Ultraschall in der Kindermedizin |
Caroline Wendt |
10.04.2025 08:00 Uhr |
Viele Knochenbrüche bei Kindern lassen sich mithilfe einer Ultraschall-Untersuchung darstellen. / © Getty Images/ izusek
»Bei Früh- und Neugeborenen ist die Ultraschalluntersuchung des Gehirns von zentraler Bedeutung«, erläuterte Dr. Jörg Jüngert, Oberarzt an der Kinder- und Jugendklinik und Leiter der pädiatrischen Sonografie des Universitätsklinikums Erlangen bei einer Pressekonferenz der Deutschen Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin (DEGUM). So lasse sich durch die Fontanelle das komplette Gehirn darstellen und die meisten Veränderungen wie Tumoren, Fehlbildungen oder Blutungen erkennen. »Diese Untersuchung ist bei deutlich Frühgeborenen oder klinisch auffälligen Säuglingen auf der Intensivstation eine gängige Methode«, so Jüngert. Auch die sogenannte Doppler-Sonografie, bei der der Blutfluss erfasst wird, sei bestens etabliert, berichtete der Mediziner.
Neu sei hingegen die kontrastmittelverstärkte Sonografie. Hierbei werden kleinste Bläschen eines inerten Gases über die Vene als Kontrastverstärker gegeben. Ein spezielles Programm bringt die Bläschen dann zum Schwingen und sie erscheinen im Ultraschall (Sonografie) als leuchtende Punkte. Für die Verabreichung des Kontrastmittels über die Vene gebe es in Europa derzeit noch keine Zulassung, während in den USA diese Diagnostik beim Ultraschall der Leber von Neugeborenen eingesetzt werden kann. »Der einzige Unterschied besteht darin, dass wir den Schallkopf nicht auf die Leber, sondern auf das Köpfchen halten.« Nach 15 Minuten löse sich das Gas auf und werde über die Lunge abgeatmet, informierte Jüngert.
»Die Methode eröffnet neue Perspektiven, weil auch die Gewebeperfusion darstellbar ist«, erklärte der Mediziner. »So konnte in einer DEGUM-Studie die Blutverteilung im Hirngewebe während einer Herzoperation eines Neugeborenen untersucht werden«, berichtete Jüngert. Und die Technik geht inzwischen noch weiter: Mithilfe der sogenannten Ultrasound Localization Microscopy lassen sich einzelne Gasbläschen verfolgen und so selbst kleinste Gefäße mikroskopisch darstellen. »Das ermöglicht einen völlig neuen Blick auf das Gehirn«, so Jüngert. Diese KI-gestützte Technik befindet sich derzeit in wissenschaftlicher Evaluation. Der DEGUM-Experte erhofft sich dadurch wertvolle Zeit in der Erstdiagnose bei Neugeborenen, die beispielsweise mit einem schweren Sauerstoffmangel auf die Welt kommen oder Symptome eines Schlaganfalls zeigen. In solchen Fällen ist derzeit eine MRT-Untersuchung das zentrale bildgebende Verfahren.
Über weitere KI-gestützte Ultraschall-Untersuchungen berichtete Professor Dr. Robert Dalla Pozza von der Abteilung für Kinderkardiologie und pädiatrische Intensivmedizin am Klinikum der Ludwig-Maximilians-Universität München. KI soll künftig helfen, schwere Herzfehler bei der fetalen Ultraschall-Untersuchung, die etwa in der 20. bis 22. Schwangerschaftswoche durchgeführt wird, zu entdecken. »Der Herzultraschall vor der Geburt ist eine komplizierte Sache, da die Größenverhältnisse noch so viel kleiner sind«, berichtete der Mediziner. Zudem gehe es dem Kind im Mutterleib gut und eine Gefährdung sei nicht immer zu erkennen. Weltweit würden nur etwa 30 bis 50 Prozent der komplizierten Herzfehler bereits vor der Geburt erkannt.
Die KI könne aufgrund der übermittelten Ultraschallbildern diese mit Millionen anderer fetaler Herzultraschallbilder vergleichen und dem Untersuchenden Vorschläge machen. »Dann könnten wir in vielen Fällen den Zustand erreichen: Gefahr erkannt, Gefahr gebannt«, so Della Pozza. Die Mütter würden dann an entsprechende Zentren überwiesen, in denen die Kinder dann »relativ smooth« zur Welt kämen und eine sofortige Behandlung durch Kinderkardiologen oder Kinderherzchirurgen möglich wäre. Würden die Mütter hingegen in einer kleineren Klinik ohne Experten entbinden, könne wertvolle Zeit verstreichen und die Neugeborenen in einen bedrohlichen Zustand kommen. Bisher sei die Methode nur im Rahmen von Forschungsprojekten implementiert. Della Pozza hofft jedoch auf eine breite Verbreitung, auch in kleineren Kliniken und gynäkologischen Praxen.
