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Arzneimittelausschläge

Therapie hinterlässt Spuren auf der Haut

Die Haut ist der Spiegel der Seele – sie kann aber auch Schauplatz von Arzneimittelnebenwirkungen sein. Die Herausforderung bestehe darin, die Hautveränderungen auch mit den eingenommenen Medikamenten in Zusammenhang zu bringen, sagt Professorin Dr. Petra Staubach, Dermatologin aus Mainz.
Elke Wolf
20.09.2024  15:00 Uhr

Kein Medikamentenausschlag gleicht dem anderen, zu groß ist die Bandbreite möglicher Erscheinungsformen. Allein aufgrund morphologischer Merkmale des Ausschlags eindeutig auf den auslösenden Arzneistoff rückzuschließen, sei kaum möglich, informiert Professorin Dr. Petra Staubach, Dermatologin an der Universitätsklinik in Mainz, im Gespräch mit PTA-Forum. Zu indifferent seien die Unterschiede der Ausschläge, etwa durch ein Sulfonamid oder ein Analgetikum. »Exanthematisch bedeutet lediglich, dass der Ausschlag großflächig auftritt. Zwar ist meist der Körperstamm betroffen, doch gibt es auch Ausschläge, die sich vorwiegend an den Extremitäten zeigen«, so die Hautärztin.

Exanthematische Reaktionen können immunologisch, also allergisch, oder nicht-immunologisch bedingt sein. Unvorhersehbare Arzneimittelreaktionen können durch verstärkte Zytokinfreisetzung oder Einfluss auf bestimmte Stoffwechselwege (wie bei den ACE Hemmern) haben, zur unspezifischen Mastzelldegranulation führen oder einfach auch durch genetische Faktoren oder Enzymmangel auftreten. Interessant: 9/10 der Arzneimittelreaktionen sind pharmakologisch, also nicht allergologisch bedingt durch zum Beispiel zu hohe Dosierungen, Interaktionen mit anderen Arzneistoffen oder eine veränderte Metabolisierung etwa durch Komorbiditäten.

Sie können von einer örtlich begrenzten leichten Rötung als Fleck, aber auch mit Quaddeln und Papeln bis hin zur Blasenbildung und flächigen Ablösung der Oberhaut reichen. Die Ausschläge können rot, lilafarben, blau oder grau verfärbt sein. Penicilline, Sulfonamide und nicht steroidale Antirheumatika weisen die höchste Rate an kutanen Nebenwirkungen auf.

Juckreiz ist das häufigste Symptom, einige Ausschläge sind schmerzhaft oder führen auch zu wunden Stellen im Mund. »Bei Soforttypreaktionen innerhalb weniger Minuten bis Stunden ist die Reaktion an der Haut urtikariell bedingt und es liegt eine anaphylaktische Reaktion vor. Dann muss man schnell handeln«, sagt die Hautärztin. Kutane Nebenwirkungen können sich aber auch zeitlich versetzt zeigen. Vom Auftreten innerhalb von Minuten nach der Einnahme des Medikaments bis erst Stunden, Tage oder sogar zwei Wochen später ist Staubach zufolge alles möglich.

Die Mehrzahl der Patienten bildet ein sogenanntes makulopapulöses/morbilliformes Exanthem aus. Diese häufigste arzneimittelinduzierte Hautreaktion zeigt sich als klein- oder großfleckiger Ausschlag und kann an Röteln oder Masern erinnern (siehe Tabelle). Meist zeigen sich die Hautflecken zuerst am Rumpf und gehen auf die Peripherie über, wobei das Gesicht oft ausgespart bleibt. An den Extremitäten können sich Quaddeln bilden und gelegentlich werden die Hautsymptome auch von Fieber begleitet.

Schleimhaut betroffen?

Urtikarielle Hauteffloreszenzen sind die zweithäufigste Form der kutanen Arzneimittelnebenwirkungen. Sie äußern sich mit Quaddeln, Juckreiz, Brennen, Rötung, Schwellung und mitunter einem Angioödem im Gesicht, Hand oder Fußrücken – und das bereits Minuten nach der Einnahme des Auslösers. Es können sowohl allergische als auch pseudoallergische Mechanismen zugrunde liegen. In der Praxis kann das schwer zu unterscheiden sein. Die durch IgE-Antikörper vermittelte Typ-I-Überempfindlichkeitsreaktion löst eine akute generalisierte Urtikaria aus. Ein Beispiel ist die allergische Reaktion auf Beta-Lactam-Antibiotika, zu denen Cephalosporine und Penicilline gehören.

Staubach gibt zu bedenken, dass vor allem im Kindesalter parainfektiöse Exantheme häufig als kutane Arzneimittelreaktionen fehlinterpretiert werden, zum Beispiel nach einer Amoxicillin-Einnahme. »Wenn dabei nicht exakt diagnostiziert wird, wird dann oft vorschnell auch in Zukunft auf Penicilline verzichtet, weil angeblich eine Allergie vorliegt.« Die Dermatologin empfiehlt deshalb, etwa einen Monat nach dem Exanthem den IgE-Antikörperspiegel bestimmen zu lassen. »Nur wenn die Hautreaktion vom Soforttyp war, wird IgE gebildet. Dann liegt eine Penicillinallergie vor und man sollte den Arzneistoff und andere kreuzreagierende Medikamente meiden. Eine allergologische Abklärung muss hier erfolgen. Gegebenenfalls wird ein Allergiepass ausgestellt. Der Beweis auf die Verträglichkeit eines Medikamentes kann durch keinen Haut- oder Labortest zu 100 Prozent erfolgen. Bei allen anderen verzögert auftretenden Exanthemen gibt es keine Laborwerte in der Routine, die man bestimmen könnte. Die Reaktion kann nicht laborchemisch einem Arzneistoff zugeordnet werden.«

