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Brustkrebs

Tumorzellen gezielt ausschalten

Selbst bei bisher kaum therapierbaren oder bereits fortgeschrittenen Brustkrebsformen eröffnen zielgerichtete Medikamente neue Behandlungsmöglichkeiten.
AutorKontaktClara Wildenrath
Datum 01.10.2025  16:00 Uhr

Anders als die klassische Chemotherapie richten sich zielgerichtete Therapien spezifisch gegen bestimmte Merkmale der Brustkrebszellen. Gesundes Gewebe schädigen sie kaum. Dadurch sind sie potenziell besser verträglich. Sie können allerdings nur wirken, wenn die Tumorzellen der Patientin die jeweiligen Zielstrukturen aufweisen. Ob das so ist, stellt der Arzt in der Regel anhand einer Gewebeprobe fest. Manchmal sind zusätzlich auch Gentests nötig.

Der wichtigste Angriffspunkt zielgerichteter Medikamente ist der Rezeptor HER2 (manchmal auch HER2/neu genannt) für den humanen epidermalen Wachstumsfaktor. Er findet sich bei etwa 15 bis 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen in großen Mengen auf der Oberfläche der Krebszellen. HER2 erleichtert es dem Tumor, in gesundes Gewebe einzuwachsen und Metastasen zu bilden. Früher verringerte das die Überlebenschance der Betroffenen. Durch die Entwicklung von monoklonalen Antikörpern gegen HER2 hat sich das in den letzten 20 Jahren umgekehrt: Diese Medikamente blockieren den Rezeptor und unterbinden dadurch das Wachstumssignal. Heute sind die Heilungsaussichten bei HER2-positivem Brustkrebs deshalb besser als bei HER2-negativem. 

Besonders effektiv wirken die HER2-Antikörper Trastuzumab (Herceptin® unter anderem) und Pertuzumab (Perjeta®) in Kombination mit einer Chemotherapie. Bei den ersten Infusionen verursachen sie bei manchen Patientinnen allergie- oder grippeartige Nebenwirkungen. Weil die Therapie den Herzmuskel in Mitleidenschaft ziehen kann, sollte die Herzfunktion regelmäßig überwacht werden. Anders als die meisten anderen zielgerichteten Wirkstoffe ist Trastuzumab auch für Brustkrebs im Frühstadium zugelassen.

Bewaffnete Antikörper

HER2 wird darüber hinaus als Eintrittspforte genutzt, um besonders potente Zytostatika gezielt ins Innere von Tumorzellen zu schleusen: Trastuzumab-Emtansin (Kadcyla®) und Trastuzumab-Deruxtecan (Enhertu®) sind feste Konjugate aus dem HER2-Antikörper und einem Chemotherapeutikum. Die »bewaffneten« Antikörper binden an den Rezeptor und gelangen so in die Krebszelle, wo das Zellgift seine Wirkung entfalten kann. Gesunde Zellen bleiben verschont. Sie wirken sehr zielgenau und bekämpfen auch Mammakarzinome mit niedriger oder ultraniedriger HER2-Konzentration, die manchmal fälschlicherweise als HER2-negativ eingeordnet werden.

Die Wirkung der sogenannten Tyrosinkinase-Hemmer setzt ebenfalls an HER2 an. Allerdings handelt es sich hierbei nicht um Antikörper, sondern um sehr kleine Moleküle (»Small Molecules«), die direkt in die Zelle eindringen können. Dort verhindern sie, dass die wachstumsfördernden Signale von HER2 und anderen Rezeptoren innerhalb der Tumorzelle weitergeleitet werden – die Zelle kann sich also nicht mehr teilen.

Der Tyrosinkinase-Hemmer Neratinib (Nerlynx®) ist für frühen Hormonrezeptor-positiven Brustkrebs nach Trastuzumab-Vorbehandlung zugelassen, Lapatinib (Tyverb®) und Tucatinib (Tukysa®) sind fortgeschrittenen Stadien vorbehalten. Einen ähnlichen, aber von HER2 unabhängigen Signalweg blockiert der Kinaseinhibitor Capivasertib (Truqab®), der seit Juni 2024 in der EU erhältlich ist. Voraussetzung für die Verordnung ist jedoch der Nachweis bestimmter Genmutationen. 

