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Neue Arzneistoffe

Trio an Innovationen

Zum Monatsstart August kamen drei neue Wirkstoffe in den Handel. Zum Trio gehören eine Enzymersatztherapie, ein Antikörper und ein sogenanntes small molecule. Auch die Einsatzgebiete der Neulinge sind komplett verschieden.
Sven Siebenand
09.08.2023  08:30 Uhr

Der erste der drei neuen Wirkstoffe heißt Mavacamten (Camzyos®, Bristol-Myers Squibb). Er wird bei bestimmten Menschen mit der Herzerkrankung Hypertrophe Kardiomyopathie (HCM) eingesetzt. Das ist eine chronische, progressiv verlaufende Erkrankung. Eine übermäßige Kontraktilität des Herzmuskels und eine verringerte Füllkapazität des linken Ventrikels bedingen Probleme in der Blutzirkulation.

Häufigste Form ist die hypertrophe obstruktive Kardiomyopathie (HOCM). Hierbei wird zusätzlich der linksventrikuläre Ausflusstrakt, über den das Blut das Herz verlässt, durch den vergrößerten Herzmuskel verengt. Häufige Symptome der Erkrankung sind Kurzatmigkeit, Schwindel und Müdigkeit. Es kann jedoch auch zu schweren, lebensbedrohlichen Komplikationen wie Herzinsuffizienz, Herzrhythmusstörungen, Schlaganfall und in seltenen Fällen zum plötzlichen Herztod kommen.

Mavacamten darf bei Erwachsenen mit symptomatischer HOCM der Schweregrade NYHA II und III zum Einsatz kommen. Es handelt sich um den ersten kardialen Myosin-Inhibitor, der in der EU zugelassen ist. Der Wirkstoff zielt auf die zugrundeliegende Pathophysiologie der HOCM ab. Mavacamten senkt die Kontraktilität des Herzmuskels durch Hemmung der Bildung überschüssiger Myosin-Aktin-Kreuzbrücken, die für die Hyperkontraktilität, linksventrikuläre Hypertrophie und verringerte Herzmuskelelastizität verantwortlich sind.

Überwachung nötig

Mavacamten wird in Form von Hartkapseln eingenommen. Vor Beginn der Behandlung muss der Arzt die linksventrikuläre Ejektionsfraktion (LVEF) bestimmen. Wenn die LVEF < 55 Prozent beträgt, darf er die Behandlung nicht einleiten. Auch unter Therapie ist die LVEF regelmäßig zu überwachen. Um die richtige Dosierung festzusetzen, ist es ferner wichtig, die Patienten vor Therapiestart auf das Enzym CYP2C19 zu genotypisieren.

Falls die Aktivität dieses Leberenzyms gering ist (sogenannte »langsame Metabolisierer«), ist auch die Dosis gering, da diese Personen den Wirkstoff langsamer abbauen und bei einer höheren Dosierung ein erhöhtes Risiko für Nebenwirkungen aufweisen. Die empfohlene Anfangsdosis beträgt bei langsamen Metabolisierern einmal täglich 2,5 mg, die Höchstdosis einmal täglich 5 mg. Bei den CYP2C19-Metabolisierer-Phänotypen »intermediär«, »normal«, »schnell« und »ultraschnell« liegt die empfohlene Anfangsdosis bei einmal täglich 5 mg und die Höchstdosis bei einmal täglich 15 mg.

Selten kontraindiziert

Die Fachinformation von Camzyos informiert unter anderem über eine Dosisreduktion bei eingeschränkter Leberfunktion. Sie schreibt ferner vor, was gegebenenfalls bei gleichzeitiger Behandlung mit CYP2C19- oder CYP3A4-Inhibitoren oder -Induktoren zu tun ist. Teilweise besteht dann eine Kontraindikation, etwa bei gleichzeitiger Behandlung mit der Kombination aus einem starken CYP2C19-Inhibitor und einem starken CYP3A4-Hemmer.

Nur bei CYP2C19-Langsam-Metabolisierern sowie bei Patienten, bei denen der CYP2C19-Phänotyp nicht bestimmt ist, besteht eine Kontraindikation für Mavacamten in Kombination mit starken CYP3A4-Inhibitoren allein. Ebenso ist der neue Wirkstoff tabu bei Schwangeren und bei gebärfähigen Frauen, die keine zuverlässige Empfängnisverhütung anwenden. Mütter dürfen während der Behandlung mit Mavacamten nicht stillen. Die am häufigsten berichteten Nebenwirkungen sind Schwindel, Dyspnoe, systolische Dysfunktion und Synkopen.

Neue Option bei Lymphom

Das diffus großzellige B-Zell-Lymphom (DLBCL) ist eine bösartige Erkrankung des lymphatischen Systems. In den vergangenen Jahren kamen einige neue Medikamente für die Behandlung dieses Krebses auf den Markt. Das Präparat Columvi® von Roche reiht sich hier ein. Es ist zur Monotherapie für Erwachsene mit rezidiviertem oder refraktärem diffusen großzelligen B-Zell-Lymphom (r/r DLBCL), die mindestens zwei vorangegangene systemische Therapien erhalten haben, zugelassen.

