Thrombosen erkennen und vermeiden |
Es existieren zahlreiche Risikofaktoren, die ein thrombotisches Geschehen befördern. Nicht alle sind beeinflussbar. / © Adobe Stock/Artemida-psy
Die durchschnittliche Inzidenz in der Allgemeinbevölkerung liegt laut S2k-Leitlinie »Diagnostik und Therapie der Venenthrombose und Lungenembolie« bei 100 bis 200 Fällen pro 100.000 Personenjahre. Die Rate steigt mit zunehmendem Alter an, vor allem Menschen über 80 Jahren haben ein stark erhöhtes Risiko. Neben dem Alter spielen Faktoren wie Immobilisierung, Operationen, Krebserkrankungen und hormonelle Einflüsse eine Rolle. Männer erleiden häufiger Rezidiv-VTE, während Frauen aus hormonellen Gründen gefährdeter sind. Unbehandelte Thrombosen können in schweren Komplikationen wie postthrombotischem Syndrom oder lebensbedrohlichen Lungenembolien münden. Beim postthrombotischen Syndrom besteht eine chronische Rückflussstauung der oberen oder unteren Extremität, die dem Venensystem dauerhaft schadet. Bei einer Lungenembolie verstopft ein Blutgerinnsel ein Gefäß in der Lunge.
Thrombosen entstehen durch die sogenannte Virchow-Trias, zu der Blutflussstörungen (venöse Stase), Wandveränderungen der Gefäße (Endothelschäden) und Hyperkoagulabilität zählen, also eine erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes. Eine verlangsamte oder unterbrochene Blutströmung tritt häufig bei Immobilisation etwa nach Operationen auf, außerdem während langer Flugreisen oder bei Bettlägerigkeit. Die Stase erhöht den Kontakt zwischen Gerinnungsfaktoren und der Gefäßwand und das kann die Gerinnung aktivieren. Schäden an der inneren Gefäßwand können durch Traumata, Operationen oder entzündliche Prozesse entstehen und fördern die Adhäsion von Thrombozyten.
Eine Hyperkoagulabilität kann angeboren, erworben oder temporär sein und führt dazu, dass das Blut leichter gerinnt. Beispiele für eine angeborene erhöhte Gerinnbarkeit des Blutes sind die Faktor-V-Leiden-Mutation, Antithrombin-III-Mangel oder ein Prothrombin-Gen-Polymorphismus. Zu den erworbenen Risikofaktoren zählen Malignome, besonders solche des Magen-Darm-Trakts, der Lunge und des Urogenitaltrakts. Sie sind mit einem deutlich erhöhten Thromboserisiko assoziiert. Tumorzellen fördern die Gerinnung durch Prokoagulantien und zirkulierende Mikropartikel.
Zu den weiteren Risikofaktoren gehören Herzinsuffizienz, chronische Nierenerkrankungen und Autoimmunerkrankungen wie das Antiphospholipid-Syndrom. Temporäre Risikofaktoren sind Immobilisation etwa bei Flugreisen, Krankenhausaufenthalten oder Bettlägerigkeit. Die Inaktivität verlangsamt den venösen Blutfluss. Orthopädische Eingriffe wie Hüft- und Knieprothesen-Implantationen sind mit einem hohen Thromboserisiko verbunden. Hormonelle Veränderungen in Schwangerschaft und Wochenbett erhöhen die Gerinnungsneigung.
Es existieren zahlreiche Faktoren, die ein thrombotisches Geschehen fördern – ein bekanntes Risiko sind lange Flugreisen. / © Adobe Stock/Formoney (generiert mit KI)
Hinzu kommen Faktoren wie Immobilisation nach der Geburt. Orale Kontrazeptiva und Hormonersatztherapien erhöhen das Risiko vor allem bei Raucherinnen oder bei Patientinnen mit Übergewicht. Die Kombination mehrerer Risikofaktoren potenziert das Thromboserisiko. Ein Beispiel ist die gleichzeitige Einnahme oraler Kontrazeptiva und eine genetische Hyperkoagulabilität. Besonders kritisch ist die postoperative Situation. Hier liegen sowohl Immobilisation (Stase) als auch Gewebeschäden (Endothelschäden) und ein veränderter Gerinnungsstatus (Hyperkoagulabilität) vor.
