Hypertonie, stehen aktuell Präparate aus fünf Wirkstoffklassen zur Verfügung«, erzählt Neurohr. Das Problem: »Die PH beginnt gemäß Definition bereits bei einem pulmonalarteriellen Druck von über 20 mmHg. Die bisher zugelassenen Medikamente wurden aber bislang nur bei Patienten mit einem Druck ≥ 25 mmHg geprüft«, so der Chefarzt.

Bei idiopathischer PAH wirken gelegentlich Calciumantagonisten drucksenkend. Ob Patienten darauf ansprechen, können Ärzte mit einem bestimmten Test herausfinden. In allen anderen Fällen sollten Mediziner die Behandlung mit einem der zugelassenen Endothelin-Rezeptorantagonisten, also Ambrisentan, Bosentan oder Macitentan, beginnen oder mit einem Phosphodiesterase-5-Hemmer wie Tadalafil oder Sildenafil. Endothelin-Rezeptorantagonisten blockieren die Endothelin-(ET)-A-, beziehungsweise -B-Rezeptoren. Dadurch verhindern sie, dass das gefäßverengende Endothelin an seinem Rezeptor andocken kann. Sildenafil und Tadalafil verhindern wiederum, dass der gefäßerweiternde Botenstoff cGMP abgebaut wird.

Sprechen Patienten auf diese Arzneimittel nicht ausreichend an, kann der Arzt zusätzlich eines der Prostazyklin-Analoga Epoprestenol, Treprostinil oder Iloprost verschreiben. Sie werden intravenös oder subkutan injiziert beziehungsweise mehrmals täglich inhaliert. Die Substanzen erweitern wie Prostacyclin die Gefäße. Der Prostacyclin-Rezeptor-Agonist Selexipag hingegen ist oral einzunehmen. Der Wirkstoff und sein aktiver Metabolit wirken als selektive IP-Rezeptor-Agonisten, also am Zielrezeptor von Prostacyclin.

Stimulatoren der löslichen Guanylzyklase (sGCStimulatoren) wie Riociguat als weitere Therapieoption bewirken, dass der Körper mehr gefäßerweiterndes cGMP bildet.

Die Behandlung sollte in einem spezialisierten PH-Zentrum erfolgen, wo Ärzte eine individuelle Therapie zusammenstellen, meistens bestehend aus einer Kombination verschiedener Substanzen.

Prognosen individuell

Herzfehler als einen Auslöser aus der Klasse 2 kann eine Operation beheben. Patienten, die unter einer Form der Klasse CTEPH leiden, kann ebenfalls oft geholfen werden. »Spezielle Operationen können diesen Patienten eine dauerhafte Heilung ermöglichen«, erklärt der Pneumologe. Riociguat ist als pharmakotherapeutische Option zugelassen, wenn die Krankheit nicht operabel ist.

»Gegen die häufigsten Formen der PH bei Linksherzerkrankung oder Lungenerkrankungen stehen uns leider zurzeit noch keine zugelassenen Arzneimittel zur Behandlung zu Verfügung«, sagt Neurohr. »Wesentlich für die Behandlung ist die adäquate Therapie der Grunderkrankung. Zudem sollten Ärzte die Symptome der Patienten lindern.«

Insgesamt hat sich dank moderner Therapien die Prognose in den letzten Jahren verbessert. Die Behandlungsaussichten sind aber weiterhin individuell verschieden und hängen unter anderem von der Ursache des Lungenhochdrucks, dem Krankheitsstadium zum Zeitpunkt der Diagnose und der Funktion des rechten Herzens ab.

Alltag bewältigen

Vor allem die verminderte körperliche Belastbarkeit ist eine Herausforderung für Betroffene. Der Besuch von Selbsthilfegruppen kann helfen. Die PTA kann eine Liste mit geeigneten Selbsthilfegruppen anbieten und die Patienten auffordern, notfalls auch psychologische Hilfe in Anspruch zu nehmen. Im Alltag können Entspannungstechniken wie Progressive Muskelentspannung nach Jacobson, Yoga oder Autogenes Training helfen. Entsprechende Kurse bieten viele Volkshochschulen an. Nicht selten schränkt Tagesmüdigkeit die Aktivität ein. Hier ist es ratsam, ein Tagebuch zu schreiben, in dem Betroffene festhalten, wann und nach welchen Auslösern sie tagsüber besonders müde sind. Eine Vorlage für ein solches Tagebuch können Patienten online bestellen.

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