Tipps für Typ-2-Diabetiker |
Selbst kochen, gesund essen: Eine vollwertige Ernährung ist eine wichtige Säule der Diabetestherapie. / © Getty Images/tommaso79
Der Ratgeber von Andreas Wartha ist ein Männerbuch. Und das macht ihn auch für Frauen hilfreich. Vorbei die Zeiten, in denen sie sich in puncto Ernährung und Bewegung den Mund fusselig reden müssen. Vorbei die Zeit der Ausreden wie: »Nun stress mich nicht noch damit. Ich habe schon genug am Hals. Das Hemd ist nur falsch geschnitten. Die Insulinspritze tut es bestens.«
Von nun an können Frauen dem Partner einfach diesen (oder einen anderen) Diabetesratgeber in die Hand drücken und sich entspannt zurücklegen. Autor Wartha weiß, wovon er schreibt: Er war Couch-Potato, Genuss- und Stressesser, Antisportler und mit Mitte 50 plötzlich Diabetiker – sein Tag X, wie der Düsseldorfer gegenüber PTA-Forum schildert, der Start in ein neues, aktives und gesünderes Leben.
Er hatte nicht wirklich auf seine Körpersignale geachtet, Symptome wie Müdigkeit, Konzentrationsprobleme und Fußkribbeln nicht ernst genommen. Seine Hausärztin suchte er 2018 nach jahrelanger Abstinenz nur wegen eines akut geschwollenen Fußes auf, der seit langem schon samt Unterschenkel mit kleinen bräunlichen Punkten gesprenkelt war.
Eine Blutuntersuchung zeigte einen HbA1c-Wert von 10 Prozent. Mit dem Wert lässt sich abschätzen, wie hoch der Blutzucker in den vergangenen acht bis zwölf Wochen im Durchschnitt war – ab einem HbA1c von 6,5 Prozent spricht man von Diabetes. Nach dem Zufallsbefund folgte eine Überweisung an eine diabetologische Schwerpunktpraxis, verbunden mit den Empfehlungen abzunehmen, die Ernährung umzustellen und sportlich aktiv zu werden.
Es war dann Panik vor möglichen Folgeerkrankungen – etwa Herzinfarkt, Schlaganfall, Niereninsuffizienz, diabetisches Fußsyndrom mit in der Folge Amputation, Erblindung und Impotenz –, die den 1,90 m großen und 115 kg schweren Mann im Herbst 2018 auf sein altes Fahrrad steigen und von nun an täglich mehrere Kilometer fahren ließ. Zunächst schweißgebadet, außer Atem und mit Muskelkater, danach wurde es zunehmend angenehmer. Als die Straßen wetterbedingt rutschiger wurden, trat er in ein Fitnessstudio ein.
Seine Diabetologin stellte Wartha auf verschiedene Medikamente ein. Er selbst stellte seine Ernährung um. Drei Monate später lag sein HbA1c bei 6,2 Prozent. Es folgte eine Rücküberweisung an die Hausärztin, die ein halbes Jahr später und nach einer Ausschleichzeit die Medikamentenverordnung einstellte. Seit fünfeinhalb Jahren lebt Wartha nun ohne Diabetesmedikation, seine Diabeteserkrankung befindet sich in der Remission. Geschafft hat er diese Leistung, weil er sein Übergewicht abgebaut hat, insgesamt 35 kg sind runter – durch täglich eine Stunde Bewegung, Muskelaufbau durch Krafttraining und eine blutzuckerfreundliche Ernährung.
Klar: Er muss diesen Lebensstil natürlich konsequent weiterleben, was oft harte Arbeit ist. Was er dafür gewonnen hat, ist Lebensqualität. »Die lässt sich nicht in Gold aufwiegen. Ich bin heute fitter als mit 45 Jahren«, freut sich Wartha. Auch beruflich widmet der studierte Jurist seitdem seine Zeit dem Thema Diabetes. Er bildete sich zum Ernährungsberater weiter und ist unter anderem stimmberechtigtes Mitglied bei DiabetesDE Deutsche Diabetes-Hilfe und engagiert sich im Präventionsprojekt »Kochen mit Andreas« des Vereins Diaengel, der Kinder für gesunde Ernährung begeistern möchte.
In seinem aktuellen Diabetesratgeber spricht Wartha Klartext: »Ein Diabetes Typ 2 kommt in der Regel nicht aus dem Nichts. Wer dem Diabetes an den Kragen gehen will, muss seine Ernährung umstellen plus den Hintern hochkriegen. Das ist die effektivste Methode. Ich habe den großen Schritt gewagt. Aber auch mit kleinen Veränderungen kann man schon viel erreichen. Man muss nur anfangen, es zu tun.« Eine solche Umstellung empfehle sich auch bereits präventiv. Beispielsweise mithilfe des Fragebogens FINDRISK («Finde Dein Risiko«) kann jeder sein individuelles Risiko auswerten lassen, in den nächsten zehn Jahren an Diabetes zu erkranken.