Resistenzen umgehen

Auch bei HER2-negativen, Hormonrezeptor-positiven Tumoren gibt es die Möglichkeit einer zielgerichteten Intervention, wenn der Krebs nicht auf die antihormonelle Therapie anspricht und Metastasen bildet. Ein Angriffspunkt ist der sogenannte mTOR-Signalweg im Inneren der Tumorzellen: Ist er überaktiviert, können sich ursprünglich hormonempfindliche Zellen trotz endokriner Therapie weiter vermehren.

Der mTOR-Hemmer Everolimus (Afinitor®) blockiert diesen Signalweg. In Kombination mit dem Aromatasehemmer Exemestan kann er das Tumorwachstum bremsen. Allerdings bringt er relativ häufig Nebenwirkungen mit sich, wie Infektionen, Mundschleimhautentzündungen, Geschmacksveränderungen und entzündliche Veränderungen der Lunge. Wegen möglicher Wechselwirkungen sollte die Frau Johanniskraut, Grapefruitsaft sowie einige Blutdruck- und Cholesterinsenker nicht zusammen mit Everolimus einnehmen.

CDK4/6-Hemmer blockieren Zellzyklus-Proteine, deren erhöhte Aktivität in Hormonrezeptor-positiven Brustkrebszellen ebenfalls Resistenzen gegen die endokrine Therapie fördern kann. Bisher sind drei Wirkstoffe dieser Substanzklasse für Frauen mit HER2-negativem, Hormonrezeptor-positivem Brustkrebs zugelassen: Abemaciclib (Verzenios®), Ribociclib (Kisqali®) und Palbociclib (Ibrance®). Auch sie erhöhen das Risiko von Nebenwirkungen – zum Beispiel einen Rückgang der weißen Blutkörperchen (Neutropenie) oder Herzrhythmusstörungen. 

Zu den »bewaffneten« Antikörpern, die auch bei HER2-negativem Brustkrebs wirksam sind, gehören das Konjugat Sacituzumab-Govitecan (Trodelvy®) und das erst kürzlich zugelassene Datopotamab-Deruxtecan (Datroway®). Hier richten sich die Antikörper gegen TROP2, ein weiteres Oberflächenprotein auf Tumorzellen. 

Versorgung kappen

Ein weiterer Angriffspunkt, um die Vermehrung von Krebszellen zu bremsen, ist dessen Nähr- und Sauerstoffbedarf. Um wachsen zu können, muss der Tumor für eine ausreichende Durchblutung sorgen. Dafür sendet er den Wachstumsfaktor VEGF aus, der die Neubildung von Blutgefäßen (Angiogenese) anregt. Der monoklonale Antikörper Bevacizumab (Avastin®) blockiert diesen Botenstoff. Dadurch wird der Tumor von der Blutversorgung abgeschnitten und ausgehungert.

Studien belegen, dass die Kombination von Bevacizumab mit einer Chemotherapie das Fortschreiten der Erkrankung bei Patientinnen mit HER2-negativem, metastasiertem Brustkrebs etwa ein halbes Jahr länger aufhalten kann als die Chemotherapie allein. Ein nachweislicher Lebenszeitgewinn war damit allerdings nicht verbunden. Zu den möglichen, manchmal schwerwiegenden Nebenwirkungen zählen Bluthochdruck und Nierenfunktionsstörungen. Anders als in Europa dürfen Ärzte in den USA deshalb Bevacizumab bei Brustkrebs nicht mehr einsetzen.

