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Tödliche Infektionskrankheit

Tuberkulose – die Gefahren und ein wenig Hoffnung

Tuberkulose ist eine Krankheit der Armen und betrifft die Menschen hier nicht? Noch stimmt das weitestgehend. Sparmaßnahmen im Bereich der weltweiten Gesundheitsversorgung und auch dadurch bedingt zunehmende Resistenzen der Tuberkelbakterien könnten der tödlichen Infektionskrankheit jedoch Vorschub leisten.
Isabel Weinert
29.08.2025  16:00 Uhr

Täglich sterben etwa 3000 Menschen weltweit an einer eigentlich behandelbaren Krankheit, der Tuberkulose (Tb), von Tuberkelbakterien ausgelöst, per Tröpfchen übertragen. Es sind vor allem Armut und chronisch das Immunsystem schwächende Erkrankungen wie HIV, die den Tuberkelbakterien Einlass in den Menschen gewähren. »Der größte Teil der Erkrankten bekommt von der Infektion nichts mit«, erklärt Professor Dr. med. Michael Hoelscher, Direktor des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München, im Gespräch mit PTA-Forum. Die Tb ist dann latent, das Immunsystem hält sie in Schach. Bei den meisten davon Betroffenen bleibt sie ein Leben lang im Verborgenen; sie stecken niemanden an.

Allerdings erhöhen bestimmte Faktoren die Wahrscheinlichkeit, dass die Krankheit ausbricht. Dazu gehört alles, was das Immunsystem schwächt. »Das sind zum Beispiel HIV, Krebserkrankungen, aber auch kriegerische Konflikte, Unterernährung oder mangelnder Zugang zu Hygiene«, erklärt Hoelscher. Deshalb habe man in diesen Regionen immer mehr Tb als in anderen Ländern.

Überall im Körper

Von dem einen Fünftel der Menschheit, das mit Tuberkelbakterien infiziert ist – in einigen Regionen der Welt sind es sogar bis zu zwei Drittel – erkranken jährlich rund zehn Millionen Menschen. Das zeigt sich etwa in einem hartnäckigen Husten, einhergehend mit Fieber und Gewichtsverlust. In den meisten Fällen ist die Lunge betroffen; hier können sich sogenannte Kavernen bilden, die mit großen Mengen zerfallenem Lungengewebe und vielen Bakterien gefüllt sind. Beim Husten sind diese Menschen dann ansteckend. Bei solchen Hustenanfällen können auch Blutgefäße in den Lungen reißen, die Menschen verbluten dann. Tuberkulosebakterien können aber auch jedes andere Organ im Körper infizieren und dort Nekrosen verursachen. Grundsätzlich gilt: Je früher die Krankheit erkannt wird, desto besser ist sie zu behandeln.

In Deutschland liegen die Tuberkulose-Zahlen ganz weit unten. Das Land hat laut Robert-Koch-Institut mit 4481 Fällen im Jahr 2023 kein großes Tb-Problem. »Für das Jahr 2024 gibt es schon vorläufige Daten; da sind wir bei 4391, haben also 90 Fälle weniger. Das ist im Rahmen der Schwankungsbreite«, erklärt Hoelscher. Im Prinzip liege man in Deutschland stabil bei etwa 4500 neuen Fällen pro Jahr.

»Das zeigt aber auch, dass wir derzeit nicht auf dem Weg sind, die sogenannten Sustainable Development Goals zu erreichen, das heißt, bis 2030 die Tb nahezu vollständig eliminiert zu haben«, so der Experte. Die 17 nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goals, SDGs) sind das Herzstück der Agenda 2030 der Vereinten Nationen. Sie ersetzen die acht Millennium-Entwicklungsziele (Millennium Development Goals, MDGs), die die Vereinten Nationen im Jahr 2000 formulierten und die der Bekämpfung unter anderem von weltweit kursierenden Infektionskrankheiten dienen sollen. 

Hoelscher forscht seit langer Zeit in Ländern Afrikas, in denen eine große Zahl von Menschen nicht nur mit Tb infiziert ist, sondern auch daran sterben muss, weil Medikamente fehlen, schlechte Qualität aufweisen oder es an Geld für die Therapie mangelt. In diesen Ländern spielt noch eine weitere Erkrankung der Tuberkulose in die Karten: HIV. Je mehr Menschen mit HIV infiziert sind, desto mehr werden auch an Tuberkulose erkranken.

Riskantes Sparen

Hoelscher: »Wir haben das Problem, dass in ärmeren Ländern der Welt die Tb-Therapie und auch die HIV-Therapie massiv von Unterstützung aus den USA und Europa abhängen. Die USA haben bislang den größten Anteil gezahlt. Das wird jetzt von heute auf morgen eingestellt.« Für den Moment gebe es zwar noch Therapie; es werde aber immer schwieriger. »Das Problem dabei ist nicht die Standardtherapie, die können sich auch arme Länder meistens leisten, sondern diejenige gegen multi- und mehrfach multiresistente Tuberkelbakterien. Diese Behandlungen kosten eine Menge Geld, das durch die finanziellen Streichungen reicher Länder nicht mehr zur Verfügung steht«, erklärt der Infektiologe.