Eine frühzeitige Diagnose kann dazu beitragen, schwere Komplikationen zu verhindern. Ärzte ziehen dazu außer dem klinischen Bild Laboruntersuchungen und bildgebende Verfahren heran. Während kleinere Venenthrombosen ohne erkennbare Symptome verlaufen können, zeigen sich bei größeren Krankheitszeichen, die aber nicht immer gleich als Thrombose erkannt werden.
Ein typisches Merkmal sind Schwellungen (Ödeme), die am Fußknöchel beginnen und sich über den Unterschenkel bis über das ganze Bein erstrecken können. Die Haut im betroffenen Bereich erscheint häufig gerötet und gespannt, wobei auch bläuliche bis violette Verfärbungen auftreten können. Patienten berichten ein Spannungsgefühl sowie Schmerzen im Bein. Die Beschwerden bessern sich meist, wenn die Gliedmaße hochgelagert wird. Zusätzlich empfinden Betroffene oft ein Wärmegefühl in der erkrankten Extremität. Weitere Warnsignale sind sichtbar erweiterte oberflächliche Venen am Unterschenkel und mitunter auch eine leicht erhöhte Körpertemperatur im subfebrilen Bereich.
Die klinische Untersuchung zur Diagnose einer Venenthrombose umfasst verschiedene Schmerzpunkttests, die aber alleine nicht ausreichend verlässlich sind. Der Wells-Score ist ein Punktesystem und hilft Ärzten, die Wahrscheinlichkeit abzuschätzen, dass eine Thrombose vorliegt. Der Wert der D-Dimere als Abbauprodukte von vernetztem Fibrin im Blut liefert weitere Hinweise. Liegt er im Normbereich, kann eine Thrombose in der Regel ausgeschlossen werden.
Allerdings bedeutet ein erhöhter D-Dimer-Wert nicht automatisch, dass es sich tatsächlich um eine Thrombose handelt. Bei postoperativen Patienten sind die Werte aufgrund der Wundheilung für mehrere Wochen physiologisch erhöht. Ähnliches gilt für Tumorpatienten, Menschen mit schweren Infektionen und Schwangere, bei denen erhöhte D-Dimere auch ohne Vorliegen einer Thrombose oder Embolie auftreten können. Die endgültige Diagnosesicherung erfolgt in der Regel durch bildgebende Verfahren. Zu den standardmäßig eingesetzten Methoden zählen Ultraschalluntersuchungen wie die Duplex-Sonografie und die Kompressions-Sonografie.
Eine Lungenembolie manifestiert sich mit zwei charakteristischen Symptomen: akuter Atemnot (Dyspnoe) und Schmerzen im Brustbereich. Das klinische Bild kann sich in weiteren Anzeichen äußern. Patienten erleiden möglicherweise kurzzeitige Bewusstlosigkeit (Synkope) und zeigen eine beschleunigte Atmung (Tachypnoe) sowie einen erhöhten Herzschlag (Tachykardie). Die Haut kann sich außerdem bläulich verfärben (Zyanose) und blutiger Auswurf kann auftreten. Zusätzlich berichten Betroffene häufig über Schwindelgefühle und verstärktes Schwitzen.
Nicht bei jedem Patienten prägen sich alle klinischen Zeichen in vollem Umfang aus. Der Verlauf einer Lungenembolie entwickelt sich oft in Stufen, wobei einer größeren Embolie mehrere kleinere vorausgehen können. Die kleineren Lungenembolien äußern sich mitunter nur durch subtile, unspezifische Symptome wie Schwindel, beschleunigten Herzschlag und leichtes Fieber.
