Unerwünschte Souvenirs |
Beim Auspacken des Koffers können Bettwanzen als Urlaubsmitbringsel in die eigene Wohnung gelangen. / Foto: Adobe Stock/ Freedomz
Erst Corona, dann Affenpocken und jetzt Bettwanzen: Im Nachbarland Frankreich sind die Parasiten für eine regelrechte Epidemie verantwortlich. Die Plagegeister tummeln sich in Unterkünften und Verkehrsmittel. Sogar in Freizeiteinrichtungen wie Kinos wollen Besucher sie gesichtet haben. Als Urlaubsmitbringsel finden etliche den Weg auch nach Deutschland. Die Bettwanze Cimex lectularius aus der Familie der Plattwanzen (Cimicidae) war bei uns nahezu ausgerottet. Die Reisetätigkeit ermöglichte den Parasiten allerdings ein Comeback, sodass sie heute auch wieder in Deutschland ihre menschlichen Opfer quälen können. Die Parasiten fühlen sich auch in Deutschland besonders dort wohl, wo viele Menschen zusammentreffen, und tummeln sich in Hotels, Gemeinschaftsunterkünften wie Wohnheimen, Krankenhäusern oder Transportmitteln wie Busse, Züge oder Kreuzfahrtschiffe.
Eine ausgewachsene Bettwanze ist 4 bis 5 mm lang und kann vollgesogen eine Länge von 9 mm erreichen. Schwerer zu erkennen sind die Insekten am Anfang ihrer Entwicklung, denn die Juvenilstadien sind deutlich kleiner und heller gefärbt. Bis sie ihre endgültige Größe erreicht haben, häuten sich Bettwanzen fünfmal und benötigen zuvor jeweils eine Blutmahlzeit. Die ausgewachsenen Parasiten haben eine rostrote bis dunkelbraune Färbung und erinnern an einen Apfelkern. Oft zu Gesicht kriegt man sie jedoch nicht: Bettwanzen sind zum einen nachtaktiv, zum anderen sehr flink und verstehen es, sich zu verstecken. Tagsüber verweilen die papierdünnen Tierchen in Ritzen von Bettgestellen, unter Matratzen, hinter Fußbodenleisten, in Möbelspalten oder hinter Tapeten und Bildern. In der Nacht locken Körperwärme und Ausdünstungen wie Kohlendioxid (CO2) die Parasiten hervor. Sie bevorzugen menschliches Blut, können aber auch mit Nebenwirten wie Haustieren, Nagern und Geflügel vorliebnehmen.
Alle drei bis fünf Tage brauchen sie eine Blutmahlzeit. Adulte Tiere können aber auch Hungerperioden von bis zu acht Monaten überstehen. Die Parasiten saugen zwischen fünf bis zehn Minuten lang und beißen meistens mehrmals zu, bis sie ein Gefäß treffen. Die Bisse stehen in einer typischen reihenartigen Anordnung, der sogenannten »Wanzenstraße« oder ungruppiert. Beim Saugen sondern die Insekten ihren Speichel ab. Dieser enthält nicht nur gerinnungshemmende Stoffe, sondern auch anästhesierende und hämolysierende Bestandteile sowie sensibilisierende Proteine. Wegen der betäubenden Wirkung bemerken viele Menschen die Läsionen zunächst nicht. Diese finden sich bevorzugt an Körperteilen wie Arme, Schultern, Beine und Gesicht, die im Schlaf unbedeckt sind. Stellen wie Achselhöhlen oder Kniebeugen, die andere Plagegeister wie Zecken bevorzugt aufsuchen, befallen Bettwanzen dagegen selten.
Dass die Parasiten beim Saugen Krankheiten übertragen könnten ist wohl nicht zu befürchten. Es gibt zwar mehr als 40 Erreger, die auf diese Weise theoretisch übertragbar wären. Nachgewiesen wurde dies jedoch nicht. Der Substanz-Cocktail im Speichel führt allerdings zu unangenehmen Hautreaktionen, die das Krankheitsbild Cimikose charakterisieren. Wie stark Symptome sind, hängt vom Sensibilisierungsgrad des Gestochenen ab. Wer wenig sensibilisiert ist, entwickelt 1 bis 2 cm große Quaddeln, in deren Zentrum ein hämorrhagischer Punkt zu sehen ist. Beim hoch Sensibilisierten können Effloreszenzen bis zu 20 cm groß werden und bei sehr vielen Bissen entstehen urtikarielle Exantheme. Stark juckende Papeln können über mehrere Tage persistieren und zum Kratzen verlocken. Dabei sind bakterielle Superinfektionen und Hautentzündungen möglich. Bei schwerem chronischem Befall entwickeln manche Patienten neben den Hauterscheinungen eine Anämie.
