Überblick über die Protestaktionen |
Mit diesen Postern machen viele Apotheken auf den Protesttag aufmerksam. / Foto: Adobe Stock/contrastwerkstatt
Personalnot, steigende Kosten und Bürokratie machen den Apotheken zunehmend zu schaffen. Mit dem bundesweiten Protesttag unter dem Motto »Gesundheit statt Mangel« wollen sie dagegen ein Zeichen setzen und ihren Forderungen nach mehr Wertschätzung, einer besseren Honorierung und mehr Handlungsfreiräumen Gehör verschaffen.
Der Deutsche Apothekerverband und die Landesapothekerverbände haben ihre Mitglieder aufgerufen, am kommenden Mittwoch ihre Apotheken geschlossen zu halten. Zusätzlich stellen die Landesapothekerverbände und -kammern regionale Aktionen auf die Beine – von Protestmärschen und Kundgebungen über Pressekonferenzen bis hin zu kleinen lokalen Veranstaltungen. Neben dem Protest-Checker der Freien Apothekerschaft, wo die Apotheken selbst ihre Teilnahme eintragen konnten (bislang knapp 6000 Einträge), gibt es nun auch von der ABDA eine Übersicht über die regionalen Aktionen. Man darf einen flächendeckenden Protest erwarten. Wir greifen nur einige Beispiele auf:
In Schleswig-Holstein und Hamburg sind keine größeren Kundgebungen oder Demonstrationen geplant. Viele Apothekenteams aus dem Norden wollen nach Auskunft der Verbände zu den großen Demonstrationen nach Düsseldorf oder Berlin fahren. Es wird aber auch sehr vielfältige und bunte Aktionen vor Ort geben. »Wie beim Aktionstag am 9. Mai und am Streiktag 19. Oktober 2022 auch werden die Apothekenteams sehr unterschiedlich und vielfältig am Streik teilnehmen«, teilte der Apothekerverband Schleswig-Holstein der PZ auf Nachfrage mit. »Die Streikmotivation ist sehr hoch«, so Geschäftsführer Georg Zwenke, der selbst Apotheker ist. »Da jede Apothekenleiterin und jeder Apothekenleiter letztlich vor den gleichen Problemen steht, unsere Streikziele voll unterstützt, gehen wir von einer sehr hohen Streikbereitschaft und -teilnahme aus, die durch Notdienstbereitschaft und spezieller Mietvertragskonstellationen einiger weniger Apotheken nicht bei 100 Prozent liegen kann, aber auch nicht weit von diesem Wert entfernt sein wird.«
Niedersachsen legt bereits am Montag, 12. Juni, mit einer Performance an zentraler Stelle in Hannover vor. Unter dem Motto »Uns geht die Puste aus!« hat die Apothekerkammer Niedersachsen die Aktion von langer Hand geplant. »Bei anhaltenden Lieferengpässen, zunehmender Bürokratie, Honorar-Streichungen durch die Krankenkassen sowie steigenden Kosten wird es für junge Menschen immer unattraktiver, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen, beziehungsweise eine Apotheke zu betreiben«, sagte diese Woche der LAV-Vorsitzende Niedersachsens, Berend Groeneveld, zur Initiative »Gegen Zukunftsklau«. »Unsere jungen Pharmazeutinnen und Pharmazeuten stecken jedoch nicht den Kopf in den Sand, sondern machen Lärm und suchen das Gespräch – ob auf der Straße, in den Sozialen Medien oder in der Apotheke.« In Stade beispielsweise wollen die Apotheken gemeinsam auf dem Markt in der Innenstadt informieren.
Und auch in Bremen wollen die Apothekerinnen und Apotheker auf sich aufmerksam machen und haben zur Teilnahme einer Demonstration im weißen Kittel an zentraler Stelle, nämlich am Bremer Rathaus aufgerufen.
