Trio zum Herbstanfang |
Sven Siebenand |
14.10.2025 08:00 Uhr |
Drei neue Arzneistoffe unterschiedlicher Indikation bereichern den deutschen Handel. / © Adobe Stock/areebarbar
Der neue Wirkstoff Resmetirom (Rezdiffra™ Filmtabletten, Madrigal Pharmaceuticals) darf – in Kombination mit Diät und Bewegung – zur Behandlung von Erwachsenen mit Metabolic Dysfunction-associated Steatohepatitis (MASH, vormals nicht alkoholische Fettleber, NASH) mit moderater bis fortgeschrittener Leberfibrose zum Einsatz kommen. MASH entsteht, wenn sich übermäßiges Fett in der Leber ablagert. Das führt zu entzündlichen Prozessen und in der Folge zur Fibrose, welche wiederum in eine Zirrhose und Leberkrebs übergehen kann. MASH ist zudem ein unabhängiger Treiber für Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Bisher gab es in der EU keine zugelassene Behandlung für MASH. Dies hat sich nun mit der Zulassung von Resmetirom geändert.
Der Schilddrüsenhormonrezeptor (THR)-β spielt für die Regulierung von Stoffwechselwegen in der Leber eine wichtige Rolle. Er ist bei MASH-Patienten häufig beeinträchtigt. Das verschlechtert die mitochondriale Funktion und die β-Oxidation von Fettsäuren, was mit Fibrotisierung assoziiert ist. Resmetirom ist ein selektiver THR-β-Agonist, der so den Abbau von Triglyceriden und die β-Oxidation von Fettsäuren fördert. Die Behandlung mit Resmetirom hat laut Fachinformation nur eine minimale Off-Target-Wirkung auf THR-α in Geweben wie Herz und Knochen zur Folge. Patienten mit einem Körpergewicht unter 100 kg nehmen einmal täglich 80 mg des Wirkstoffs oral ein, schwerere Patienten einmal täglich 100 mg.
Die gleichzeitige Anwendung von Resmetirom mit starken CYP2C8-Inhibitoren wird nicht empfohlen. Wenn der neue Wirkstoff gleichzeitig mit einem moderaten CYP2C8-Inhibitor angewendet wird, sollte die Dosis bei Patienten mit einem Gewicht von ≥ 100 kg von 100 mg auf 80 mg und bei Patienten mit einem Gewicht von < 100 kg von 80 mg auf 60 mg reduziert werden. Resmetirom sollte nicht bei Patienten mit mittelschwerer oder schwerer Leberfunktionsstörung zum Einsatz kommen. Die häufigsten beobachteten Nebenwirkungen sind Durchfall, Übelkeit und Juckreiz. In der Fachinformation von Rezdiffra gibt es einen Warnhinweis zu Gallenblasenereignissen.
Bei Verdacht auf Cholelithiasis sind diagnostische Untersuchungen der Gallenblase und eine angemessene klinische Nachsorge angezeigt. Zudem sollte Resmetirom bei MASH-Patienten mit anderen Grunderkrankungen der Leber nur mit Vorsicht angewendet werden und während der Behandlung sollten regelmäßig die Leberenzymwerte kontrolliert werden. Wenn ein Verdacht auf Lebertoxizität besteht, ist die Behandlung mit Resmetirom abzubrechen.
Der neue Arzneistoff kann die Pharmakokinetik von Statinen beeinflussen. Die Dosis von Rosuvastatin und Simvastatin sollte auf eine Tagesdosis von 20 mg und die Dosis von Pravastatin und Atorvastatin auf eine Tagesdosis von 40 mg begrenzt werden. Aus Vorsichtsgründen sollte auf den neuen Wirkstoff in der Schwangerschaft verzichtet werden. Bei Stillenden ist zu entscheiden, ob auf das Stillen oder auf die Therapie mit Rezdiffra verzichtet wird.