Ob es sich bei juckenden Stellen um einen Bettwanzenbiss oder die Stiche beziehungsweise Biss anderen Pagegeistern wie Mücken oder Flöhen handelt, lässt sich, außer am typischen Bissmuster, an weiteren Hinterlassenschaften der Parasiten erkennen. Dazu zählen Blutspritzer auf der Bettwäsche oder Kotspuren in Form von kleinen schwarzen Punkten auf den Bettlaken sowie abgestreifte Häutungshüllen. Bettwanzen geben zudem ein Sekret aus Stinkdrüsen ab. Dieses Alarmsekret zur Abwehr von Feinden hat einen süßlich-penetranten Geruch.
Bei unklaren juckenden Stellen sollten allergische Reaktionen, zum Beispiel gegen Nahrungsmittel, oder Erkrankungen wie Nesselsucht (Urtikaria) oder Windpocken ausgeschlossen werden. Handelt es sich um Bettwanzenbisse, verheilen diese innerhalb von ein bis zwei Wochen, wenn sie unkompliziert sind. Das Apothekenteam kann symptomatisch Antipruriginosa wie Polidocanol in Lotio alba aquosa und antiseptische Externa empfehlen. Wenn die Symptome stark ausgeprägt sind, ist mitunter eine kurzzeitige topische Behandlung mit Glucocorticoiden wie Betamethason erforderlich. Aufgekratzte Quaddeln können sich entzünden und eine Antibiotika-Therapie notwendig machen. Einige Menschen reagieren allergisch auf das Sekret der Bettwanzen. Dann können orale Antihistaminika helfen.
Wünschenswert ist es, mit den Parasiten gar nicht erst auf Tuchfühlung gehen zu müssen. Daher untersuchen Urlauber ihre Unterkunft am besten zunächst gründlich auf Bettwanzen und schauen im Schlafzimmer auch unter die Matratze. Das Gepäck sollte voraussichtshalber nicht aufs Bett gelegt werden. Ein geeigneter Ort für den Koffer ist ein Tisch mit Metallfüßen. Auf diesen können Bettwanzen nicht so ohne Weiteres klettern. Das Ungeziefer fühlt sich besonders vom Geruch schmutziger Wäsche angezogen. Getragene Kleidung wird daher nicht achtlos auf den Boden geworfen, sondern ist am besten geschützt in einem dicht verschlossenen Plastikbeutel aufgehoben. Wer sich nachts noch sicherer fühlen möchte, nimmt ein Speziallaken mit. Imprägnierte Bettlaken weisen die Wanzen ab, auf sehr glatten finden sie keinen Halt.
Zurück zu Hause empfiehlt es sich, zunächst das Gepäck zu untersuchen. Wer auf Nummer Sicher gehen will, packt seine Wäsche noch im Urlaubsland in einen Plastikbeutel und schüttet ihn nach Rückkehrer daheim in der Dusche aus. Wenn Tierchen aus der Wäsche herauskrabbeln, können sie gleich weggespült werden. Der ausgepackte Koffer kann mit einem Staubsauger ausgesaugt und der Staubsaugerbeutel in einem festverschlossenen Plastiksack entsorgt werden. Alle Kleidung, die mitgenommen wurde, wird bei mindestens 60 Grad gewaschen. Was nicht so heiß oder gar nicht gewaschen werden darf, lässt sich möglicherweise einfrieren. Auch heißer Wasserdampf tötet die Parasiten und ihre Eier ab.
Da für Bettwanzen keine Meldepflicht besteht, gibt es keine genauen Zahlen, wie viele Haushalte in Deutschland betroffen sind. Vermutlich verheimlichen viele Menschen auch einen Befall, da sie befürchten, als unsauber zu gelten. Das ist allerdings keine gute Idee. Die Situation gerät rasch außer Kontrolle, da sich die Tierchen schnell vermehren können. Ein einziges Weibchen legt je nach Alter ein bis zwölf Eier pro Tag. Die Population wächst so exponentiell. Schämen muss sich wegen einem Befall niemand, da Bettwanzen kein Zeichen mangelnder Hygiene sind. Sie können selbst im reinlichsten Haushalt über Gegenstände wie Kleidung oder gebraucht gekaufte Möbel eingeschleppt werden.
Wer die Plage im Haus hat, ruft am besten schnell Fachleute zu Hilfe. Insektenbekämpfer können die Wohnung mit entsprechend ausgebildeten Spürhunden absuchen. Ihnen stehen zudem spezielle chemische Schädlingsbekämpfungsmittel zur Verfügung und sie haben die Möglichkeit, empfindliche Gegenstände wie elektrische Geräte zu begasen, um sie von dem Ungeziefer zu befreien. Das Apothekenteam rät davon ab, die Plage selbst in den Griff bekommen zu wollen. Bettwanzen sind gegen viele freiverkäufliche Mittel resistent. Zudem besteht die Gefahr, dass Insektizide bei falscher Anwendung der eigenen Gesundheit schaden. Auch mit professioneller Hilfe braucht es einen langen Atem. Es kann Wochen bis Monate dauern, bis Menschen ihr Zuhause wieder ganz für sich allein haben. /