Natürlich findet in Berlin im Regierungsviertel eine der größten Protestaktionen statt, organisiert vom Berliner Apothekerverein. Ein Protestzug und eine Abschlusskundgebung sind geplant. Start der Demo ist um 12 Uhr auf der Potsdamer Platz, von dort geht es durch das Regierungsviertel. Um 13.30 Uhr beginnt die Abschlusskundgebung im Invalidenpark. Die amtliche Freigabe steht allerdings noch aus.
Im Nachbarland Brandenburg hat der Apothekerverband seine Mitglieder aufgerufen, sich am Protestmarsch und der Kundgebung in Berlin zu beteiligen. Voraussichtlich findet zudem eine Demo in Neuruppin statt. Die Apothekerverband Mecklenburg-Vorpommern organisiert vier Busse zur Demo in Berlin und motiviert seine Mitglieder, auch auf eigene Faust dorthin zu reisen.
Der Sächsische Apothekerverband stellt in Dresden und Leipzig Busse bereit, damit seine Mitglieder zur Demo nach Berlin fahren können. Geplant sind zudem Besuche von Landespolitikern in Protestapotheken. In Sachsen-Anhalt fahren von Halle an der Saale und Magdeburg aus Busse zur Demo in Berlin. Von 9 bis 11 Uhr ist zudem eine zentrale Veranstaltung auf dem Marktplatz in Colbitz geplant.
Um nur ein Einzelbeispiel stellvertretend für viele andere aktive Apothekeninhabende zu nennen: In Oranienbaum-Wörlitz hat Apothekerin Beate Egelkraut ihre Abgeordneten aus Stadt und Land eingeladen, sich ein Bild vor Ort zu machen. »Noch nie hatten wir diese schlechte Situation der Versorgung«, so die Apothekerin. »Zwar finden wir immer wieder Mittel und Wege, um unsere Patienten mit Arzneimitteln zu versorgen. Aber die Situation wird täglich schlechter. Und dann müssen wir diese bürokratischen Hürden nehmen, die uns fast die Luft zum Atmen nehmen.«
In Thüringen findet in Erfurt ausgerechnet am 14. Juni auch die Kammerversammlung nachmittags statt. Der Thüringer Apothekerverband informiert an einem Stand am Anger in Erfurt. Zudem organsiert der Verband zwei Busse, die am Protesttag entlang der A4 Interessenten einsammeln und zur Demo in Berlin bringen.
Auch der Westen wartet mit gleich zwei großen Demonstrationen in Düsseldorf und Wiesbaden auf. Zur Demo in Düsseldorf zwischen 12 und 13 Uhr werden auf dem Burgplatz in der Nähe des Landtags etwa 4000 Apothekerinnen und Apotheker, PKA und PKA allein von Rhein und Ruhr erwartet – am besten im weißen Kittel. »Die überwältigende Teilnahmebereitschaft an Protest und Demo zeigt die enorm starke Betroffenheit des Berufsstands angesichts nicht enden wollender Lieferengpässe bei Arzneimitteln, einem sich weiter zuspitzenden Fachkräftemangel, steigenden Lohn-, Energie und Zinskosten, hoher Inflation und den zusätzlichen Honorarkürzungen, um die Krankenkassen zu stützen«, so Nordrheins Verbandschef Thomas Preis.
In Westfalen-Lippe sind auch unter anderem Herford, Paderborn, Hagen, Dortmund und Münster Protestmärsche oder Demonstrationen angekündigt, in Münster mit anschließender Kundgebung auf dem Prinzipalmarkt. Nachmittags ist noch ein Gespräch mit dem Oberbürgermeister und aktuellem Städtetagspräsidenten Markus Lewe geplant, der sich schon öfter für die wohnortnahen Apotheken stark gemacht hat. Aus Westfalen-Lippe kommt auch der Aufruf »Apotheken stärken JETZT!«, während die Nordrheiner sich »Apotheken kaputt sparen. Arzneimittelversorgung gefährden. Nicht mit uns!« auf die Fahnen geschrieben haben.