»Erwachsene mit angeborenen Herzfehlern haben ein erhöhtes Risiko für Herzrhythmusstörungen«, berichtete der Mediziner weiter. Ein KI-Projekt, welches aus verschiedenen Ergebnissen, wie Langzeit-EKGs, Belastungsuntersuchungen oder detektiertem Narbengewebe, einen individuellen Risikoscore ermittelt, ist bereits im klinischen Alltag angekommen – allerdings nur in auf diese Patientengruppe spezialisierten Zentren.
Professor Dr. Hans-Joachim Mentzel, leitender Arzt der Kinderradiologie des Universitätsklinikums Jena, berichtete über ein Einsatzgebiet der Sonografie, das bereits seit 20 Jahren praktiziert wird, doch seiner Meinung nach noch immer viel zu selten zum Einsatz kommt: die Diagnose des vesikoureteralen Reflux, also des Rückflusses von Urin aus der Blase zurück in den Harnleiter und ins Nierenbecken. Liegt dieser vor, kann eine unkomplizierte Blasenentzündung eine Nierenbeckenentzündung hervorrufen.
Die Untersuchung erfolge derzeit häufig noch mittels einer Röntgenmethode, der Miktionszystourethrografie (MCU). Hierbei wird den Patienten über einen Katheter ein Kontrastmittel in die Harnblase gegeben. Sowohl während der Füllung der Blase als auch beim darauffolgenden willkürlichen Entleeren wird geröntgt. Dabei habe man oft keine Chance, die Gonaden, also die Organe, in denen die Geschlechtszellen gebildet werden, nicht zu bestrahlen, so der Leiter der Sektion Pädiatrie der DEGUM. Die Eierstöcke von Mädchen könne man gar nicht schützen und auch die Hoden kleiner Jungen seien häufig nicht vor der Strahlung abzuschirmen.
»Die Gasbläschen, die beim Ultraschall des Gehirns in die Blutbahn gespritzt werden, können aber auch in die Blase gegeben werden«, informierte Mentzel weiter. Für die Applikation in die Harnblase habe das Kontrastmittel eine Zulassung, die Ärzte können also gelabelt arbeiten. Der Rest der Untersuchung gleiche der MCU, nur dass anstelle einer Röntgenuntersuchung eine Miktionsurosonografie (MUS) durchgeführt werde.
Derzeit arbeiten die Experten der DEGUM an einer neuen evidenzbasierten S2-Leitlinie, in der sie anhand umfangreicher Studien darlegen wollen, dass die Methode eine echte Alternative zur MCU darstellt. Sie sei sehr sensitiv und viele Eltern würden eine strahlungsfreie Untersuchung ihrer Kinder bevorzugen. »Wir hoffen, dass die Methode durch die neue Leitlinie weiter anerkannt und irgendwann von den Kassen auch vergütet wird«, betonte Mentzel.
Bereits Kassenleistung ist eine Ultraschall-Untersuchung bei kindlichen Knochenbrüchen. Hierzu informierte Dr. Kolja Eckert, Sektionsleiter der Kinderchirurgie am Helios St. Johannes Klinikum in Duisburg. »Für viele Eltern steht fest, dass Knochenbrüche immer mittels Röntgenstrahlen untersucht werden müssen, und sie wundern sich, wenn ich zuallererst nach dem Ultraschallgerät greife«, berichtete Eckert. Kinder hätten häufig kleinere Unfälle, doch nur etwa 20 Prozent der durchgeführten Röntgenuntersuchungen wiesen auch tatsächlich einen Knochenbruch nach. Die häufigsten und kindertypischen Brüche, wie Unter- oder Oberarmsfrakturen, ließen sich mit einer Sonografie jedoch sehr gut darstellen. »Das hat vor allem den Vorteil, dass wir dadurch die Strahlenbelastung der Kinder gering halten können«, so der Mediziner.
Ein weiterer Vorteil betreffe den Untersuchungsablauf: »Beim Röntgen müssen die kleinen Patienten von der Notaufnahme noch mal in die Röntgenabteilung und danach wieder zurück – und das meist mit zusätzlichen Wartezeiten«, so Eckert. Die Ultraschall-Untersuchung könne hingegen direkt im Untersuchungsraum mehr oder weniger parallel zum Anamnesegespräch und der klinischen Untersuchung durchgeführt werden. Zudem könnten die Kinder dabei auf dem Schoß der Eltern bleiben, was auch oft von Vorteil sei. »Wenn man im Fraktur-Ultraschall geübt ist, kann man so in fünf Minuten durch sein«, hob Eckert hervor.
Bei Erwachsenen funktioniert die Ultraschall-Untersuchung von Brüchen laut dem DEGUM-Experten oft nicht, weil bei ihnen die Frakturen häufig innerhalb des Gelenks seien: »Hier benötigt man eine Bildgebung, bei der man in das Gelenk reinschauen kann, und das gelingt mit Ultraschall nicht.«