Und genau das, die resistenten Stämme kaum noch ausmerzen zu können, fördert Resistenzen. Das macht es wahrscheinlicher, dass die Tb von einer Krankheit der Armen mehr und mehr zu einer Krankheit aller werden könnte. Weil es mangels Geld auch weniger HIV-Therapien geben wird und Menschen mit nicht behandelter HIV-Infektion bevorzugt auch an Tuberkulose erkranken, fördert dieser Weg zusätzlich den weltweiten Vormarsch der Tuberkelbakterien. Reiche Länder leben eben nicht auf einer Insel, sondern alles hängt mit allem zusammen – auch die globale Gesundheit.

Nachhaltige Investitionen in Forschung sind entscheidend für die Bekämpfung von Tuberkulose.«
Professor Dr. med. Michael Hoelscher, Direktor des Instituts für Infektions- und Tropenmedizin am LMU Klinikum München

Das mag alles noch abstrakt und weit weg erscheinen, weshalb man sich fragen kann, was das mit den Menschen hier zu tun hat; mit einem Land, in dem Armut im harten Sinne eigentlich kein Thema ist und Hygiene und Gesundheitsversorgung auf einem hohen Niveau liegen. An dieser Stelle kommen die Begriffe »Verantwortung« und »Vorbeugen« ins Spiel – auf verschiedenen Ebenen. Auf manchen davon können auch PTA in der Apotheke dazu beitragen, dass Tb sich möglichst nicht noch weiter ausdehnt.

Verdacht schöpfen

Derzeit läuft hierzulande so gut wie kein Mensch, der nicht aus einem armen oder von Krieg zermürbten Land kommt, in dem er die Krankheit erworben hat, Gefahr, sich mit Tb zu infizieren. Ein Arzt, der direkt von einem Menschen mit einer aktiven Tb angehustet wird, kann sich anstecken, oder auch Menschen, die mit jenen eng zu tun haben, die sich in einem anderen Land infiziert haben. Für den seltenen Fall der Fälle sind Ärzte in Deutschland jedoch auch nicht mehr gut gewappnet, die Krankheit zu erkennen; sie denken nicht mehr an diese Möglichkeit.

Hoelscher weiß, an welcher Stelle Ärzte aufmerken müssen und auf Tuberkulose testen sollen: »Es gibt zwei Verdachtswege: Zum einen, wenn jemand lange Zeit hustet und eine normale Antibiotikatherapie nur eine ganz kurzzeitige Verbesserung gebracht hat. Denn normale Antibiotika helfen bei Tb manchmal auch; sie schaffen aber nur für ein bis zwei Wochen eine leichte Verbesserung.« Der Husten ist dann chronisch. Der betroffene Mensch zeigt sich in einem schlechten Allgemeinzustand, hat meist an Gewicht verloren; Fieber und Nachtschweiß sind weitere Symptome. »Da muss ich immer an Tb denken«, so der Experte.

Zum anderen gebe es die Fälle, bei denen es irgendeinen komischen Befund im Körper gebe, bei dem Ärzte vergeblich nach der Ursache fahnden. Krankengeschichten, bei denen lange Zeit vergeblich nach der Ursache gesucht wird, bekommen auch PTA häufiger mit. Sie können dann, auch wenn die Wahrscheinlichkeit gering ist, darauf hinweisen, dass Patienten den behandelnden Arzt auf die Möglichkeit einer Tb ansprechen könnten.

Interferon nachweisen

Um die Erkrankung nachzuweisen, lasse der Hausarzt den sogenannten IGRA-Test in einem Labor durchführen, so Hoelscher. Bei diesem Interferon-Gamma-Release Assay werden T-Lymphozyten aus dem Blut des Patienten mit Antigenen der Tuberkelbakterien stimuliert. Nur wenn das Immunsystem des Menschen bereits Kontakt mit den Erregern hatte, sezernieren die T-Lymphozyten Interferon-γ, das dann nachgewiesen werden kann und spezifisch ist für Tuberkulose.

Derzeit haben zwei IGRA-Tests eine EU-Zulassung. Schon nach einem Tag wissen Arzt und Patient das Ergebnis der Untersuchung. Bei einem positiven Resultat überweist der Hausarzt am besten an einen Infektiologen, denn es gilt jetzt abzuklären, ob es sich um eine latente oder eine aktive Tb handelt; der positive Test allein sagt darüber nichts aus.