Enthalten ist in Columvi der bispezifische Antikörper Glofitamab. Dieser stellt eine Verbindung zwischen körpereigenen Abwehrzellen und bösartig veränderten B-Zellen her. Einerseits bindet der neue Antikörper spezifisch an zwei Stellen an das B-Lymphozyten-Antigen CD20 auf der Oberfläche maligner B-Zellen. Andererseits dockt er an einer Stelle das CD3-Antigen zytotoxischer T-Zellen. Dies bringt die körpereigenen Abwehrzellen in engen räumlichen Kontakt mit den Krebszellen und führt zu deren Abtötung. Der Wirkmechanismus ist damit mit jenem des Antikörpers Mosunetuzumab vergleichbar, der im vergangenen Jahr auf den Markt kam, aber bei einem anderen Krebs zum Einsatz kommt.

Genaue Zeiten

Glofitamab wird intravenös verabreicht. Vor der ersten Gabe erfolgt am ersten Tag des ersten 21-Tage-Zykluses eine Vorbehandlung mit dem Antikörper Obinutuzumab, um die Zahl zirkulierender und lymphoider Zellen zu verringern. Eine Woche danach erfolgt dann die erste Infusion von Glofitamab mit einer Dosis von 2,5 mg. Die zweite Infusion ist an Tag 15 geplant. Sie erfolgt mit einer Dosis von 10 mg Wirkstoff. Diese beiden ersten Infusionen Glofitamab werden jeweils über einen Zeitraum von vier Stunden infundiert. Ab dem zweiten Zyklus wird jeweils am ersten Tag eines Zyklus Glofitamab in einer Dosierung von 30 mg über zwei Stunden infundiert. Bis zu zwölf Zyklen sind möglich. Bei Patienten mit einer aktiven Infektion darf der Antikörper nicht verabreicht werden.

Detaillierte Informationen, etwa zur Prämedikation und möglichen Nebenwirkungen, sind in den Fachinformationen des neuen Arzneimittels zu finden. Die Liste unerwünschter Arzneimittelwirkungen ist leider lang. Sehr häufig sind zum Beispiel Neutropenie, Anämie, Thrombozytopenie und Ausschlag. Auch ein Zytokin-Freisetzungssyndrom (CRS) tritt leider sehr häufig auf.

Deshalb gibt es in der Fachinformation hierzu einen gesonderten Warnhinweis. Anzeichen und Symptome umfassen zum Beispiel Fieber, Tachykardie, Schüttelfrost, Hypotonie und Hypoxie. Vor der Infusion von Columvi müssen die Patienten ausreichend hydriert werden und sie sind auf Anzeichen oder Symptome eines CRS zu überwachen. Für den Fall eines CRS sollte mindestens eine Dosis des IL-6-Rezeptor-Antikörpers Tocilizumab sofort zur Verfügung stehen.

Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für mindestens zwei Monate nach der letzten Infusion eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Der Einsatz des neuen Arzneimittels in der Schwangerschaft und bei stillenden Frauen wird nicht empfohlen.

Neuer Enzymersatz

Menschen mit der seltenen Erkrankung Morbus Pompe haben niedrige Werte des Enzyms saure -1,4-Glucosidase. Dieses Enzym ist wichtig, um Glykogen zu Glucose aufzuspalten. Bei den Betroffenen akkumuliert Glykogen deshalb in den Muskeln, einschließlich des Herzens und Zwerchfells, was zu Herzproblemen, Atembeschwerden und Muskelschwäche führt. Mit Cipaglucosidase alfa (Pombiliti™, Amicus Therapeutics) ist eine neue Enzymersatztherapie verfügbar. Mit Alglucosidase alfa und Avalglucosidase alfa gibt es bereits zwei andere Mittel für eine Enzymersatztherapie bei Morbus Pompe.

Zugelassen ist Cipaglucosidase alfa zur Behandlung von Erwachsenen mit Morbus Pompe der späten Verlaufsform. Der Neuling wird immer mit Miglustat, einem Enzymstabilisator, kombiniert. Dadurch kann der Verlust an Enzymaktivität im Blut während der Infusion minimiert werden.

Cipaglucosidase alfa wird alle zwei Wochen intravenös verabreicht. Wichtig: Die Infusion beginnt erst eine Stunde nach der Einnahme von Miglustat. Die Infusion erfolgt über einen Zeitraum von vier Stunden. Die empfohlene Dosis liegt bei 20 mg/kg Körpergewicht. Die Gaben können bei Patienten, die Cipaglucosidase alfa gut vertragen haben, nach einiger Zeit auch als Heiminfusionen verabreicht werden.

Zuverlässig verhüten

Zu den häufigen Nebenwirkungen zählen Schüttelfrost, Schwindelgefühl, Hautrötung mit Hitzegefühl, Somnolenz, Brustkorbbeschwerden, Husten, Schwellung an der Infusionsstelle und Schmerzen. Ein gesonderter Warnhinweis ist in der Fachinformation zum Thema Anaphylaxie und infusionsassoziierten Reaktionen (IAR) zu finden.

Schwerwiegende Anaphylaxie und IAR traten bei einigen Patienten während der Infusion und nach der Infusion von Cipaglucosidase alfa auf. Ärzte sollten auch eine Prämedikation mit oralen Antihistaminika, Antipyretika und/oder Corticoiden in Betracht ziehen, insbesondere wenn IAR bei einer früheren Enzymersatztherapie bereits aufgetreten sind.

Die Kombination aus Miglustat und Cipaglucosidase alfa soll nicht bei Schwangeren zum Einsatz kommen. In der Stillzeit ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder die Behandlung mit der Miglustat-Cipaglucosidase alfa-Kombi verzichtet wird. Frauen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung mit Cipaglucosidase alfa in Kombination mit Miglustat und für vier Wochen nach Beendigung der Behandlung eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. 

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