Bei etwa fünf bis zehn Prozent der Brustkrebspatientinnen findet sich im Erbgut eine Mutation der Tumorsuppressorgene BRCA1 oder BRCA2. Für sie kommt zusätzlich der Einsatz eines PARP-Hemmers infrage. Diese Wirkstoffe blockieren die durch den Gendefekt ohnehin schon angeschlagene DNA-Reparatur. Dadurch häufen sich Schäden in der Erbinformation, die zum Absterben der Krebszellen führen. In Deutschland stehen aus dieser Wirkstoffklasse die Substanzen Olaparib (Lynparza®) und Talazoparib (Talzenna®) zur Verfügung.

Eine weitere Mutation lässt sich bei etwa einem Viertel aller Brustkrebspatientinnen nachweisen: PIK3CA. Diese Genveränderung bewirkt, dass Wachstumssignale im Inneren der Krebszellen unkontrolliert weitergeleitet werden. Der Wirkstoff Alpelisib bremst dies. Trotz guter Studiendaten zog der Hersteller das bereits zugelassene Medikament (Piqray®) jedoch 2021 vom deutschen Markt zurück, weil die Verhandlungen mit den Krankenkassen über den Erstattungsbetrag gescheitert waren. Apotheken können es jedoch aus dem Ausland importieren, zum Beispiel aus Österreich.

Einen zweiten Wirkstoff aus dieser Substanzklasse, Inavolisib, empfahl der EMA-Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) im Mai 2025 zur Zulassung beim fortgeschrittenen Hormonrezeptor-positiven, HER2-negativen Mammakarzinom mit PIK3CA-Mutation.

Immuntherapie bei triple-negativ

Eine besondere Herausforderung stellt die Therapie von triple-negativem Brustkrebs (TNBC) dar. Diese Tumoren weisen weder HER2 noch Hormonrezeptoren auf. Auf zielgerichtete Therapien gegen diese Strukturen sprechen sie deshalb nicht an.

Die Diagnose TNBC trifft etwa 15 bis 20 Prozent aller Brustkrebspatientinnen – vor allem jüngere Frauen und solche mit einer BRCA-Mutation. Einigen von ihnen kann eine Immuntherapie helfen. Sie ermöglicht es dem körpereigenen Abwehrsystem, Krebszellen zu erkennen und zu bekämpfen. Das funktioniert in erster Linie über sogenannte Checkpoint-Inhibitoren: Sie schalten bestimmte Kontrollstellen (»Checkpoints«) aus, die die Tumorzellen vor dem Angriff des Immunsystems schützen.

Als erstes Medikament dieser neuen Generation wurde 2019 Atezolizumab (Tecentriq®) zur Behandlung des TNBC zugelassen, 2021 folgte Pembrolizumab (Keytruda®). Beide monoklonalen Antikörper richten sich gegen das Oberflächenprotein PD-L1, das die Tumorzellen von etwa 40 Prozent der Patientinnen in hoher Konzentration tragen. Dies muss der Arzt vor einer Verordnung nachweisen, da die Therapie ansonsten keine Wirkung zeigt.

Beide Checkpoint-Inhibitoren werden oft in Kombination mit einer platinhaltigen Chemotherapie bereits neoadjuvant, also vor der Operation, gestartet. Die meisten Nebenwirkungen beruhen auf einer überschießenden Immunreaktion, zum Beispiel Fieber, Ausschlag und Entzündungen im Darm oder in der Schilddrüse. Bei einigen wenigen Patientinnen treten sie auch erst Monate nach dem Therapieende auf.

Bei manchen Frauen zeigt die Checkpoint-Hemmung eine sehr effektive und langanhaltende Wirkung: Sie kann den Tumor dauerhaft daran hindern, sich auszubreiten, und in seltenen Fällen sogar zurückbilden. Allerdings beträgt die Ansprechrate nur etwa 20 Prozent. Noch lässt sich vor der Behandlung aber nicht mit Sicherheit vorhersagen, wem sie hilft und wem nicht. Forschende sind deshalb mit Hochdruck auf der Suche nach neuen Biomarkern, die darüber künftig Auskunft geben können. Auch weitere neue Immuntherapeutika und Therapieschemata, die die Brustkrebsbehandlung in den nächsten Jahren weiter verbessern könnten, befinden bereits in der klinischen Forschung.

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