Zur Diagnostik einer vermuteten Lungenembolie tragen Instrumente wie der Wells-Score sowie die Bestimmung der D-Dimere bei. Bei hoher Wahrscheinlichkeit einer Lungenembolie wird ein bildgebender Embolusnachweis durchgeführt. Die CT-Angiografie gilt hierbei als Methode der ersten Wahl, da sie eine detaillierte Darstellung der pulmonalen Gefäße ermöglicht.
Beinvenenthrombose | Lungenembolie |
---|---|
Schwellungen am Fußknöchel, am Unterschenkel oder am ganzen Bein mit Spannungsgefühl | Brustschmerzen |
Schmerzen wie beim Muskelkater | Atemnot, Zyanose |
Blauverfärbungen der Haut am Bein | Schwindel |
Überwärmung des geschwollenen Gewebes | Tachypnoe und Tachykardie |
Rötung der Haut über der Vene | Bewusstseinsverlust |
leicht erhöhte Körpertemperatur | leicht erhöhte Körpertemperatur |
Die Behandlung richtet sich nach der Lokalisation und dem Schweregrad der Thrombose. Die Therapie einer tiefen Venenthrombose beginnt unmittelbar nach Diagnosestellung mit einer therapeutischen Antikoagulation, um das Wachstum des Thrombus zu verhindern, das Risiko eines Gefäßverschlusses zu minimieren und den Thrombus aufzulösen. Das erfolgt in einer bis zu drei Wochen andauernden Initialphase und einer sich anschließenden Erhaltungsphase, auf die eine Phase der Sekundärprophylaxe folgen kann. Für die Initialphase (5 bis 21 Tage) gibt es zwei Möglichkeiten:
Die Therapie einer tiefen Venenthrombose beginnt unmittelbar nach Diagnosestellung mit einer therapeutischen Antikoagulation, um das Wachstum des Thrombus zu verhindern. / © Getty Images/baloon111
In der Erhaltungsphase, die mindestens drei Monate dauert, werden bevorzugt direkte orale Antikoagulanzien (DOAK) eingesetzt. Sie reduzieren das Risiko schwerer Blutungen um etwa 40 Prozent, erfordern keine regelmäßigen Gerinnungskontrollen und haben weniger Wechselwirkungen mit Medikamenten und Nahrung als beispielsweise Vitamin-K-Antagonisten.
Unfraktioniertes Heparin (UFH) wird heute fast nur noch bei schwerer Niereninsuffizienz oder bei erhöhtem Blutungsrisiko eingesetzt, wenn ein Medikament mit kurzer Halbwertszeit benötigt wird. Die traditionelle Therapie mit Vitamin-K-Antagonisten (wie Phenprocoumon) erfordert eine regelmäßige INR-Kontrolle mit einem Zielwert von 2,0 bis 3,0 und hat aufgrund der langen Halbwertszeit und vieler Wechselwirkungen Nachteile gegenüber den neueren DOAK.
Bei hohem Rezidivrisiko, etwa durch aktive Tumorerkrankungen oder Antiphospholipid-Syndrom, kann die Antikoagulation unbefristet fortgeführt werden. Hierzu werden häufig DOAK in niedriger Dosierung eingesetzt.
Ein wichtiger weiterer Bestandteil der Therapie von Venenthrombosen im Bein ist die Kompressionstherapie der betroffenen Gliedmaße, die entweder mit einem Kompressionsverband oder einem Kompressionsstrumpf durchgeführt wird. Der Patient wird zur frühzeitigen Mobilisierung angeregt. Eine Immobilisierung wird nur in Ausnahmefällen zur Schmerzlinderung empfohlen.
