Therapie eines Testosteronmangels |
Symptome wie Müdigkeit, sexuelle Unlust und Erektionsstörungen sollten Männer beim Arzt abklären lassen – es könnte ein Testosteronmangel dahinterstecken. / Foto: Getty Images/John Fedele
Fühlen sich Männer ab einem gewissen Alter müde, antriebslos und empfinden eine sexuelle Unlust, wird das häufig als Midlife-Crisis abgetan, berichtet Privatdozent Dr. Atiqullah Aziz, Chefarzt Urologie an der München Klinik Bogenhausen, im Gespräch mit PTA-Forum. Dabei könnte ein Testosteronmangel (Hypogonadismus) die Ursache sein. Das Hormon beeinflusst nicht nur das sexuelle Verlangen, die Fortpflanzungsfähigkeit und generell die Lebenslust, sondern auch Muskelwachstum, Knochendichte und Fettstoffwechsel. Auch sorgt es für Körperbehaarung und Bartwuchs.
Ab circa 40 Jahren nimmt die Produktion des Hormons, das zu 95 Prozent in den Hoden produziert wird, stetig ab, etwa 0,4 bis 1 Prozent pro Jahr. Begleiterkrankungen und Übergewicht können den Prozess deutlich verstärken. Den meisten Betroffenen bereite der geringere Testosteronspiegel kaum Probleme, so Aziz.
»Doch bei manchen sinkt er so stark, dass Beschwerden auftreten, beispielsweise Antriebslosigkeit, Müdigkeit, Rückbildung der Muskulatur, vermehrtes Bauchfett und Faltenbildung, sexuelle Unlust und Erektionsstörungen. Ebenso kann die Körper- und Schambehaarung zurückgehen und die Knochenfestigkeit abnehmen, bis hin zu Osteoporose, oder es kommt zu depressiven Verstimmungen.« Darüber hinaus erhöhe ein niedriger Testosteronspiegel das Risiko, an Bluthochdruck und Diabetes zu erkranken.
Ob es sich um einen krankhaften Mangel handelt, kann nur ein Arzt feststellen, und zwar über einen Bluttest. Dieser sei jedoch nur angezeigt, wenn Betroffene tatsächlich Beschwerden haben, betont Professor Dr. Michael Zitzmann, Endokrinologe, Androloge und Diabetologe am Centrum für Reproduktionsmedizin und Andrologie (CeRA) der Universitätsklinik Münster, gegenüber PTA-Forum. »Testosteron gibt man auf Symptome hin, nicht nach Laborwerten.«
Problematisch sei allerdings, dass viele Männer trotz ihrer Symptome keinen Arzt beziehungsweise Urologen aufsuchten. »Anders als die Frauen, die es meist gewohnt sind, regelmäßig zum Gynäkologen zu gehen, haben viele Männer keinen regelmäßigen ärztlichen Kontakt und gehen oft erst, wenn die Symptome bereits fortgeschritten sind.« Entsprechend schade es nicht, wenn PTA in der Beratung Männer, die über Antriebslosigkeit oder Schlappheit klagen, auf die mögliche Ursache Testosteronmangel aufmerksam machten.
Allgemein unterscheiden Mediziner drei Arten von Hypogonadismus. Ein primärer Hypogonadismus bezeichnet einen Testosteronmangel, der auf eine Fehlfunktion im Hoden zurückgeht, etwa durch eine Chromosomenstörung oder einen Tumor. Von sekundärem Hypogonadismus spricht man, wenn die Ursache in der Hirnanhangdrüse (Hypophyse) liegt, die die Hormonproduktion im – intakten – Hoden nicht ausreichend stimuliert. Am häufigsten ist der erst im Erwachsenenalter diagnostizierte funktionelle Hypogonadismus, der oft in Beziehung zu metabolischem Syndrom und Adipositas steht, aber auch zu chronischen entzündlichen Erkrankungen wie etwa Morbus Crohn oder Rheumatoider Arthritis. Auch Lebensstilfaktoren wie Bewegungsmangel und ungesunde Ernährung spielen eine wichtige Rolle.