In seinem Ratgeber beschreibt Wartha seine Methode, die Kombination aus blutzuckerfreundlicher Ernährung inklusive schmackhafter Rezepte und Sport. Zudem bietet er einen Einblick in die Welt der technischen Hilfsmittel rund um das Diabetesmanagement. »Weniger zu essen, vor allem weniger ungesund, ist eine Säule der Diabetestherapie«, so Wartha. Mit der richtigen Wahl der Zutaten werde man trotzdem satt und dank Kräutern und Gewürzen schmecke es auch. Ein geringer Zuckerkonsum ist sogar erlaubt: Die Weltgesundheitsorganisation WHO empfiehlt maximal 25 g pro Tag. Daran hält sich Wartha und verwendet Zucker wie ein Gewürz. Brot, Nudeln und Reis kommen als Vollkornvariante auf den Tisch.
Vollkorn enthält langkettige Kohlenhydrate, die der Körper erst abbauen muss. Das lässt den Blutzuckerspiegel nicht so rasch ansteigen wie kurzkettige Kohlenhydrate in Weißmehlprodukten. Zudem enthält es Ballaststoffe, die die Zuckeraufnahme durch ihre Quellwirkung im Darm verzögern – und daher fester Bestandteil der Mahlzeiten sein sollten. Hervorgehoben sei hier der Ballaststoff β-Glucan aus dem Hafer, der die gesamte Nährstoffaufnahme im Darm und den Nährstofftransport ins Blut verlangsamt.
Fleisch darf es auch sein, ein- bis zweimal die Woche. Die Hälfte des Tellers ist jedoch für Gemüse reserviert. Die Sättigungsbeilage wie festkochende Kartoffeln, Hülsenfrüchte oder Vollkornreis deckt ein Viertel ab, das restliche Viertel eine tierische oder vegetarische Eiweißkomponente: Fleisch, Fisch, Milchprodukt, Tofu, Hülsenfrüchte. Warthas zusätzlicher Tipp: »Direkt nach dem Essen 20 Minuten zügig gehen. Der Blutzucker dient dabei als Energiequelle und wird natürlich gesenkt.«
Und was ist mit Alkohol? »Etwas Wein darf es sein, am besten trockener, keine süßlichen Drinks, kein Bier wegen des Malzzuckers und nichts Hochprozentiges«, so Wartha. Alkohol senkt für längere Zeit den Blutzucker, was zu einer Unterzuckerung führen kann, oft dann im Schlaf.
Wie sieht die Umsetzung des neuen Essvorhabens nun in der Praxis aus? »Die Partnerin sollte bei der Ernährungsumstellung dahinterstehen und idealerweise mithelfen«, so Wartha. Gerichte für den Arbeitstag könnten am Vorabend zubereitet werden. Im Urlaub fänden sich aus eigener Erfahrung immer Speisen, die auch für Diabetiker geeignet seien. Beim Frühstück im Hotel könne ein mitgebrachtes Haferbrot aushelfen.
Die zweite Säule der Diabetestherapie ist Bewegung: Ausdauersport und Krafttraining. »Muskeln fressen den Zucker weg«, so Wartha. Nach einem medizinischen Check-up inklusive ärztlicher Beratung zu Dosierung von Diabetesmedikamenten und Vermeidung von Unterzuckerung könne es losgehen. Bewusst beschreibt Wartha viele Übungen, die leicht daheim ausführbar sind wie Wandliegestütze oder eine halbe Stunde auf der Stelle marschieren (und dabei etwa fernsehen).
Wenn sich allmählich der Blutzucker dem Normalbereich nähert, die Pfunde purzeln, werde der ganze Körper vitaler – und damit auch ein sehr wichtiges Körperteil im Leben eines Mannes. Da der überschüssige Zucker im Blut auch die kleinen Gefäße schädigt, ist bei vielen Männern die Durchblutung des Penis gestört. In der Folge können Orgasmus- und Ejakulationsstörungen auftreten. Wartha spricht es offen an und rät anderen Männern, sich ärztlichen Rat zu holen. Ausdauertraining und eine pflanzenbasierte Kost hätten ihm geholfen, Lust und Sexualität wieder positiv zu erleben. »Wenn ich Männer bis dahin noch nicht von meiner Methode überzeugt habe, den Diabetes in den Griff zu bekommen, dann vielleicht jetzt«, mutmaßt Wartha.