Die Neurofibromatose Typ 1 (NF1) ist selten und entsteht durch Mutationen im NF1-Gen, das für Neurofibromin kodiert. Die Erkrankung führt zum Beispiel zu abnormer Pigmentierung, Skelettdeformationen und neurologischen Komplikationen. Viele Betroffene entwickeln sogenannte plexiforme Neurofibrome (PN). Das sind gutartige Geschwulste aus Nerven- und Bindegewebszellen, die sich auf der Haut am ganzen Körper, in den inneren Organen und im Gehirn bilden können. Eine operative Entfernung der Tumoren ist oft nicht möglich, da sie mit gesunden Nerven und Gewebe verflochten sind.
Der neue Wirkstoff Mirdametinib (Ezmekly® Hartkapseln und Tabletten zur Herstellung einer Suspension zum Einnehmen, Springworks Therapeutics) ist zugelassen für die Behandlung von symptomatischen, inoperablen PN bei pädiatrischen und erwachsenen NF1-Patienten ab einem Alter von zwei Jahren. Der vor einigen Jahren zugelassene Wirkstoff Selumetinib darf in dieser Indikation ab einem Alter von drei Jahren bei Kindern und Jugendlichen zum Einsatz kommen. Der Ausschuss für Humanarzneimittel der europäischen Zulassungsbehörde EMA hat aber kürzlich empfohlen, dass auch Selumetinib bei Erwachsenen zukünftig zum Einsatz kommen darf.
Beide Wirkstoffe zählen zur Klasse der MEK-Hemmer. Bei NF1 ist das Enzym MEK überaktiv, was zum Wachstum von PN auf Nervenzellen führt. Durch das Blockieren von MEK schrumpfen diese Tumoren.
Patienten nehmen Mirdametinib zweimal täglich im Abstand von zwölf Stunden ein. Die empfohlene Einzeldosis liegt bei jeweils 2 mg/m2 Körperoberfläche. Nach drei Wochen erfolgt eine einwöchige Therapiepause. Dieser Zyklus wird so lange fortgesetzt, bis sich die Erkrankung verschlechtert oder die Nebenwirkungen nicht mehr akzeptabel sind.
Laut Fachinformation ist Vorsicht geboten bei gleichzeitiger Anwendung von Mirdametinib und Arzneimitteln, die bekanntermaßen Uridindiphosphat-Glucuronosyltransferase-(UGT)- und Carboxylesterase-(CES)-Enzyme anregen oder hemmen, etwa Probenecid, Diclofenac und Rifampicin.
Bei Erwachsenen wurden unter Behandlung mit Ezmekly am häufigsten folgende Nebenwirkungen beobachtet: akneiforme Dermatitis, Durchfall, Übelkeit, erhöhte Kreatinphosphokinase-Blutwerte, Schmerzen der Skelettmuskulatur, Erbrechen und Fatigue. Zu den häufigsten Nebenwirkungen bei Kindern zählen erhöhte Kreatinphosphokinase-Blutwerte, Durchfall, akneiforme Dermatitis, Schmerzen der Skelettmuskulatur, Bauchschmerzen, Erbrechen und Kopfschmerzen.
Patienten sind anzuweisen, neu auftretende Sehstörungen zu melden. Vor Einleitung der Behandlung, in regelmäßigen Abständen während der Behandlung und immer dann, wenn ein Patient neu auftretende oder sich verschlimmernde Sehstörungen wie verschwommenes Sehen meldet, ist eine umfassende ophthalmologische Untersuchung bei Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen erforderlich. Bei Nebenwirkungen, die die Augen betreffen, muss die Mirdametinib-Therapie je nach Schweregrad der Nebenwirkung unterbrochen und anschließend die Dosis reduziert oder die Behandlung dauerhaft abgesetzt werden.