Zunächst gelte es immer, die Ursache des Testosteronmangels zu behandeln, erklärt Zitzmann, »also entweder die Grunderkrankung oder eben den der Gesundheit nicht förderlichen Lebensstil«. Für eine umfassende Änderung des Lebensstils fehle es allerdings vielen Betroffenen an Motivation. »In solchen Fällen ist es realistischer und motivierender, auf beides zu setzen – auf eine Testosteron-Ersatztherapie in Verbindung mit einer Veränderung von Ernährungs- und Bewegungsgewohnheiten.«
Vor solch einer Testosteron-Ersatztherapie sollte aber auf jeden Fall der Testosteronwert der Betroffenen erhoben werden. Die Normalwerte liegen zwischen 12 und 40 nmol/l. »Ein Wert unter 8 nmol/l ist auf jeden Fall behandlungsbedürftig«, erklärt Aziz. »Bei Werten zwischen 8 und 12 nmol/l ist in der Regel ebenfalls eine Hormonersatztherapie angebracht, aber das wird individuell beurteilt.« Da der Testosteronspiegel im Blut im 24-Stunden-Rhythmus schwankt und morgens am höchsten ist, sollte die Blutabnahme in den Morgenstunden erfolgen, am besten zwischen 7 und 11 Uhr.
Bei einem krankhaften Testosteronmangel kann eine Hormonersatztherapie Abhilfe schaffen. Hierzu werden wahlweise Gele auf die Haut aufgetragen oder eine Depot-Lösung in die Muskulatur gespritzt. Die Injektionen werden bei einer langfristigen Behandlung bevorzugt und werden häufig auch als Drei-Monats-Spritzen bezeichnet. Die Testosteronsubstitution durch Injektionen ist auch intensiver als die durch Gele. Beides geschieht unter ärztlicher Aufsicht und nur so lange, bis der Testosteronspiegel wieder dem entspricht, der bei gesunden gleichaltrigen Männern vorliegt.
»Die Testosteron-Ersatztherapie ist kein Jungbrunnen«, betont Aziz. »Es ist ein Irrglaube, dass diese Therapie das Altern aufhält. Sie sollte auch nicht missbraucht werden, um leichter Muskeln aufzubauen. Wer keinen Mangel an Testosteron hat, profitiert auch nicht von einer Therapie.« Zumal eine Testosterontherapie durchaus Nebenwirkungen habe und für einige Männer generell zu riskant sei.
So sei Männern grundsätzlich von einer Testosteronsubstitution abzuraten, wenn sie bereits an Prostata- oder Brustkrebs erkrankt seien, an schwerer Schlafapnoe litten oder einen PSA-Wert (PSA= Prostataspezifisches Antigen) über 4 ng/ml hätten. Denn das künstlich zugeführte Hormon kann das Wachstum bereits vorhandener Tumoren fördern. Schließlich erhöht Testosteron den Hämoglobin- und Hämatokritwert, also die Dicke des Blutes. Deshalb könne es vorkommen, dass der Hämatokrit zu stark ansteigt, was Thrombosen und Embolien begünstigen kann, erläutert Zitzmann, »zumal Testosteron gleichzeitig die Gerinnbarkeit des Blutes durch Senkung von Fibrinogen erniedrigt.« Aus all diesen Gründen müsse eine Testosteron-Ersatztherapie immer unter ärztlicher Kontrolle stattfinden.
Eine weitere Kontraindikation, die immer wieder vergessen wird, ist ein Kinderwunsch. »Testosteron drückt die Spermienbildung, und leider kommt es immer wieder vor, dass junge Männer mit ihren Partnerinnen eine Kinderwunschklinik aufsuchen und aus allen Wolken fallen, wenn man ihnen diesen Zusammenhang erklärt«, so Zitzmann.
Dabei gebe es durchaus Ausweichmöglichkeiten für junge Männer mit Testosteronmangel. So könne auch humanes Choriongonadotropin (hCG) die Testosteronkonzentration im Blut steigern. Aus diesem Grund hält der Endokrinologe es für sinnvoll und geboten, dass PTA, die Testosteronpräparate an jüngere Männer ausgeben, auch ansprechen, dass diese bei bestehendem Kinderwunsch nicht indiziert seien. »Sie müssen die Männer dazu nicht nach ihrem Kinderwunsch befragen – es reicht, den Zusammenhang zu erwähnen, beispielsweise mit einer Frage wie ›Sie wissen, dass dieses Präparat bei Kinderwunsch nicht angezeigt ist?‹.«