Bei allen anderen Exanthemen, die auftreten, kann das verantwortliche Medikament am ehesten durch die Anamnese eruiert werden. Parainfektiöse Reaktionen sind nicht selten. Wichtig ist, dass ein Voranschreiten plus der Befall der Schleimhäute wie Rötungen der Konjunktiven oder Mundschleimhautbeteiligung einen schwereren Verlauf anzeigen. Hier sei unbedingt die Empfehlung eines sofortigen Arzt- beziehungsweise Krankenhausbesuches auszusprechen, so Staubach.

Art der kutanen ­Nebenwirkung Symptome/Beschreibung Beispiele für auslösende Arzneistoffe
Fotosensibilisierung erhöhte Lichtempfindlichkeit der Haut Tetracycline (insbesondere Doxycyclin), Hydrochlorothiazid, Amiodaron
makulöses oder makulopapulöses Exanthem klein- oder großfleckiges Exanthem, das dem Ausschlag bei Röteln oder Masern ähneln kann Antibiotika, Antiepileptika, Allopurinol, Nevirapin, Sulfamethoxazol, NSAR
fixes Arzneimittelexanthem Exanthem bildet sich bei erneuter Exposition genau an denselben Hautstellen wieder Tetracycline, Gyrasehemmstoffe, Dapson, NSAR
Soforttyp-Reaktionen wie Urtikaria Juckreiz infolge einer allergischen Überempfindlichkeit Penicilline, Analgetika, Röntgenkontrastmittel, Anästhetika, Muskelrelaxanzien, Lokalanästhetika, Volumenersatzmittel
Stevens-Johnson-Syndrom und toxische epidermale Nekrolyse (SJS/TEN) epidermale Blasen und Nekrosen, die zur Abschälung der Epidermis und Mucosa führen Allopurinol, Carbamazepin, Cotrimoxazol, Phenylbutazon, Phenytoin, Piroxicam, Sulfonamide
Hypersensitivitäts­syndrom (DRESS-Syndrom, Drug Rash with Eosinophilia and Systemic Symptoms) hypererge Reaktion mit generalisiertem Exanthem, Fieber, Eosinophilie, Lymphozytose und Beteiligung innerer Organe (Hepatitis, Nephritis, Pneumonie, Perikarditis, Myokarditis) Antikonvulsiva, Sulfonamide, Aminopenicilline, NSAR, Allopurinol
akute generalisierte exanthematische Pustulose (AGEP) schweres, potenziell lebensbedrohliches Arzneimittelexanthem Antiinfektiva wie Aminopenicilline und Makrolide
Kutane Arzneimittelnebenwirkungen mit ihren Symptomen und den auslösenden Arzneimitteln

Eil-, aber kein Notfall

Was rät man Betroffenen in der Offizin, wenn sie – vermeintlich ohne Grund – Hautsymptome an sich entdecken? »Wenn es die Symptomatik zulässt – das heißt, die Ausschläge sind nicht blasig und es sind auch keine Schleimhäute betroffen – , handelt es sich vermutlich nicht um einen Notfall, bei dem man sich in der Klinik vorstellen muss. Aber ein Arztbesuch ist notwendig. Er muss dann abklären, um welche Art von Exanthem es sich handelt«, so Staubach. Tipp: Bilderaufnahmen sind immer ratsam, um auch später weitere Beurteilungen möglich zu machen.

Bei der Suche nach dem auslösenden Arzneistoff hilft der zeitliche Zusammenhang, ob eingenommene Medikamente für entsprechende Nebenwirkungen bekannt sind und ob Familienangehörige des Patienten bereits mit ähnlichen Symptomen auf ein Mittel reagiert haben.

Wurde das auslösende Arzneimittel gefunden, sollte es bestenfalls in Rücksprache mit dem Arzt abgesetzt werden. Als Ersatz kann ein Mittel aus einer anderen Wirkstoffgruppe oder ein Vertreter derselben Gruppe dienen, bei dem die Nebenwirkung nicht so stark ausgeprägt ist. -Es gilt, dies mit einem Allergologen zu besprechen oder relevante Literatur heranzuziehen. Da die meisten Hautreaktionen eher mild verlaufen und spontan abheilen, reicht es in der Regel aus, die Symptome zu behandeln. Staubach: »Bei leichteren nicht urtikariellen Hautreaktionen kann man überlegen, ob die Hautsymptome als Nebenwirkung akzeptiert werden können, um mit der Therapie fortzufahren. Auch hier muss der Arzt entscheiden. Kühlende Umschläge, orale Antihistaminika und topische Glucocorticoide lindern mitunter den Juckreiz.«

Dieses Vorgehen komme nicht in Betracht bei blasigen Exanthemen und bei Schleimhaut-Symptomatik, erinnert die Hautärztin. Anaphylaktische Hautreaktionen, vor allem solche, die mit schweren Symptomen wie Keuchatmung (Giemen) oder Atemnot einhergehen, werden mit Adrenalin-Injektionen, einem Antihistaminikum und einem Glucocorticoid behandelt. Sofortige Notärztliche Betreuung ist hier gefordert.

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