Gebärfähige Frauen sind zu informieren, dass Mirdametinib den Fetus schädigen kann und eine Schwangerschaft während der Behandlung mit dem Wirkstoff zu vermeiden ist. Es wird empfohlen, vor Einleitung der Behandlung bei gebärfähigen Frauen einen Schwangerschaftstest durchzuführen. Sowohl weibliche als auch männliche Patienten sind anzuweisen, während der Behandlung und für sechs Monate beziehungsweise drei Monate nach der letzten Dosis wirksame Verhütungsmittel anzuwenden.
Ezmekly darf während der Schwangerschaft und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, nicht angewendet werden. Das Stillen sollten Frauen während der Behandlung unterbrechen und erst eine Woche nach der letzten Dosis wieder fortsetzen.
Das Multiple Myelom ist eine aggressive Form von Blutkrebs. Die im Knochenmark gebildeten Plasmazellen werden dabei angegriffen. Einige neue Medikamente haben das Behandlungsspektrum in den vergangenen Jahren verbessert, heilbar ist die Erkrankung aber bis dato nicht.
Der neue Antikörper Linvoseltamab (Lynozyfic® Konzentrat zur Herstellung einer Infusionslösung, Regeneron) ist eine neue Therapieoption. Er ist zugelassen zur Behandlung erwachsener Patienten mit rezidiviertem und refraktärem Multiplem Myelom, die zuvor bereits mindestens drei Therapien erhalten haben, darunter einen immunmodulatorischen Wirkstoff, einen Proteasom-Inhibitor und einen Anti-CD38-Antikörper, und die während der letzten Therapie eine Krankheitsprogression gezeigt haben.
Als bispezifischer Antikörper bindet Linvoseltamab einerseits an das B-Zell-Reifungsantigen (B-cell maturation antigen, BCMA) auf Plasmazellen und andererseits an das Protein CD3 auf T-Zellen. Dadurch werden die beiden Zellen einander angenähert und die T-Zellen zur Abtötung der Myelomzellen stimuliert. Dieser Wirkmechanismus ist allerdings nicht wirklich neu. Auch die bereits verfügbaren Antikörper Elranatamab und Teclistamab verfolgen dieses Wirkprinzip. Auch sie sind in der Indikation von Linvoseltamab zugelassen.
Lynozyfic wird als intravenöse Infusion verabreicht. Die Behandlung wird in den ersten 13 Wochen einmal wöchentlich verabreicht, wobei die Dosis in den ersten drei Wochen schrittweise erhöht wird. Danach wird der neue Antikörper alle zwei Wochen verabreicht. Ab Woche 24 kann er je nach Ansprechen auf die Behandlung alle vier Wochen verabreicht werden.
Um das Risiko der Entwicklung eines Zytokin-Freisetzungssyndroms und von infusionsbedingten Reaktionen zu verringern, erhalten die Patienten eine Vorbehandlung mit Dexamethason, Antihistaminikum und Paracetamol, bis sie zwei vollständige Dosen des Antikörpers erhalten haben, ohne dass diese Nebenwirkungen auftraten. Die am häufigsten beobachteten Nebenwirkungen waren Muskel-Skelett-Schmerzen, Zytokin-Freisetzungssyndrom, Neutropenie, Husten, Durchfall, Anämie, Müdigkeit, Lungenentzündung und Infektionen der oberen Atemwege. Einem Warnhinweis in der Fachinformation zufolge ist die Behandlung mit Linvoseltamab bei Patienten mit aktiven Infektionen zu vermeiden.
Patientinnen im gebärfähigen Alter müssen während der Behandlung und für mindestens fünf Monate nach der letzten Dosis eine zuverlässige Verhütungsmethode anwenden. Die Anwendung des Wirkstoffs bei Schwangeren und bei Frauen im gebärfähigen Alter, die nicht verhüten, wird nicht empfohlen. Zudem sollte während der Behandlung mit Lynozyfic und für mindestens fünf Monate nach der letzten Dosis das Stillen ausgesetzt werden.