Der eindeutigste Nachweis einer aktiven Tuberkuloseerkrankung ist der Nachweis von Mykobakterium im Sputum (Ausgehustetem) entweder durch PCR oder Bakterienkultur. Hoelscher: »Gleichzeitig sollte man die Lunge röntgen, um das Ausmaß der Erkrankung festzustellen. Hier sieht man bei latenter Tb kleine Verkalkungen, das sind die vom Immunsystem eingemauerten Bakterien. Bei einer aktiven Tb hingegen zeigt sich in der Lunge ein typisches Bild mit Granulomen und Nekrosen.«

Bei der latenten Tb gebe es zwar eine Therapie für latente Tb-Infizierte; über deren Sinn im Einzelfall müsse man aber in einer individuellen Risikoabwägung mit dem Infektiologen entscheiden. Anders bei der aktiven Tb – sie muss zwingend und äußerst konsequent behandelt werden. »Denn eine unbehandelte aktive Tb endet in 70 Prozent der Fälle tödlich«, erklärt Hoelscher.

Am Ball bleiben

Bekommen PTA mit, dass ein Patient eine Tb-Therapie erhält, können sie wichtige Hinweise geben: Bei konsequenter Therapie einer aktiven Tb mit nicht resistenten Tuberkelbakterien liegen die Heilungschancen bei über 95 Prozent. Die Standardtherapie dauert ein halbes Jahr. Warum Konsequenz so wichtig ist? Weil jede vergessene oder aus sonstigem Grund ausgelassene Dosis die Tuberkelbakterien wieder erstarken lässt und die Gefahr für Resistenzbildungen erhöht.

Dann breitet sich aus, was Experten weltweit fürchten: die multiresistente oder gar mehrfach multiresistente Tb. Bei der sogenannten MDR-Tb wirken wegen Resistenzen mehrere Tuberkulose-Medikamente nicht mehr, mindestens aber Isoniazid (INH) und Rifampicin (RIF). Noch schwerwiegender wirkt sich die XDR-Tuberkulose aus, eine extensiv medikamentenresistente Tuberkulose. Die Bakterien reagieren hier auf viele Medikamente der ersten und der zweiten Wahl nicht mehr. Die Heilungschancen stehen noch einmal schlechter als bei der MDR-Tb. Hier müssen Mediziner genau ausloten, gegen welche Medikamente Resistenzen vorliegen, bevor sie mit der Therapie beginnen können.

Seelisch unterstützen

Das größte Problem: Die Therapie multiresistenter Tuberkelbakterien müssen Patienten über zwei Jahre lang absolut konsequent einhalten. Und dabei geht es nicht um irgendwelche Medikamente, die man halbwegs gut vertragen würde, sondern der zwingend notwendige Medikamenten-Mix kann schwerste Nebenwirkungen mit sich bringen. Eine davon ist die vollständige Ertaubung. An einem Tag hört der Patient noch völlig normal, am nächsten ist er taub für den Rest seines Lebens. Eine solche Therapie erfordert neben den Medikamenten eigentlich auch immer eine seelische Unterstützung der Betroffenen. Auch das ist ein Aspekt, der in armen Ländern nicht flächendeckend zu leisten ist.

Zu Multiresistenzen trägt auch bei, dass eines der gegen Tb wirksamen Antibiotika noch anderweitig zum Einsatz kommt. Dabei geht es um Moxifloxacin, das Topmedikament auch gegen Pneumonien. Sein Einsatz als Monopräparat bei einer falsch als Pneumonie eingeordneten Tb steigert das Resistenzrisiko.

Hoffnungsvolle Forschung

Umso dringlicher die Frage nach neuen Medikamenten besonders gegen die multiresistenten Tuberkelbakterien. Hier ist Hoelscher als wissenschaftlicher Leiter des größten weltweiten Konsortiums, in das auch die LMU und vier Pharmafirmen involviert sind, maßgeblich an der Entwicklung beteiligt. Das Konsortium arbeitet derzeit an sieben neuen Medikamenten, die in Viererkombinationen zum Einsatz kommen sollen. Mittlerweile laufen bereits einige Studien in dem von der EU, dem Bundesforschungsministerium und dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) mit 200 Millionen Euro geförderten Programm. Die Resultate stimmen hoffnungsvoll.

»Die Mykobakterien, zu denen die Tuberkelbakterien zählen, sind sehr widerstandsfähig. Es gibt hier wenige Medikamente, die gut funktionieren«, erklärt Hoelscher. Die Arbeit des Konsortiums ist auch deshalb so bedeutsam, weil universitäre Wissenschaftler die Suche nach neuen Wirkstoffen gegen die Tb-Pandemie vorantreiben müssen, denn für Pharmaunternehmen ist diese Forschung monetär wenig interessant.

Tuberkulose Einhalt gebieten und die Menschen in absehbarer Zeit davon befreien – um dieses Ziel zu erreichen, braucht es viele Kräfte. Wenn auch nicht an vorderster Stelle, so können doch auch PTA hierzulande aufklärend und beratend ihren Beitrag dazu leisten. 

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