Die Therapie einer tiefen Venenthrombose beginnt unmittelbar nach Diagnosestellung mit einer therapeutischen Antikoagulation, um das Wachstum des Thrombus zu verhindern. / © Adobe Stock/tibanna79
Bei einer Lungenembolie sollte der Patient halbsitzend gelagert werden. Eine Sauerstoffgabe über eine Nasensonde unter kontinuierlicher Pulsoxymetrie-Überwachung sowie eine Schmerzausschaltung bei gleichzeitiger Beruhigung (Analgosedierung), beispielsweise mit Morphin und Diazepam, gehören zur Behandlung.
Die systemische Thrombolyse wird als therapeutische Notfalloption wegen des erheblichen Blutungsrisikos nur noch in lebensbedrohlichen Fällen eingesetzt, etwa bei Patienten mit massiven Lungenembolien oder schweren tiefen Venenthrombosen mit drohender Extremitäten-Ischämie. Substanzen wie Alteplase (t-PA) aktivieren das körpereigene Plasminogen zu Plasmin, das den Thrombus abbaut.
Bei Patienten mit bekannten Risikofaktoren wie Immobilisierung, Operationen oder malignen Erkrankungen stehen als medikamentöse Prophylaxe unter anderem niedermolekulare Heparine zur Verfügung. Sie sind Mittel der Wahl bei hospitalisierten Patienten mit erhöhtem Thromboserisiko, etwa nach größeren chirurgischen Eingriffen oder bei schweren internistischen Erkrankungen.
Alternativ können DOAKs wie Rivaroxaban oder Apixaban gegeben werden. Kompressionsstrümpfe sind eine wirksame nicht medikamentöse Option. Sie sind vor allem dann wichtig, wenn Kontraindikationen für Antikoagulanzien bestehen.
Eine frühzeitige Mobilisation nach Operationen oder Bewegungsübungen bei längerem Sitzen etwa während Flugreisen reduziert das Thromboserisiko. Als präventive Maßnahmen für den Alltag kann das Apothekenteam regelmäßige Bewegung, ausreichende Flüssigkeitszufuhr, den Abbau von Übergewicht und den Verzicht aufs Rauchen empfehlen.
Einnahmehinweise:
Warnzeichen für Komplikationen:
Interaktionen vermeiden:
Bei erhöhtem Risiko ist gegebenenfalls in Absprache mit dem Arzt die Arzneimitteltherapie anzupassen. Hormonelle Kontrazeptiva sind bei Patientinnen mit erhöhtem Thromboserisiko beispielsweise nicht die ideale Verhütungsmöglichkeit. Bei Schwangeren mit zusätzlichen Risikofaktoren wie einer Thrombophilie oder früheren Venenthrombose kann eine Prophylaxe mit NMH empfohlen werden.
Das Apothekenteam berät Patienten sowohl zur korrekten Durchführung einer Kompressionstherapie mit Kompressionsstrümpfen als auch zur Einnahme von Antikoagulanzien. Dabei können verschiedene Wechselwirkungen relevant sein. Kritisch ist zum Beispiel, wenn Patienten andere Arzneimittel einnehmen oder anwenden wollen, die wie nichtsteroidale Antirheumatika (NSAR) oder Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SRI) ebenfalls die Blutgerinnung beeinflussen.
Auch pflanzliche Präparate können Probleme bereiten, etwa wenn sie wie Johanniskraut den Abbau der Antikoagulanzien verändern. PTA sollten darüber hinaus auf Warnzeichen wie Blutungen hinweisen und über Einnahmefehler aufklären, da diese die Wirksamkeit der Therapie gefährden können. Informationen zur richtigen Lagerung und Injektion von niedermolekularem Heparin sind hilfreich. Bei Anzeichen einer Thrombose wie Schmerzen, Schwellungen oder Rötungen, ist ein Arzt aufzusuchen. Bei Symptomen wie Atemnot oder Brustschmerzen kann eine Lungenembolie als medizinischer Notfall vorliegen. Es ist sofort die Notrufnummer 112 zu wählen.