In Hessen sind die Apotheken aufgerufen, am 14. Juni in die Landeshauptstadt Wiesbaden zu kommen. Um 12 Uhr gibt es eine zentrale Kundgebung auf dem Kochbrunnenplatz. Auch Abgeordnete der hessischen Landtagsfraktionen nehmen teil, teilte der HAV der PZ mit. Der Protesttag richte sich gegen überbordende Bürokratie, jahrzehntelange Unterfinanzierung und mangelnde Wertschätzung seitens der Bundesregierung, die im vergangenen Jahr zum größten Apothekensterben in Deutschland seit Bestehen der Bundesrepublik geführt hat. In den letzten Tagen haben sich nach Auskunft des Verbands unter anderem die Städte und Regionen Gießen, Kassel, Fulda und Friedberg gemeldet, dass sie sich nahezu geschlossen beteiligen – mit eigenen Aktionen oder mit der Teilnahme an der zentralen Kundgebung.
Rheinland-Pfalz hat seine Mitglieder aufgerufen, sich an der Großdemo in Wiesbaden zu beteiligen. Andreas Hott, Erster Vorsitzender des Apothekerverbands hatte diese Woche anlässlich der Aktion »Gegen Zukunftsklau« gesagt: »Seit Jahren weisen wir auf die brisante Lage hin. Die Apothekerinnen und Apotheker bemühen sich jeden Tag, die Arzneimittelversorgung trotz widriger Umstände aufrechtzuerhalten. In den Gesetzesvorhaben finden die Probleme der öffentlichen Apotheken so gut wie keine Berücksichtigung. Diese Missachtung durch die Politik führt zu einer Destabilisierung der Arzneimittelversorgung in Deutschland.«
Großen Protest wird es auch im Saarland geben, das sich mit Rheinland-Pfalz zusammengeschlossen hat. Die beiden Verbände laden um 11 Uhr zu einer gemeinsamen Pressekonferenz im Apothekerhaus in Saarbrücken ein. »Die Apotheken protestieren mit dem Streik gegen falsche Weichenstellungen in der Gesundheitspolitik der Bundesregierung«, heißt es in der Einladung. Das Motto: »Unsere Apotheke bleibt am 14. Juni 2023 geschlossen. Wir protestieren – auch für Sie!«.
In Baden-Württemberg wird es keine zentrale, sondern nur viele lokale und einige regionale Veranstaltungen geben. »Wir nehmen wahr, dass auf lokaler Ebene an den allermeisten Stellen im Land ein guter Zusammenhalt und viel Kooperation herrscht«, teilte uns Frank Eickmann, stellvertretender Geschäftsführer und Pressesprecher des LAV BaWü mit. Bereits vorab hätten die Apotheken gemeinsam an Mitglieder des Landtags und Bundestags geschrieben, Anzeigengemeinschaften entstehen und es wird zu gemeinsamen lokalen Presse- und Dialogveranstaltungen eingeladen.
Der LAV selbst ist auch in der Pressearbeit äußerst aktiv: Für den 13. und 14. Juni seien Radiospots und Anzeigen in der »Bild« geplant. Hörfunk und Podcasts werden beliefert. »Welt-TV« werde einen ganzen Tag einen Apotheker im Alltag begleiten und hieraus einen Beitrag bauen. Und auch SWR und ZDF seien involviert.
Und auch im größten Bundesland, in Bayern, setzt man auf lokale und regionale Veranstaltungen. In Würzburg, Augsburg und Bamberg soll es größere Protestkundgebungen geben. Auch hier ist der Verband vorab aktiv in der Pressearbeit. Der Vorsitzende des Bayerischen Apothekerverbands Hans-Peter Hubmann ist bekanntlich auch Vorsitzender des Deutschen Apothekerverbands. Im Video-Interview mit der PZ diesen Dienstag sagte er, man können von einer fast überwältigen Bereitschaft zur Teilnahme ausgehen.